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Chinesische E-Busse in NorwegenFerngesteuert durch eine SIM-Karte?

Die Verkehrsbetriebe von Oslo ließen einen von Hunderten E-Bussen, die auf Norwegens Straßen fahren, aufschrauben – und fanden Sicherheitsmängel.

Oslo, 25. Oktober: ein Bus des Herstellers Yutong nahe der Bushaltestelle in Björvika Foto: Cornelius Poppe/NTB/imago
Anne Diekhoff

Von

Anne Diekhoff aus Härnösand

Die Elektrifizierung des norwegischen Verkehrssektors läuft und läuft und läuft – aber offenbar nicht ohne Sicherheitsrisiken. E-Busse aus chinesischer Produktion können theoretisch während der Fahrt vom Hersteller stillgelegt werden: Das fanden nun die Osloer Verkehrsbetriebe Ruter heraus.

Diskutiert wird die Sicherheit dieser Fahrzeug-Importe in Norwegen schon länger. Etwa 300 chinesische E-Busse sind bereits im Großraum Oslo unterwegs. Und die Zahl wird dort ebenso wie andernorts in dem voll auf Elektromobilität setzenden Land weiter steigen.

Ich kann nicht fassen und begreifen, dass die Politik sich weigert, auf wiederholte, jährliche Warnungen von Sicherheitsbehörden zu hören

Ståle Ulriksen, Sicherheitsexperte

Allein seit Anfang dieses Jahres wuchs der E-Bus-Anteil laut der Norwegischen Klimastiftung von zwölf auf 16,3 Prozent. Konkret waren es Ende Oktober 2.392 Exemplare. Davon seien 1.350 aus chinesischer Produktion, berichtet der norwegische Rundfunk NRK, und davon wiederum 850 vom Hersteller Ytong.

Einen Ytong-Bus – sowie einen des niederländischen Herstellers VDL – ließ Ruter in einer signalfreien Umgebung in einem Berg von Experten untersuchen. Man habe von Spekulationen zu Erkenntnissen kommen wollen, erklärte Ruter-Chef Bernt Reitan Jenssen der Zeitung Aftenposten vergangene Woche.

Was man nun weiß: Der niederländische Hersteller hat keinen direkten Zugriff auf seinen Bus. Im chinesischen hingegen fand sich eine Box mit SIM-Card, die dem Hersteller digitalen Zugriff gebe. Eigentlich sei das für die Aktualisierung der Fahrzeug-Software auch unterwegs gedacht. Aber theoretisch könnten die Busse dadurch während der Fahrt von China aus gestoppt werden, wie Arild Tjomsland hervorhob, einer der Experten, die die Busse untersuchten.

Es gibt technische Lösungen

Er lieferte zugleich Lösungsvorschläge: Technisch sei es relativ einfach, die Box vom Netz zu nehmen. Es sei auch möglich, die Signale an den Bus zeitverzögert auszugeben, sodass Updates zuerst kontrolliert werden könnten, bevor sie im Fahrzeug ankämen.

Die Kameras im Bus sind nicht mit dem Internet verbunden, auch das ergab der Test. „Ich muss tatsächlich sagen, dass unsere Funde nicht so schlimm sind, wie ich befürchtet hatte“, sagte Ruter-Chef Reitan Jenssen. Aber doch offenbar ernst genug für mehrere Schlussfolgerungen: Für künftige Anschaffungen müssten noch strengere Sicherheitsvorschriften gelten, fordert Ruter.

Es sollten außerdem Firewalls entwickelt werden, die die lokale Kontrolle sicherten und gegen Hacking schützten. Die Zeit, bevor die Entwicklung der Busse noch weiter voranschreite, müsse genutzt werden. Das kommunale Unternehmen fordert zudem von den Behörden klare Cybersicherheitsregeln.

Es gibt bereits Richtlinien des Verkehrsministeriums dazu, was im Zweifelsfall bei Geschäften wie diesen zu geschehen hat. Die seien auch befolgt worden, erklärte Verkehrsminister Jon-Ivar Nygård (Arbeiterpartei) laut NRK. Ruter habe über die China-Einkäufe eines Vertragspartners informiert, das Risiko sei als kalkulierbar eingeschätzt worden.

Sein Ministerium sei dabei, eine gründliche Aufstellung zu machen über die möglichen Risiken im Zusammenhang mit Bussen aus Ländern, mit denen Norwegen sicherheitspolitisch nicht zusammenarbeite. Er lobte Ruter für die Initiative, die neues Wissen gebracht habe.

Günstiger Preis vor Sicherheit

Aus der Opposition kam Kritik. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Bård Hoksrud von der rechten Fortschrittspartei (Frp), warf der Regierung in der Netz-Zeitung ABC-Nyheter vor, den Ernst der Lage nicht verstanden zu haben.

Sicherheitsexperten wie Ståle Ulriksen von der norwegischen Marine-Hochschule warnen schon länger vor diesen Risiken: „Ich kann nicht fassen und begreifen, dass die Politik sich weigert, auf wiederholte, jährliche Warnungen von Sicherheitsbehörden zu hören“, hatte er im Juni gesagt – da ging es um chinesische Busse für die Region Vestland.

Der Inlandsgeheimdienst PST nennt China neben Russland als größte nachrichtendienstliche Bedrohung für Norwegen. Der gute Preis der Busse wurde im Sommer in der Region Vestland als ein entscheidendes Argument für den Kauf trotz Zweifeln genannt. Von der befragten zuständigen Sicherheitsbehörde NSM seien keine Einwände gekommen.

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10 Kommentare

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  • Solche Fernwartungen sind bei neueren Nutzfahrzeugen durchs Band üblich, egal ob LKW oder Bus. Da gehts dem Hersteller nicht primär ums Daten sammeln, so wie bei den PKWs, sondern um schnelle Diagnosen in Fehlerfällen und auch Sicherheitsüberwachungen. So werden z.B. verschlissene Bremsen dem Hersteller bzw. dem Händler gemeldet.



    Ich bin sicher, die beschaffende Behörde oder zumindest der zuständige Techniker wurde schon vor den Käufen darüber informiert.

  • Renault hat doch bei den Mietbatterien auch stillgelegt (Laden geblockt), wenn die Miete nicht ankam, wie man es erwartete. Gab es dann ein Gerichtsurteil gegen.



    VW sammelt fleißig Bewegungsdaten media.ccc.de/v/38c...ten-von-volkswagen



    Würde mich wundern, wenn andere das anders machen.



    Tesla macht dauernd lustige Updates, bei denen man dann morgens diverse Neuerungen - mal besser, mal schlechter, mal unfunktionierend (aka abgeschaltet) - feststellt.



    Ich hege Zweifel, dass man das bei allen wirklich komplett abschalten kann als Nutzer (geht bei Tesla angeblich, hab keinen, also keine Ahnung, ob es stimmt).

  • ... ich vermute stark, dass man sich in nächster Zeit Gedanken machen wird, ob man weiterhin in China einkauft.

    ... wobei — die Vorstellung wie sich die Überwachungskamera und die Überwachungsdrohne plötzlich dem Anwender verweigern, und die Elektro-Ladesäule tuts plötzlich auch nicht mehr ... vom schlagartigen Totalausfall der Billo-Balkonsolaranlage ganz zu schweigen.

  • Völlig normal.

    Zum Beispiel Huawei. Immer noch hängen die in unseren Netzen und können jederzeit halb Deutschland lahmlegen.

    Wirtschaftswoche: "Chinesische Unternehmen sind nie weit vom Staat entfernt: Laut chinesischem Recht sind sie in Fragen der nationalen Sicherheit an die Weisungen der Kommunistischen Partei gebunden. Außerdem betreibt die KP einen eigenen Parteikader in jedem Unternehmen."

    www.wiwo.de/politi...etz/100121412.html

    "Korruptionsskandale folgen Huawei rund um den Globus"



    www.wiwo.de/untern...bus/100118098.html

    www.wiwo.de/politi...htig/29811122.html

    • @shantivanille:

      Welche Alternativen gibt es denn? Für die Geräte von Lucent z.B., gab (gibt?) es nach der Fabrikation immer einen Zwischenstopp bei entsprechender US Behörde, wo noch zusätzliche "telefonier-nach-Hause" Hardware installiert wurde, bevor es für die Geräte nach Europa ging.



      Und damals waren die USA noch dicke Freunde von uns.

  • Firewall und Zeitversatz sind Blendwerk für Politiker, damit schießt man sich ins eigene Bein.



    Wie wäre es wenn man es einfach richtig macht? Einen Updateweg klar definieren und einmal beim Hersteller kontrollieren, beispielsweise.



    Das vorgeschlagene Blendwerk hingegen erfordert ständige Nachkontrollen, das ist viel zu aufwendig und wird darum nicht lange gut gehen.

  • """Der Inlandsgeheimdienst PST nennt China neben Russland als größte nachrichtendienstliche Bedrohung für Norwegen. Der gute Preis der Busse .......""



    ===



    Elektrische Daimler Busse sind laut dem E-Bus-Radar 2025 Marktführer, Solaris ist ein wichtiger Hersteller, der vor allem mit der Lieferung großer Mengen an emissionsfreien Bussen an europäische Verkehrsbetriebe bekannt geworden ist -- darüber hinaus bieten MAN, VDL, IRIZAR und Karsan: (Türkei) europäische Elektrobusse an.

    Man muss schon reichlich blind auf allen Augen und Ohren sein um auf das unglaubliche Erpressungspotenzial der Chinesen unbedingt eingehen zu wollen. Chinesische Software upedates müssen überprüft werden - allein dieser Punkt sollte den Norwegern graue Haare wachsen lassen.

    Das Risiko welches Norwegen eingeht ist durch keinen Preis der Welt annehmbar.

    Der chinesische Hersteller BYD steht Medienberichten zufolge auch in der Kritik: An Hügeln bleiben die Busse stehen, weil die Leistung zu schwach ist, bei vielen Testfahrten lag die Reichweite bei weniger als der Hälfte.

    Hinzu kommt, dass die Busse eine geringere Lebensdauer haben als die Modelle, die in der EU erhältlich sind.

  • Das gerade Elektrofahrzeuge nach Hause telefonieren ist nicht ungewöhnlich. Allerdings sollte man als Kunde wissen, welche Schnittstellen es gibt und wer welche Rechte hat. Das eine Sicherheitsbehörde hier nicht nachhakt ist allerdings bemerkenswert und wird wohl ein internes Nachspiel haben.

  • > Eigentlich sei das für die Aktualisierung der Fahrzeug-Software auch unterwegs gedacht.

    Das ist doch eine super-duper Idee! Neue Soft- oder Firmware sollte unbedingt unterwegs, also möglichst weit weg vom Fahrzeugdepot stattfinden! Techniker mögen es, nachts, bei Regen aufs Land raus zu kommen.

    • @Jeff:

      Solche Updates gibt es nur nach Rücksprache mit dem Eigentümer und das geht auch nicht während der Fahrt...