Cannabis-Teillegalisierung: Connaisseure unter sich

Bei einem Bundestreffen der Cannabis-Social-Clubs gibt es Kritik am Legalisierungsentwurf. Grundsätzlich sind sie aber bereit, ihre Rolle zu erfüllen.

Cannabisbedarf pro Club und Monat: 25 Kilo Foto: dpa

BERLIN taz | Nein, sie seien keine Hardcore-Kiffer, ruft der Vertreter von Düsseldorf, geschätzt Anfang 50, halblange Haare, Bikertyp. „Wir sind Connaisseure.“ Zustimmendes Nicken im Raum. Rund 20 Teilnehmer haben sich eingefunden zu dem bundesweiten Treffen der Cannabis-Social-Clubs, das am vergangenen Samstag im Keller des Hanfmuseums in Berlin-Mitte stattfindet. Nicht weit entfernt vom Roten Rathaus, wo seit April ein schwarzer Bürgermeister regiert. Ein einziger Satz findet sich in der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung zum Vorhaben der Bundesregierung: “Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz spielen bei der Umsetzung einer möglichen Cannabis-Gesetzgebung auf Bundesebene eine herausragende Rolle.“

Die Ampel-Bundesregierung will Anbau und Besitz von Cannabis entkriminalisieren. Mitte April hatten SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Grünen-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir die Eckpunkte des Gesetzes vorgestellt. Danach, Ende April, war ein 84-seitiger Gesetzentwurf durchgesickert. Vermutlich handelt es sich dabei um die an die Bundesministerien weitergeleitete Fassung, über die das Bundeskabinett alsbald beraten wird.

Die Cannabis-Szene befindet sich seither in einem Wechselbad der Gefühle zwischen Euphorie und Empörung. Nur wenige Clubs gab es in der Bundesrepublik bis zu der Pressekonferenz von Lauterbach und Özdemir. Die Ältesten, die CSCs Hamburg und Berlin, hatten viele Jahre ein Schattendasein geführt. Quasi über Nacht kommt den Clubs nun eine herausragende Rolle zu.

Denn anders als noch im Koalitionsvertrag der Ampel vorgesehen, soll es nun keine lizenzierten Fachgeschäfte geben, in denen Cannabis an erwachsene Konsumenten verkauft werden kann. Cannabis-Social-Clubs sollen nun den Anbau und die Abgabe an die Konsumenten organisieren. Die Mitgliederzahl ist auf 500 Personen beschränkt, maximal 50 Gramm pro Monat soll ein Einzelner kaufen können.

Weit über 90 Prozent Männer

Wie Pilze schießen neue Clubs seither aus dem Boden. Bei dem Dachverbandstreffen am Samstag im Hanfmuseum in Berlin sind 19 CSCs vertreten. Clubs wie Duisburg, Düsseldorf, Köln, Schwerin, Minden, Hamburg, Berlin sind in Präsenz vor Ort, München und andere sind per Zoom zugeschaltet, weit über 90 Prozent der Anwesenden im Raum sind Männer. Die Jüngste, Marie aus Minden, ist 22 Jahre, Andreas, „Präsi“ des CSC Hamburg, ein großer, bärtiger Typ mit rot glühenden Wangen, der gern und viel lacht, gehört mit seinen 60 zu den ältesten im Raum. Eine Aussprache über den geleakten Gesetzesentwurf steht am Nachmittag auf der Tagesordnung.

In dem Kellerraum wird heiß diskutiert. Es gibt viel Kritik an dem Gesetzesentwurf, der den Clubs strenge Dokumentations- und Sicherheitpflichten auferlegt. Ganz oben auf der Liste der Kritikpunkte steht, dass es in den Vereinsräumen keinesfalls ein Konsumverbot geben dürfe.

„Gemeinsamer Anbau und Konsum, das ist unser Herzstück“, sagt einer. Als weiteres Problem wird ausgemacht, dass sich der Gesetzentwurf vor der Frage drückt, wie die Verkehrstauglichkeit am Steuer nach Cannabiskonsum künftig eingestuft wird.

Bei Cannabis gelten sehr strenge Grenzwerte. „Wir wollen eine Gleichstellung mit Alkohol“, sagt der Vorsitzende des CSC Dachverbands, Steffen Geyer. Analog zu 0,5 Promille, wo nur der aktive Wirkstoffgehalt gemessen werde.

Mittwochs Kundgebung vorm Kanzleramt

Am Vorabend des bundesweiten Meetings trafen sich in Berlin die alten Hasen des CSC. Auf einem lauschigen Balkon unter tief hängenden Linden irgendwo in Berlin dampft ein Grill. Torsten Dietrich, Vorsitzender des bereits 2017 gegründeten CSC Berlin, und Andreas Gerhold, „der Präsi“ aus Hamburg, sitzen mit anderen zusammen. „Wir haben diese Rolle nie angestrebt, aber wir werden sie natürlich erfüllen“, Gerhold hat sich in Rage geredet: „Aber nicht unter diesen Be­din­gun­gen. Wir werden unsere Mitglieder nicht auf Kifferlisten ausliefern!“

Berlin hat inzwischen zwei Cannabis-Social-Clubs, 6 Neugründungen werde es noch im Juni geben, sagt Dietrich. Seine Schätzung ist, dass 10 Prozent der Berliner kiffen. Für jeden Club mit 500 Mitgliedern und maximal 50 Gramm Abgabe bedeute das 25 Kilo Cannabis pro Monat. Sicherung des Anbaus und der Vorratshaltung, Qualitätsanalyse, Suchtberatung, „das ist ein riesiger organisatorischer Aufwand“. Schon allein deshalb müssten sich die Clubs zusammenschließen, auch aus wirtschaftlichen Gründen, ist Dietrich überzeugt.

Marie aus Minden bringt das bei dem Treffen im Hanfmuseum so auf den Punkt: Eine Stahltür für 8.000 Euro, das könnten sich nur die reichen Kinder leisten. „Wir in Minden nennen die Vorschrift deshalb aus Spaß FDP-Legalisierung.“

Um sich bei der Politik Gehör zu verschaffen, rufen die Cannabis-Clubs jeden Mittwoch zwischen 9 und 10.30 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt auf. Mittwochs tagt dort immer das Kabinett. Auch in dieser Woche werden sie wieder dort stehen.

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