Chinesische E-Busse in Norwegen: Ferngesteuert durch eine SIM-Karte?
Die Verkehrsbetriebe von Oslo ließen einen von Hunderten E-Bussen, die auf Norwegens Straßen fahren, aufschrauben – und fanden Sicherheitsmängel.
Die Elektrifizierung des norwegischen Verkehrssektors läuft und läuft und läuft – aber offenbar nicht ohne Sicherheitsrisiken. E-Busse aus chinesischer Produktion können theoretisch während der Fahrt vom Hersteller stillgelegt werden: Das fanden nun die Osloer Verkehrsbetriebe Ruter heraus.
Diskutiert wird die Sicherheit dieser Fahrzeug-Importe in Norwegen schon länger. Etwa 300 chinesische E-Busse sind bereits im Großraum Oslo unterwegs. Und die Zahl wird dort ebenso wie andernorts in dem voll auf Elektromobilität setzenden Land weiter steigen.
Ståle Ulriksen, Sicherheitsexperte
Allein seit Anfang dieses Jahres wuchs der E-Bus-Anteil laut der Norwegischen Klimastiftung von zwölf auf 16,3 Prozent. Konkret waren es Ende Oktober 2.392 Exemplare. Davon seien 1.350 aus chinesischer Produktion, berichtet der norwegische Rundfunk NRK, und davon wiederum 850 vom Hersteller Ytong.
Einen Ytong-Bus – sowie einen des niederländischen Herstellers VDL – ließ Ruter in einer signalfreien Umgebung in einem Berg von Experten untersuchen. Man habe von Spekulationen zu Erkenntnissen kommen wollen, erklärte Ruter-Chef Bernt Reitan Jenssen der Zeitung Aftenposten vergangene Woche.
Was man nun weiß: Der niederländische Hersteller hat keinen direkten Zugriff auf seinen Bus. Im chinesischen hingegen fand sich eine Box mit SIM-Card, die dem Hersteller digitalen Zugriff gebe. Eigentlich sei das für die Aktualisierung der Fahrzeug-Software auch unterwegs gedacht. Aber theoretisch könnten die Busse dadurch während der Fahrt von China aus gestoppt werden, wie Arild Tjomsland hervorhob, einer der Experten, die die Busse untersuchten.
Es gibt technische Lösungen
Er lieferte zugleich Lösungsvorschläge: Technisch sei es relativ einfach, die Box vom Netz zu nehmen. Es sei auch möglich, die Signale an den Bus zeitverzögert auszugeben, sodass Updates zuerst kontrolliert werden könnten, bevor sie im Fahrzeug ankämen.
Die Kameras im Bus sind nicht mit dem Internet verbunden, auch das ergab der Test. „Ich muss tatsächlich sagen, dass unsere Funde nicht so schlimm sind, wie ich befürchtet hatte“, sagte Ruter-Chef Reitan Jenssen. Aber doch offenbar ernst genug für mehrere Schlussfolgerungen: Für künftige Anschaffungen müssten noch strengere Sicherheitsvorschriften gelten, fordert Ruter.
Es sollten außerdem Firewalls entwickelt werden, die die lokale Kontrolle sicherten und gegen Hacking schützten. Die Zeit, bevor die Entwicklung der Busse noch weiter voranschreite, müsse genutzt werden. Das kommunale Unternehmen fordert zudem von den Behörden klare Cybersicherheitsregeln.
Es gibt bereits Richtlinien des Verkehrsministeriums dazu, was im Zweifelsfall bei Geschäften wie diesen zu geschehen hat. Die seien auch befolgt worden, erklärte Verkehrsminister Jon-Ivar Nygård (Arbeiterpartei) laut NRK. Ruter habe über die China-Einkäufe eines Vertragspartners informiert, das Risiko sei als kalkulierbar eingeschätzt worden.
Sein Ministerium sei dabei, eine gründliche Aufstellung zu machen über die möglichen Risiken im Zusammenhang mit Bussen aus Ländern, mit denen Norwegen sicherheitspolitisch nicht zusammenarbeite. Er lobte Ruter für die Initiative, die neues Wissen gebracht habe.
Günstiger Preis vor Sicherheit
Aus der Opposition kam Kritik. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Bård Hoksrud von der rechten Fortschrittspartei (Frp), warf der Regierung in der Netz-Zeitung ABC-Nyheter vor, den Ernst der Lage nicht verstanden zu haben.
Sicherheitsexperten wie Ståle Ulriksen von der norwegischen Marine-Hochschule warnen schon länger vor diesen Risiken: „Ich kann nicht fassen und begreifen, dass die Politik sich weigert, auf wiederholte, jährliche Warnungen von Sicherheitsbehörden zu hören“, hatte er im Juni gesagt – da ging es um chinesische Busse für die Region Vestland.
Der Inlandsgeheimdienst PST nennt China neben Russland als größte nachrichtendienstliche Bedrohung für Norwegen. Der gute Preis der Busse wurde im Sommer in der Region Vestland als ein entscheidendes Argument für den Kauf trotz Zweifeln genannt. Von der befragten zuständigen Sicherheitsbehörde NSM seien keine Einwände gekommen.
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