CTM-Festival in Berlin: Vagabunden des Sounds

Das von Alan und Richard Bishop gegründete Label Sublime Frequencies ist ein globales Folk-Archiv. Nun kommt Alan Bishop nach Deutschland.

Drei Musiker

Alan Bishop mit seiner Band Dwarfs Of East Agouza. Foto: Disk Agency

Nein, um eine gewöhnliche Plattenfirma handelt es sich bei Sublime Frequencies keineswegs. Schaut man sich den Katalog an und klickt sich durch das umfangreiche Bandcamp-Archiv, finden sich etwa auf Bali aufgenommenes Grillengezirpe, burmesische Harfenmusik aus den 1920er Jahren, psychedelische Lautenmusik aus Marrakesch und Volksgesänge aus China. Das Album „Radio Pyongyang“ ermöglicht eine Auseinandersetzung mit nordkoreanischer Propagandamusik.

Sublime Frequencies (“Erhabene Frequenzen“) ist 2003 im Dunstkreis der Seattle-Band Sun City Girls entstanden. Die Brüder Alan und Richard Bishop, die mit dieser Gruppe seit Anfang der Achtziger mehr als 100 Alben und Kassetten veröffentlicht haben, standen mit ihrer eigenen Musik bereits für eine Verbindung von US-Psychedelic-Rock und Musiken aus dem Mittleren Osten und Südostasien.

Die Bishops, Söhne einer Libanesin und eines Amerikaners, riefen neben ihren Bandprojekten Anfang der nuller Jahre gemeinsam mit Hisham Mayet Sublime Frequencies ins Leben. Sie alle kannten sich aus den Punk- und Indieszenen Portlands und Seattles.

Ein Klangarchiv

Mit dem Label haben sie den Einflüssen, die sie prägten, nachgespürt und Folk aus aller Welt – vor allem aus Südostasien, Nordafrika und dem Mittleren Osten – veröffentlicht. Sublime Frequencies ist mit seinen mehr als 100 Alben zu einem Klangarchiv geworden. Bei einem DJ-Set, das Alan Bishop im Rahmen des Festivals club transmediale morgen in Berlin spielt, kann man diesen Klangkosmos endlich auch hierzulande ergründen.

Oft handelt es sich bei den Aufnahmen um Field Recordings, die ihnen aus aller Welt zugeschickt wurden. „Wir haben dutzende Freunde und Mitarbeiter, die unsere Projekte unterstützen“, schreibt Bishop in einer Mail.

Schlechte Klangqualität ist Teil des Programms: Die Mitschnitte sollen das Gefühl transportieren, das etwa auf dem Marktplatz von Marrakesch vorherrscht – dazu gehören allerhand Beigeräusche. Der ekstatische Sound, der via Beats und elektrisch verstärkter Laute von Straßenmusikern erzeugt wird, wirkt unmittelbar.

Alan Bishop spielt am 30. Januar in Berlin.

Sublime Frequencies erscheint einem – gerade wenn man an Aufnahmen aus Nordkorea oder von Minoritäten aus China denkt – ein bisschen wie ein kulturelles Bildungsprojekt, aber so will Bishop das keineswegs verstehen: „Wir sind inspiriert von Musik aus aller Welt und wollen das an Gleichgesinnte weitergeben. Wir fühlen keinerlei Verantwortung, irgendjemanden zu ‚bilden‘. Die Leute sollen begeistert sein von der Musik und sich nach eigenen Vorlieben weiterbilden“, schreibt der 56-Jährige.

Die einfache Übermittlung von Aufnahmen in der digitalen Ära hat ihnen die Arbeit deutlich erleichtert. Gleichzeitig ist die Wahrnehmung von globaler Folk-Music heute eine viel höhere – Labels wie Sublime Frequencies oder Awesome Tapes From Africa, ein vergleichbares Projekt, haben weltweit Fans, während die Veröffentlichungen früher wohl in der hinteren Ecke des Schallplattenladens untergegangen wären.

Vagabundiernde Musiksammler

Dass man sich mit Sublime Frequencies auf die Regionen Südostasien, Nordafrika und Mittlerer Osten fokussiert, hat damit zu tun, dass die Labelbetreiber dort am meisten unterwegs waren. Alan Bishop selbst hat an mehreren Orten in Asien und Nordafrika gelebt, heute wohnt er in Kairo; seine Frau stammt aus Myanmar. Die Labelgeschichte ist auch eine des Vagabundendaseins – sowohl Alan als auch Richard Bishop haben während ihrer Reisen in anderen Ländern immer vor allem eins gemacht: Musik kollektiviert.

Auch dank der so entstandenen Kontakte hat man inzwischen ein Labelprogramm, das einem Klänge nahebringt, die die meisten wohl noch nie gehört haben. Psychedelic Rock aus Malaysia, koreanische Zither-Musik, algerischen Raï-Underground. Die Bollywood-Soundtracks und der Thai-Soul sind dazwischen fast schon Mainstream. Mit dem syrischen Musiker Omar Souleyman, der Folk und elektronische Tanzmusik verbindet, hat das Label auch einen international bekannten Künstler hervorgebracht.

Die Bishops sind beide bis heute absolute Maniacs, die nebenbei noch diverse Bandprojekte betreiben. Richard Bishop hat kürzlich ein Konzeptalbum über Tanger (“Tangier Sessions“) veröffentlicht, Bruder Alan ist ziemlich beschäftigt: „Ich bin aktuell in zwei ägyptischen Bands, The Dwarfs of East Agouza und The Invisible Hands“, schreibt er.

Und wenn er nicht gerade an seinem Solo-Projekt Alvarius B arbeite, dann sei er mit seinen beiden Labels beschäftigt. Denn Abduction Records, das Label der Sun City Girls, gibt es neben Sublime Frequencies auch noch. „Und dann wären da noch Millionen anderer Projekte, an denen ich arbeite, immer“, schreibt er. Gibt ja auch noch einige Millionen Klänge zu entdecken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.