Bundestagswahl in Berlin: Allein unter Frauen

Bei den großen Parteien in Berlin ist Gregor Gysi der einzige Mann neben vier Spitzenkandidatinnen. Das muss kein Nachteil sein.

Erfüllt die Männerquote: Gregoy Gysi ist wieder Spitzenkandidat der Berliner Linken. Bild: dpa

Er muss sich einsam fühlen. Wenn in den Wochen vor der Bundestagswahl die Berliner Spitzenkandidatinnen und -kandidaten in Talkrunden zusammensitzen, ist Gregor Gysi, die Nummer eins der Linkspartei, der einzige Mann. Alle anderen im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien haben eine Frau an die Spitze ihrer Landesliste gewählt, als letzte wollen das an diesem Samstag die Sozialdemokraten tun.

Frauen sollen es also richten: Eva Högl für die SPD, Monika Grütters für die CDU, Renate Künast für die Grünen und Cornelia Otto – als Einzige der Spitzenfrauen ohne Bundestagserfahrung – für die Piraten. Ihre Namen werden auf dem Wahlschein bei der Zweitstimme an erster Stelle hinter dem Parteikürzel stehen; sie sind neben den bundesweiten Spitzenkandidatinnen und -kandidaten wichtige Figuren im Wahlkampf. Und sie rücken als Erste von der Landesliste ihrer Parteien in den Bundestag, wenn sie nicht selbst einen Wahlkreis gewinnen.

In Zeiten von Quotendiskussionen für Führungsjobs scheint es so, als müsse ein Mann an der Spitze von Nachteil sein. Thomas Barthel, der Sprecher von Gysis Berliner Linkspartei, will davon aber nichts wissen. „Über die Spitzenkandidatur bestimmt sich nicht das feministische Profil einer Partei“, sagt er. „Wenn die Linke insgesamt eine männlich dominierte Liste hätte, dann würde ich mir Gedanken machen. Aber wir haben drei Frauen auf den ersten fünf Plätzen.“

Acht Jahre Kanzlerin

Das ist ein Argument, das den Werbeexperten Frank Stauss, der unter anderem drei Wowereit-Wahlkämpfe mitentwickelte und Autor von „Höllenritt Wahlkampf“ ist, gar nicht überzeugt: „Den Spitzenkandidaten zu verweiblichen, indem man Frauen um ihn stellt, das funktioniert nicht.“ Er hält das auch gar nicht für nötig: „Es spielt nach meiner Erfahrung keine Rolle mehr, ob eine Frau oder ein Mann an der Spitze steht“, sagt Stauss. Für ihn hat diese Entwicklung stark damit zu tun, dass eine Frau seit acht Jahren Bundeskanzlerin ist.

Eva Högl, designierte Nummer eins auf der SPD-Liste, mag auch nicht so weit gehen, Spitzenkandidatinnen als wahlentscheidend anzusehen. Für sie ist die Nominierung der Frauen aber ein starkes Signal und zeigt, dass sich Frauen auch in Parteien durchsetzen können. Die CDU sieht sich gleichfalls nicht allein wegen einer Frau an der Spitze im Vorteil. Problematisch werde es für Gysi „ganz sicher nicht wegen seines Geschlechts“, ist von CDU-Generalssekretär Kai Wegner zu hören, der selbst hinter Grütters kandidiert. Entscheidend seien „Glaubwürdigkeit und Fachkompetenz“.

Eine oder zwei Spitzenkandidatinnen, das gab es bisher schon – mehr aber nie. Renate Künast steht seit 2002 regelmäßig auf Platz eins bei den Grünen. In jenem Jahr durfte auch bei der Linkspartei, die damals noch PDS hieß, mit Petra Pau ausnahmsweise eine Frau ran – weil Gysi zu jener Zeit als Wirtschaftssenator in der neuen rot-roten Koalition in Berlin anderweitig beschäftigt war. 2005 wählte die CDU erstmals Grütters an die Spitzenposition.

Und was sagt der Mann selbst, der allein unter Frauen ist? In der gleichnamigen Filmkomödie aus den 90ern wird in einer Frauen-WG aus einem Macho ein Kämpfer gegen ein Pornokino. Gysi zieht folgendes Fazit aus seiner Sonderrolle: „Es ist mir nach langem Kampf gelungen, in den meisten anderen Parteien eine Frau als Spitzenkandidatin durchzusetzen. Beim nächsten Mal gelingt mir das auch in meiner Partei.“

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