Castor-Transporte nach Schleswig-Holstein: Habecks Idee findet keine Freunde

Der grüne Umweltminister möchte solidarisch sein und erwägt Castor-Transporte nach Brunsbüttel. Zu teuer, winken der Innenminister und die Polizeigewerkschaft ab.

Will eine gleichmäßigere Atomlastenverteilung: Robert Habeck. Bild: dpa

KIEL dpa | Mit seiner Bereitschaft zur Lagerung von Castor-Behältern mit Atommüll aus Großbritannien in Schleswig-Holstein hat Umweltminister Robert Habeck (Grüne) eine Kosten- und Sicherheitsdebatte ausgelöst. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und Innenminister Andreas Breitner (SPD) erklärten: Viele Tausend Polizisten müssten einen solchen Transport mit Gorleben-Dimension schützen; die Landespolizei könnte seinen Schutz mit ihrem derzeitigen Personalbestand nicht gewährleisten.

Habeck verteidigte am Freitag seine Haltung: „Wir beschließen über ein Gesetz, das einen historischen Irrtum beendet und den Weg zu einer Endlagerung von Atommüll für viele 100 000 Jahre ermöglichen soll“, sagte er. Voraussetzung sei, dass die Bundesländer sich solidarisch erweisen.

„Schleswig-Holstein ist bereit, dies zu tun, und diese Linie ist auch mit dem Ministerpräsidenten abgestimmt.“ Solidarität heiße aber auch, dass andere Länder ebenfalls einen Beitrag leisteten. „Es muss eine faire Lastenverteilung geben“, forderte Habeck.

Vorteil: abgelegener Standort

Der Innenminister sieht offenkundig Diskussionsbedarf. „Sicher gibt es in den nächsten Wochen Gelegenheit, dieses schwerwiegende Thema in allen Facetten im Kabinett zu besprechen“, heißt es in einem Brief Breitners an seinen grünen Kabinettskollegen. „Neben energie- und umweltpolitischen sind auch polizeiliche Belange einzubeziehen“, heißt es darin.

Breitner verwies auf die Kosten: Dem Land Niedersachsen seien mit dem Castor-Transport nach Gorleben von 2011 Gesamtaufwendungen von 25 Millionen Euro entstanden - „wohlgemerkt: für einen Einsatz!“ Über 20.000 Beamte seien im Einsatz gewesen, davon rund 12.000 der Polizeien der Länder (5400 aus Niedersachsen) und 8.000 der Bundespolizei.

„Wir werden uns Gesprächen zur Zwischenlagerung der aus Sellafield zurückzunehmenden 21 Castoren mit hoch radioaktivem Atommüll und der fünf Behälter mit Atommüll aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich an anderen Standorten als Gorleben nicht verschließen“, hatte Habeck in der Vorwoche der Stuttgarter Zeitung gesagt. Es gebe aber noch offene Fragen. Gegenwärtig sei eine solche Einlagerung nur im Zwischenlager Gorleben (Niedersachsen) rechtlich zulässig, an anderen Standorten nicht. Dafür müssten noch Genehmigungen beantragt und erteilt werden.

Ab 2015 muss Deutschland die Atommüll-Behälter aus Sellafield und La Hague (Frankreich) aufnehmen. Dafür könnten auch Zwischenlager in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen infrage kommen. Brunsbüttel an der Elbemündung hätte den logistischen Vorteil eines eher abgelegenen Standorts und eines kurzen Landwegs zum Zwischenlager am stillgelegten Atomkraftwerk.

Aus Habecks Haus heißt es, die Kabinettsmitglieder hätten nicht aus den Medien von der Haltung des Umweltministers erfahren. Sie seien vorab informiert worden. Es sei zu hoffen, dass Habeck sich über das ganze Ausmaß auch für die innere Sicherheit im Land bewusst sei, erklärte der GdP-Landesvorsitzende Oliver Malchow.

Bitte um konstruktive Vorschläge

Käme es zu einem Transport nach Schleswig-Holstein wäre mit erheblichen Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung der Landespolizei und deutlichem finanziellen Aufwand vor, während und nach den Transporten zu rechnen, führte der Innenminister aus. Die erforderliche Polizeipräsenz im Raum Brunsbüttel wäre nur mit zusätzlichem Personal zu gewährleisten. „Dieses steht aber in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung“, schrieb Breitner.

„Ich kann mir bei Realisierung eines solchen Zwischenlagers keine Lage vorstellen, die die Landespolizei ohne Unterstützung des Bundes und der anderen Länder allein bewältigen könnte.“ Für ein Land kurz vor dem Haushaltsnotstand wäre ein solcher Einsatz eine aus eigener Kraft nicht zu leistende finanzielle Belastung, hieß es weiter.

Gäbe es bei einer Zwischenlagerung in Schleswig-Holstein keine Verstärkung für die Landespolizei, wäre dies verantwortungslos, äußerte GdP-Landeschef Malchow. Die ohnehin überlasteten Polizisten dürften nicht noch für weitere Aufgaben in solcher Dimension „verheizt und im Bürgerprotest aufgerieben werden“.

Habeck erklärte, er danke Breitner und der GDP für die Hinweise, bitte beide aber auch um konstruktive Vorschläge, wie mit dieser historischen Aufgabe umzugehen sei. „Zu sagen, was alles nicht geht, kann jeder.“ Im Übrigen mache es politisch einen Unterschied, ob Atommüll-Transporte gesichert werden, die dem Betrieb von Kernkraftwerken dienen oder ob es um Transporte gehe, mit denen der Ausstieg aus der Atomenergie vollzogen werde.

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