Chef der NRW-Linken: „Letzte Warnung der Wähler“

Rüdiger Sagel, neuer Chef der Linken in Nordrhein-Westfalen, über verlorene Wähler, austretende Mitglieder, zerlegte Fraktionen – und Regierungsoptionen.

Nach der Wahlniederlage versucht die Linke in NRW den Neustart. Bild: dpa

taz: Herr Sagel, ist die Linke noch zu retten?

Rüdiger Sagel: Nach der verlorenen Landtagswahl sind wir hier in Nordrhein-Westfalen sicherlich in einer schwierigen Situation: Nur 2,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben uns ihre Stimme gegeben. Aber ich bleibe optimistisch: Unser Potenzial ist viel größer – schließlich leiden Millionen Menschen unter immer größerem Sozialabbau.

Bedroht ein derart miserables Ergebnis hier in Nordrhein-Westfalen, wo mehr Menschen leben als in ganz Ostdeutschland, im kommenden Jahr nicht auch den Wiedereinzug in den Bundestag?

Auch in unserem Landesverband gab es viel Streit: zwischen den verschiedenen Strömungen der Linken ebenso wie zwischen Einzelnen. Das kam natürlich nicht gut an, doch ist jetzt hoffentlich beendet. In den kommenden Monaten bis zur Bundestagswahl müssen wir die Partei nun inhaltlich stärker profilieren und modernisieren sowie den Parteiaufbau vorantreiben.

Auf welche Inhalte setzen Sie?

Wir müssen die Folgen der Sparpolitik in Bund und Land viel deutlicher machen. Hier in Nordrhein-Westfalen setzen jetzt SPD und Grüne die Schuldenbremse um, im Bund alle gemeinsam den Fiskalpakt. In NRW bedeutet dies die Schließung von Stadtbüchereien und Schwimmbädern und es fehlt an Kinderbetreuung. Wir stehen deshalb für mehr Einnahmen, für Steuergerechtigkeit, für eine Millionärssteuer.

, 56 Jahre alt, ist seit einer Woche Chef der Linkspartei in NRW – zusammen mit der Lehrerin Gunhild Böth. Der Bergbauingenieur war bis 2007 Mitglied der Grünen.

Sie haben nicht nur über 200.000 WählerInnen, sondern auch über 1.000 Mitglieder verloren. Was bedeutet da „Parteiaufbau“?

Wir hatten eine Menge Probleme: Viele Leute haben die Partei verlassen. Und es stimmt: Ganze Stadt- und Gemeinderatsfraktionen haben sich zerlegt. Diese Streitigkeiten müssen aufhören. Und dann müssen wir vor Ort, in den Stadtteilen, in den Betrieben, um neue Mitglieder werben. Im Osten wissen die Leute, dass sie sich darauf verlassen können, dass sich die Linke um ihre Probleme kümmert. Da müssen wir auch hin.

Außerdem hat der Machtkampf zwischen Hardlinern und Reformern die Bundespartei über Monate gelähmt. Sind Sie nicht wütend über die mangelnde Unterstützung aus Berlin?

Der Streit auf Bundesebene war alles andere als hilfreich, klar. Alle Teile der Partei haben aber erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Wir müssen konstruktiv und solidarisch zusammenarbeiten. Allen inhaltlichen Diskussionen zum Trotz müssen wir nach außen viel geschlossener auftreten und klarmachen, dass es keine rechte oder linke Politik der Linkspartei gibt. Unsere Niederlage hier in NRW war eine letzte Warnung der WählerInnen. Viele weitere Chancen wird die Linke nicht bekommen.

Sie selbst gelten manchen als Parteirechter.

Eben nicht, ich war und bin immer ein Garant für glaubwürdige linke Politik. Im Landtag habe ich die unsoziale Sparpolitik von SPD und Grünen deutlichst kritisiert. Ich bin Mitglied bei Attac, engagiere mich in der Flüchtlingshilfe.

Trotzdem bleibt die Kernfrage: Wie halten Sie es mit den Sozialdemokraten? Bei aller Enttäuschung hat Ihr Landesverband gerade beschlossen, „Regierungsoptionen“ mit SPD und Grünen offenzuhalten.

Momentan will die SPD im Osten nicht mit der Linken koalieren. Im Westen wollen sie uns sogar überflüssig machen. Deshalb stellt sich die Frage nach Koalitionen momentan konkret nicht. Trotzdem müssen wir bereit sein – wenn es in die richtige Richtung geht.

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