Chinesische Journalisten streiken: Zu viel Zensur

In der Provinz Guangdong fordern Journalisten den Rücktritt des dortigen Propagandachefs. Der war sogar für chinesische Zensur-Verhältnisse zu weit gegangen.

Von Pressefreiheit ist China weit entfernt. Doch eine chinesische Wochenzeitung wehrt sich jetzt. Bild: dapd

PEKING taz | So viel Aufruhr hat es bei einem chinesischen Medienunternehmen schon lange nicht mehr gegeben. Mitarbeiter der südchinesischen Wochenzeitung Nanfang Zhoumo (Südliches Wochenende) proben seit Tagen den Aufstand. Mindestens 100 von ihnen sind am Montag in einen Streik getreten.

Sie protestieren gegen den Propagandachef Tuo Zhen der Provinz Guangdong und fordern seinen Rücktritt. Sechs von ihnen haben auch formal Beschwerde eingereicht. Es ist das bislang größte Aufbegehren chinesischer Journalisten gegen die Staatsgewalt seit mehr als 20 Jahren.

Tuo hatte in der Neujahrsausgabe einen Leitartikel der Redaktion rauswerfen und stattdessen mit einem Text von ihm ersetzen lassen. Der bestand allein daraus, die Errungenschaften der regierenden Kommunistischen Partei zu huldigen. Im Originalartikel hingegen ging es um politische Reformen. Der zensierte Text hatte den Titel „Chinas Traum ist der Traum von einer konstitutionellen Politik“.

Damit spielte der Verfasser des Leitartikels, Dai Zhiyong, auf einen Passus an, den Chinas neuer KP-Chef Xi Jinping nach seinem Amtsantritt im November selbst angewandt hatte. Xi, der auch designierter Staatspräsident ist, versteht darunter vor allem eine Modernisierung der Behörden und verspricht weniger Korruption. Dai plädierte für mehr persönliche Freiheiten.

Plumper Angriff auf den Journalismus

Die Zensur sorgte zunächst innerhalb der Belegschaft von Südliches Wochenende, Chinas einflussreichster Wochenzeitung, für Empörung. Mitarbeiter verbreiteten Dais Artikel über die chinesischen Twitterdienste Weibo. Ehemalige Redakteure des renommierten Blattes verfassten einen Protestbrief. „Der Text des Propagandachefs von Guangdong ist ein plumper Angriff auf Chinas Journalismus“, bloggte ein Exmitarbeiter.

Unterstützung erhält die Redaktion von Millionen von Microbloggern aus dem ganzen Land. Viele haben aus Solidarität ihr Profilbild durch das Logo der Zeitung ersetzt. Und am Montag forderten auch renommierte chinesische Akademiker in einem offenen Brief den Propagandachef auf, seinen Posten zu räumen.

Zensur gehört in China zum Alltag einer Redaktion. In der Regel erhalten Redakteure morgens Anweisungen, über welche Themen sie schreiben dürfen und über welche nicht. Kommentare werden häufig mit den staatlichen Propagandaabteilungen abgesprochen.

Doch in diesem Fall ging Guangdongs Propagandachef auch für chinesische Verhältnisse sehr weit. Denn der Leitartikel war bereits redigiert, von der Chefredaktion abgesegnet und fertig für den Druck. Das heißt: Der Text bewegte sich im Rahmen der üblichen Kommentierung. Die meisten Redakteure hatten Feierabend, als der Propagandachef zuschlug, und erfuhren von dem Texttausch erst bei der Zeitungslektüre am nächsten Morgen.

Mehr Pressefreiheit nicht in Sicht

Dabei hatte sich der neue Parteichef Xi nur wenige Tage nach Amtsübernahme für mehr Pressefreiheit ausgesprochen. Dass das Plädoyer des künftigen Staatsoberhauptes bei den Provinzregierungen offensichtlich nicht angekommen ist, bekam auch schon ein deutscher Journalist zu spüren. Bernhard Zand, China-Korrespondent des Spiegel, war in der letzten Dezemberwoche auf Recherche in der Provinz Guizhou.

Unbekannte brachen in sein Hotelzimmer ein, löschten Fotos auf seiner Kamera und beschädigten seinen Computer. Zand hatte über die Geschichte von fünf Straßenjungen berichten wollen, die tot in einer Mülltonne aufgefunden wurden. Die Behörden hatten seinen Informanten – einen chinesischen Journalisten – schon vorher eingeschüchtert.

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