Button zum Entfernen von Webinhalten: Lösch mich, Internet!

Ein „Radier-Button“ soll Jugendliche aus Kalifornien im Internet vor sich selbst schützen. Ist das die Lösung für peinliche Daten im Netz?

Kann Elektroschrott gelöscht werden? Die Feuerwehr in Goslar versucht's. Bild: dpa

BERLIN taz | Ergooglebare Jugendsünden wieder löschen. In Kalifornien soll das jetzt möglich sein – zumindest für Minderjährige. Der US-Bundesstaat hat dazu ein neues Gesetz geschaffen, SB568. Es verpflichtet Webseitenbetreiber dazu, eine Löschfunktion für unter 18-Jährige einzurichten.

Wird der Button geklickt, muss der Anbieter die Nutzerdaten enfernen. Die Button-Pflicht gilt für Webseiten, Apps und Internetangebote, die personenrelevante Daten von Besuchern aus Kalifornien sammeln. Ab 2015 greift das Gesetz. Klick und weg.

„Alle von uns – besonders Kinder – sollten in der Lage sein, zu löschen, was wir im Internet schreiben“, schrieb Jim Steyer, Vater von vier Kindern, in einem Brief an den kalifornischen Gouverneur. Ein ähnlicher Gesetzesentwurf wurde in den USA schon 2011 dem Repräsentantenhaus vorgelegt. Der Do Not Track Kids Act wurde im Gremium aber abgelehnt. Ist der Button sinnvoll?

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix sagt: „Ich würde nicht sagen, der Button ist sinnlos, aber man sollte den Leuten keine falschen Hoffnungen machen.“ Ein Problem sieht Dix bei der Datenerhebung. „Der Anbieter muss das Wissen darüber haben, dass es sich um Daten einer Person handelt, die minderjährig ist und außerdem in Kalifornien lebt. Diese Informationen muss er schon zuverlässig haben oder er müsste sie erst noch erheben. Das ist eine praktische Schwierigkeit.“

Daten aus dem Internet zu löschen, diese Idee ist nicht neu. Viktor Mayer-Schönberger schrieb 2007 von einem Recht, vergessen zu werden („The Right to be forgotten“). Der Europäischen Kommission gefiel diese Idee eines virtuellen Radiergummis. Am 25. Januar 2012 präsentierte Vizepräsidentin Viviane Reding den Entwurf für eine Datenschutzverordnung, mit dem „Recht auf Vergessen werden“. Die Grundlage des Reformvorschlags ist ein schon bestehendes Recht: Die Löschung personenbezogener Daten zu verlangen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.

Hallo, bitte entfernen!

Denn das können zumindest Nutzer in Deutschland schon machen: den Anbieter einer Plattform kontaktieren. Per Gesetz ist es möglich, die Löschung zu fordern. Grundlage ist das Bundesdatenschutzgesetz. „Man muss nur sagen: Ich möchte, dass es gelöscht wird. Die Daten sind auf freiwilliger Basis ins Netz gestellt worden. Wenn man da nicht einverstanden ist, kann man die Löschung verlangen.“ Das gelte für alles, außer der Betreiber brauche die Daten für Dienstleistungen oder sie seien Teil eines Vertrags.

Die EU-Agentur für Informationssicherheit (Enisa) hat die technischen Umsetzung des „Recht auf Vergessen werden“ geprüft. Und festgestellt: „Eine rein technische Lösung zur Umsetzung des Rechts im Internet ist unmöglich.“ Warum?

Ist es überhaupt möglich, Daten von Servern zu löschen, wenn diese in der ganzen Welt verstreut sind? Alexander Dix sagt dazu: „Der Betreiber ist dafür verantwortlich, welche Daten er in seinem Angebot hält. Und wenn er selber nicht die Server überwacht, dann muss er die Anweisung erteilen, dass die Dinge auf dem Server gelöscht werden. Im Prinzip geht es, die Daten nachzuverfolgen – aber nur soweit der Betreiber seine Seite auf bestimmten Server hosten lässt, mit technischer Unterstützung dieser Dritten.“

Copy & Paste

Aber: Das Internet ist eine riesige Kopierwelt. „Dass andere etwas ins Netz stellen, die Daten kopiert und im Internet veröffentlicht werden, dass sie gespiegelt werden, all das lässt sich nicht verhindern.“

Können peinliche Daten mit einem Klick gelöscht werden? Ja. Aber die volle Kontrolle über eigene Inhalte im Web gibt es nicht. Angaben von Dritten kann man nicht auf Knopfdruck löschen. Der Anbieter kann auch nicht den Inhalt entfernen, der von Dritten erneut verteilt wurde, wie ein auf anderen Webseite geteilter Text, eine auf anderen Festplatten schon gespeicherte Datei, die wieder ins Internet gestellt wird.

Und es gibt ganze Kopien von Webseiten im Netz. Google beispielsweise erstellt Schnappschüsse von Internetseiten. Zur Serverentlastung werden die Inhalte dann im sogenannten Google Cache gespeichert, damit der Server die Daten nicht in Echtzeit auf aktuelle Inhalte durchsuchen muss. //support.google.com/websearch/answer/1687222?hl=de&p=cached:Diese Schnappschuss-Version kann jeder eingesehen. Der Inhalt wird aktualisiert, in Abständen zwischen ein und vier Wochen. Je höher die Aktualisierungsrate der Seite, desto häufiger aktualisiert auch Google die Schnappschüsse. Soll aber der von Google gespeicherte Inhalt gelöscht werden, muss der Webseitenbetreiber dies bei Google beantragen.

Es gibt auch das Internetarchiv archive.org. Es speichert Inhalte nicht für Tage, sondern viele Jahre lang. Die Alt-Version einer Webseite ist dadurch einsehbar – auch, wenn die Dateien längst gelöscht sind. Ein sogenannter „Crawler“ durchforstet im monatlichen Abstand das Web und speichert Seiten, auf die im Web oft verlinkt wird. Auch hier liegt es am Webseitenbetreiber, die kopierte Seite aus dem Archiv löschen zu lassen. Inhalte auf Webseiten anderer lassen sich aus der „Wayback Machine“ („Zeit-Zurück-Maschine“) nur auf Antrag von den Betreibern löschen.

„Es ist eine Illusion zu meinen, man kann Informationen weltweit wieder aus dem Netz entfernen“, sagt Dix. „Einen Löschbefehl kann man eingeben, nur das Internet ist dynamisch. Leute kopieren, laden Inhalte herunter auf den eigenen Computer. Das ist nicht zu kontrollieren.“

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