Chinas Staatschef besucht Nordkorea: Inszenierte Harmonie in Pjöngjang

Chinas Xi Jinping bei Nordkoreas Kim Jong Un: Der Besuch gerät zur choreografierten Botschaft an den US-Präsidenten Donald Trump.

Viele Menschen mit Blumen und roten Fähnchen in der Hand säumen eine Straße.

Willkommensspalier für Xi Jinping in Nordkoreas Hauptstadt Pjönjang Foto: ap

SEOUL taz | Über Nacht wurden die Landesflaggen angebracht, bis Mittag die jubelnden Volksmassen in den Straßen Pjöngjangs mobilisiert: Der erste Nordkorea-Besuch eines chinesischen Staatsoberhaupts seit 14 Jahren ist eine bis ins letzte Detail choreografierte Polit-Inszenierung.

Chinas Präsident Xi Jinping hat bereits vor seinem zweitägigen Gipfel mit Kim Jong Un in einem – auch in Nordkoreas größter Tageszeitung abgedruckten – Essay das Narrativ vorgegeben: Er verwies auf die historische Freundschaft der zwei Staaten, die bereits während des Koreakriegs (1950–53) Seite an Seite gekämpft haben. Ebenso pries er das Kim-Regime, das sich mit seiner Annäherung an den Süden „in die richtige Richtung“ bewegen würde. Das eigentliche Kernthema, nämlich die Denuklearisierung Nordkoreas, erwähnte er mit keinem Wort.

Doch hinter verschlossenen Türen wird dies natürlich die Gesprächsagenda dominieren: China hat ein starkes Interesse daran, dass Pjöngjang sein Atomarsenal abrüstet – wenn auch in geringerem Maße als die USA. Oberste Priorität für Peking ist die Stabilität in der Region.

Kim Jong Un hingegen braucht dringend den diplomatischen Rückhalt von Xi, schließlich ist China nicht nur sein letzter Verbündeter in der Region, sondern auch wirtschaftliche Lebensader, über die mehr als 90 Prozent des nordkoreanischen Außenhandels läuft. China könnte die nordkoreanische Volkswirtschaft praktisch über Nacht trocken legen – oder aber dem abgeschotteten Land einen ökonomischen Aufschwung bescheren.

Zweckbeziehung statt Freundschaft

Um diese Macht weiß natürlich Donald Trump, an den die harmonische Botschaft des Nordkorea-China-Gipfels vorrangig gerichtet ist. Gegen Ende des Monats wird Xi schließlich beim G20-Gipfel in Japan auf den US-Präsidenten treffen. Dann wird Peking bei den Verhandlungen über den laufenden Handelskrieg sicherlich die Nordkorea-Karte ausspielen. Trumps Strategie der maximalen Druckausübung kann nämlich nur über Peking aufrecht erhalten werden.

Die Denuklearisierungsverhandlungen zwischen Nordkorea und den USA stecken in einer Sackgasse: Trump möchte den großen Deal, bei dem Kim seine Atomwaffen praktisch über Nacht aufgibt. Die Nordkoreaner bestehen auf einen langfristigen Schritt-für-Schritt Ansatz, der von korrespondierenden Sanktionslockerungen begleitet wird. In Pjöngjang wird Kim versuchen, seinen chinesischen Amtskollegen für diesen Ansatz zu gewinnen.

Letztendlich ist die sino-koreanische Freundschaft jedoch längst einer ambivalenten Zweckbeziehung gewichen: Die beiden Länder brauchen sich zwar, sind sich jedoch gleichzeitig suspekt geworden. Auch die Hardliner unter den Parteikadern von Pjöngjang beäugen die extreme wirtschaftliche Abhängigkeit von China mit Misstrauen, schließlich gefährdet sie die Autonomie des Regimes, das auf keinen Fall vom Reich der Mitte absorbiert werden möchte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.