Comeback von Tilo Jung: Er ist wieder da

Tilo Jung tritt im Satireformat „Cybert Report“ als Bundesinternetsprecher auf – und will wie die Phrasen der Politiker dechiffrieren.

Das war noch vor dem Shitstorm: Tilo Jung im letzten Herbst. Bild: Natalie Mayroth

Tilo Jung hat sich rasiert. Er trägt jetzt eine Brille, eine akkurate Frisur und dazu noch ein Jackett. Optisch würde Jung glatt als Fanboy der Jungen Union durchgehen. Tatsächlich würde das inhaltlich passen: Jung reiht sich in seinem neuen Projekt quasi in den Mitarbeiterstab der Kanzlerin ein. Er spielt ihren Dienstleister. Er will Angela Merkel helfen.

„Die Bundesregierung hat Probleme, klar zu machen, was sie eigentlich meint“, sagt Jung. „Ich finde es aber unheimlich wichtig, dass die Bevölkerung weiß, wie sie tickt.“ Deshalb ist Jung in eine neue Rolle geschlüpft. Er ist jetzt – Achtung, Kreativalarm! – Stephan Cybert, der „neue Bundesinternetsprecher der Bundesregierung“. Steffen Seibert, das Original, ist für ihn nur noch der „analoge Bundesregierungssprecher“.

In seinem ersten „Cybert Report“, den das „Ministerium für sichere Information“ in Jungs Youtube-Kanal eingespeist hat, probiert sich seine neue Kunstfigur darin, die Position der Bundesregierung zu den Folterpraktiken der USA zu erklären. Er spielt dafür Seibert-Zitate ein, etwa: „Folter ist durch nichts zu rechtfertigen. Das ist die Grundüberzeugung der Bundesregierung.“ Bei Cybert kommt am Ende wiederum ein Statement raus: #FuckFolter. Jung ist in seinem neuen Format eben auch Aktivist.

Jung verspricht: „Wir dichten nichts dazu. Wir übersetzen nur.“ Das tut gut angesichts des üblichen diplomatischen Blablas, das auch Seibert, der einst vom Erklärmedium Fernsehen kam, nie wirklich aufbrechen konnte. Weil der neue „Cybert Report“ aber natürlich auch eine satirische Einrichtung ist, kündigt Merkels neuer inoffizieller Mitarbeiter gleich an: „Steffen ist im Analogen der Chef, ich im Digitalen. Ich will ihn ersetzen.“

Praktisches Frage- und Antwortspiel

Während sein neues Format im Netz die Runde machte, war Jung gestern in der echten Bundespressekonferenz – so, wie er das schon seit gut einem Jahr macht. Seibert war nicht da, er ist im Osterurlaub. Wenn man Jung fragt, in welcher Rolle er am Mittwoch in der Bundespressekonferenz war, also ob als Fragesteller oder Antwortgeber, dann wird er albern: „Ich sitze vorne und beantworte die Fragen, die ich mir vorher selbst gestellt habe. Das ist doch praktisch!“

Jungs Fans und Kritiker zugleich haben sich in den vergangenen Wochen die Frage gestellt, ob Jung eigentlich sein etabliertes Format „Jung und naiv“ fortsetzen wird. Hier hat er über die vergangenen Jahre in bemerkenswerter Konsequenz versucht, Politiker mit naiven Fragen möglichst einfache Antworten zu entlocken. Auch das ist für ihn stets ein Instrument gewesen, Politik zu erklären.

Ende März hatte Jung – nach einem Shitstorm wegen eines vermeintlich frauenfeindlichen Fotos, das er am Weltfrauentag gepostet hatte – vage seinen Abschied aus dem Journalismus angekündigt. Heute sagt er, es werde sicher weitere Folgen von „Jung und naiv“ geben, „parallel“ zu seinem neuen Format, um sich der Politik von unterschiedlichen Perspektiven zu nähern.

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