China schimpft über US-Spionage: „Größter Schurke unserer Zeit“

Lange beschuldigten die USA China der Internetspionage. Die Aussagen von NSA-Enthüller Snowden, der Asyl in Ecuador beantragt hat, könnten den Spieß nun umdrehen.

Jetzt ist er weg: Ein Bild von Edward Snowden im chinesischen Fernsehen Bild: dpa

PEKING taz | Jahrelang haben die USA die Chinesen bezichtigt, Hacker aus der Volksrepublik würden in Netzwerke und Rechner der Vereinigten Staaten eindringen und Computerspionage betreiben. Nun aber zeigt sich: Das Umgekehrte ist vermutlich auch wahr. Und zwar in einem noch größeren Ausmaß als bislang bekannt.

Das zumindest behauptet der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in einem Gespräch mit der South China Morning Post, kurz bevor er am Sonntag seinen bisherigen Zufluchtsort Hongkong verlassen hat und nach Moskau weiter flog. Snowden zufolge hat die US-Regierung nicht nur in großem Maße Cyberspionage bei staatlichen Einrichtungen der Chinesen betrieben. Auch die Zivilbevölkerung sei betroffen.

So habe der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) mit dem Spähprogramm „Prism“ chinesische Mobilfunkanbieter angezapft und dabei Millionen SMS gesammelt. Zudem habe er sich ins System der Tsinghua-Universität in Peking gehackt, eine der renommiertesten Forschungseinrichtungen in China. Vor allem in der Software-Entwicklung gilt die Tsinghua als führend. Chinesische Medien sprachen denn auch von „Wirtschaftsspionage“. Und auch die Hongkonger Universität und das Glaskabelnetz des asiatischen Betreiber Pacnet sind von den Cyber-Attacken der USA betroffen.

Die chinesische Führung hat sich bisher dazu nicht offiziell geäußert. Umso heftiger holte am Sonntag die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua zum verbalen Schlag gegen die USA aus. Jahrelang habe sie sich als unschuldiges Opfer von Cyberattacken dargestellt und den Finger auf andere gezeigt. Nun entpuppe sich Washington als „größter Schurke unserer Zeit“.

Der Kommentator forderte die USA zur Aufklärung auf. Washington müsse Peking und der ganzen Welt „die Reichweite, das Ausmaß und die Absicht seiner geheimen Hackprogramme“ mitteilen. China erwarte eine Erklärung.

USA in Erklärungsnot

In den vergangenen Monaten waren es die USA, die China Hackerattacken und Computerspionage vorwarfen. US-Medien und Kongressabgeordnete berichteten immer wieder über Cyberattacken aus China auf Einrichtungen der USA. Die New York Times berichtete Anfang des Jahres über eine Studie, in der die chinesischen Angriffe erwiesen werden sollten. Eindeutig sind die angeführten Punkte nicht.

Chinas Führung wies die Vorwürfe stets von sich und beteuerte, dass sie selbst Opfer von Computerspionage sei. Das Thema schaffte es sogar ganz oben auf die Agenda beim Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping vor wenigen Wochen in den USA.

Snowdens Enthüllungen bringen die USA nun aber gewaltig in Erklärungsnot. Die US-Regierung und auch die ansonsten stets auskunftsfreudige US-Botschaft in Peking wollten sich trotz mehrfacher Anfrage nicht äußern. Selbst Chinas bekannter Künstler und Dissident Ai Weiwei, der viele Jahre lang in den USA lebte, nannte das Vorgehen der USA „beschämend“ und „ein Angriff auf die Freiheit der ganzen Welt“.

China erfreut über Snowdens Ausreise

Snowden selbst hat am Sonntag Hongkong verlassen und sich in eine Maschine nach Russland gesetzt. Hongkonger Journalisten, die mit dem 29-Jährigen in den vergangenen Tagen in Kontakt standen, berichten, er würde dort nur einen Zwischenstopp einlegen und weiter nach Venezuela reisen.

Die chinesische Führung zeigte sich keineswegs unerfreut über Snowdens Ausreise, heißt es aus diplomatischen Kreisen in Peking, da es einen diplomatischen Eklat vermeide. Die USA haben am Freitag Snowden wegen Geheimnisverrats angeklagt und von Hongkongs Behörden seine Festnahme gefordert. Dem ist Snowden mit seiner Flucht nach Venezuela nun zuvor gekommen.

Update, 23.06.2012, 18.58 Uhr: Edward Snowden hat Asyl in Ecuador beantragt. Dies geht aus einer Mitteilung via Twitter des ecuadorianischen Außenministers Ricardo Patiño hervor.

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