CSD in Bautzen: Flagge zeigen für die Queer-Community
Mehrere Tausend Menschen demonstrieren zum Christopher Street Day (CSD) im ostsächsischen Bautzen. Die rechte Gegendemo bleibt kleiner als erwartet.
Im vergangenen Jahr hatten rund 700 extreme Rechte und Neonazis in Bautzen protestiert – das sorgte bundesweit für Aufsehen. Gegen keinen anderen CSD in Sachsen demonstrierten so viele. Schwarz gekleidet brannten sie Pyrotechnik ab und skandierten nationalistische Parolen, nur wenige hundert Meter hinter dem bunten CSD. Doch an diesem Sonntag warten deutlich weniger am Friedrich-Engels-Platz darauf, dass die Parade an ihnen vorbeizieht.
Vom Rand des Platzes beobachtet Andrea Hübler, Geschäftsführerin der Beratungsstelle für Betroffene von Rassismus RAA, die extremen Rechten durch ihre Sonnenbrille. Die meisten sind schwarz gekleidet, viele sind jung, einige tragen Glatzen und rechte Szene-Tattoos. Die Polizei schätzt, dass sich etwa 450 am Protest gegen den CSD beteiligen. Hübler sagt: „Damit sind sie sicher hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben, während der CSD stark vertreten ist.“ Laut Polizei nehmen etwa 3.000 Personen an der Pride teil, während 400 weitere sie mit einer Kundgebung am Rand unterstützen. Laut der Orga des CSDs waren es mehr als 4.000.
Der CSD formiert sich wenige hundert Meter von der Neonazis entfernt. Bass dröhnt und wummert von allen Seiten, die Sonne scheint durch das grüne Blätterdach auf dem August-Bebel-Platz. „Zecken jagen“, steht in schwarzer Schrift an einer Mauer. Am Rande der Demo steht Luna Möbius. Sie ist in Sachsen-Anhalt im Landkreis Wittenberg aufgewachsen, trat vergangenes Jahr bei der Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt für die Grünen an. An diesem Sonntag hält sie etwas später eine Rede auf dem CSD in Bautzen als trans Frau und Aktivistin.
Während die Demo losläuft, erklärt Möbius der taz, queer und Ostdeutschland, die Kombi sei schon unangenehm, „obwohl sie es nicht sein sollte“. In Bautzen sehe man aber ganz besonders, „wie gewaltsam sich die Leute hier gegen den CSD organisieren“. Anders als etwa in Dresden, Leipzig oder Halle an der Saale, reisen die Neonazis laut Möbius nicht wieder ab. Die lebten in Bautzen. Für Queere in der Stadt bedeute das, „dass man überhaupt kein Sicherheitsgefühl mehr hat“. Sie hoffe, dass es Queeren in Bautzen Kraft gebe, dass so viele gekommen sind.
Bei der rechtsextremen Demo läuft live der „Abschiebehauptmeister“, eine Mischung aus Rap und Ballermann. „Düsi, Düsi, der Abschiebeflieger.“ Der Text ist simpel, aber es singt keiner laut mit. Die Stimmung ist schlecht. Zum Abschluss gibt es höflichen Applaus für die lokalen Künstler.
Dann geht es los. Der CSD läuft vorbei, die aufgereihten Neonazis rufen hinter den Polizeigittern: „Wir kriegen euch alle!“ In der CSD-Demo zünden einzelne ein paar Rauchtöpfe und antworten laut: „Nazischweine!“
Mittendrin bei der Pride laufen Max und Sophie. Die beiden kommen aus Görlitz. Max findet es schade, dass so viele Leute am Rande missgünstig gucken. Sophie war dieses Jahr auf dem CSD in Dresden. „Da gab’s nicht so viel Hass“, sagt sie. Aber auch der CSD in Bautzen habe etwas Besonderes. „Ich mag den Zusammenhalt sehr.“ Für sie sei es wichtig dabei zu sein: Flagge zeigen, gerade machen, für die Freund:innen in der Community.
Die Neonazis warten, bis der CSD an ihnen vorbeigelaufen ist, dann trotten sie hinterher. Einzelne Zuschauer:innen vom Straßenrand klatschen, ansonsten ist es still. Dann gibt ein junger Mann mit Megafon den Spruch vor und die ersten Reihen skandieren: „Unsere Stadt, unsere Regeln.“
Vergangenes Jahr sagten die CSD-Organisator:innen kurzzeitig eine Anschlussparty ab. Es sei nicht sicher genug in Bautzen. Das schätzen sie immer noch so ein: Dieses Jahr wurde die Party gar nicht erst geplant.
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