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Bundesverfassungsgericht über AfghanenBundesregierung darf Aufnahmezusage brechen

Ein afghanischer Richter hatte eine Aufnahmezusage für Deutschland, die ausgesetzt wurde. Nun verpflichtet Karlsruhe die Regierung aber nur, endlich zu entscheiden.

Für den afghanischen Juristen ist das Urteil eher eine Niederlage Foto: Uli Deck/dpa
Christian Rath

Aus Karlsruhe

Christian Rath

Die Bundesregierung muss sofort entscheiden, ob ein afghanischer Richter und seine Familie nach Deutschland einreisen darf oder nicht. Das beschloss das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren. Für den Richter ist das eher eine Niederlage, denn die Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen verpflichteten die Regierung nicht, dem Afghanen ein Visum auszustellen – obwohl er eigentlich eine deutsche Aufnahmezusage hatte.

Der afghanische Jurist war Richter am Obersten Gericht des Landes. Nach der erneuten Machtübernahme der Taliban erhielt er 2022 von Deutschland eine Aufnahmezusage; er stand auf der sogenannten Übergangsliste. Daraufhin verließ er mit seiner Frau und vier Kindern Afghanistan, um bei der deutschen Botschaft in Pakistan ein Visum für Deutschland zu beantragen. Doch es ging nicht voran.

Nach dem deutschen Regierungswechsel 2025 hat die neue schwarz-rote Bundesregierung alle Aufnahmeprogramme gestoppt, um die Zusagen zu prüfen. Den Af­gha­n:in­nen mit Aufnahmezusagen, die wie der Richter und seine Familie nach Pakistan gereist waren, droht dort inzwischen die Abschiebung zurück nach Afghanistan und damit große Gefahr.

Der afghanische Richter klagte daher vor deutschen Gerichten. Zuerst verpflichtete das Verwaltungsgericht Berlin die Bundesregierung, ein Einreisevisum auszustellen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg lehnte den Eilantrag des Richters jedoch ab. Die Zusagen aus den ersten drei deutschen Aufnahmeprogrammen seien rechtlich nicht verbindlich.

Nur ein Teilerfolg für afghanischen Richter

Dagegen erhob der afghanische Richter im September 2025 Verfassungsbeschwerde und beantragte eine Karlsruher Eil-Entscheidung. Er berief sich auf Vertrauensschutz und das Rechtsstaatsprinzip. Der Fall gilt als Muster für hunderte ähnlicher Fälle.

Doch das Bundesverfassungsgericht enttäuschte nun die Hoffnungen des afghanischen Richters. Es verpflichtete die Bundesregierung nicht, ihm und seiner Familie ein Einreisevisum auszustellen. Insofern genüge die Verfassungbeschwerde nicht den Darlegungserfordernissen und sei unzulässig.

Der afghanische Richter erzielte nur einen eher kleinen Teil-Erfolg. Die Bundesregierung darf nicht weiter untätig bleiben, sondern muss die Visumsanträge nun endlich bescheiden. Karlsruhe gestand der neuen Bundesregierung zwar zu, dass sie sich nach dem Regierungswechsel neu orientieren muss. Wegen der von der pakistanischen Regierung inzwischen gesetzten Frist zum Jahresende müsse die Regierung nun aber schnell entscheiden, „ob das politische Interesse an der Aufnahme der Beschwerdeführenden weiterhin bejaht oder verneint wird“. Der afghanische Richter und seine Familie hätten „ein dringendes Interesse, Gewissheit über den Ausgang der Visaverfahren zu erlangen“, so das deutsche Verfassungsgericht.

Das Bundesverfassungsgericht machte der Bundesregierung also keine Vorgaben, ob es die Aufnahmezusagen aufrechterhalten muss oder zurücknehmen kann. Dies soll wohl als rein politische Frage behandelt werden. Die Bundesregierung darf ihre Aufnahmezusage also auch brechen. Der afghanische Richter kann nun wohl nur noch auf die SPD und Justizministerin Stefanie Hubig hoffen, dass sie sich in der Bundesregierung für die Einhaltung der Aufnahmezusagen einsetzt.

(Az.: 2 BvR 1511/25)

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