Corona-Tests und Gehälter in Laboren: Testen ohne Tarif

In der Coronakrise zeigt sich, wie wichtig Labore sind. Vielerorts wird aber kein Tarif gezahlt. Kliniken sparen – wie die Charité und Vivantes.

Abstriche werden in einem Labor auf Corona untersucht.

Testen, testen, testen: hier in einem Labor in Geesthacht in Schleswig-Holstein Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | In den Laboren schieben die Mitarbeitenden Überstunden. Zwischen 40.000 und 60.000 Coronatestungen werden in Deutschland derzeit täglich vorgenommen, und im Innenministerium gibt es die Überlegung, die Anzahl noch zu erhöhen. Doch jenseits symbolischer Gesten der Anerkennung für das Personal im Gesundheitswesen sieht es mit der Vergütung in den Laboren sehr unterschiedlich aus.

Viele Kliniken haben sie in den letzten Jahren ausgelagert und zusammengelegt. So auch in Berlin: Die Charité und der kommunale Klinikkonzern Vivantes betreiben gemeinsam die Labor Berlin GmbH, bei der unter anderem die Coronatests untersucht werden. Viele Mitarbeitende arbeiten hier außerhalb eines Tarifvertrags – und kämpfen seit Jahren für bessere Löhne.

Dieses Problem besteht nicht nur in der Hauptstadt. Bundesweit wurden nach den Bereichen Reinigung und Verpflegung in vielen Kliniken in den letzten Jahren auch die Labore ausgegründet – mit schlechteren Bedingungen für die Beschäftigten, wie Gewerkschafter beklagen.

Labormedizin unter finanziellem Druck

Thomas Postina, Sprecher des Bundesfachverbands der Laborärzte, erklärt: „Jahrelang wurde bei der Bewertung der ärztlichen Leistungen versucht, die Labormedizin zu drücken.“ Notgedrungen hätten Labore sich zusammengeschlossen – und gehörten nun überwiegend zu einer der zahlreichen Laborketten.

Diese Konzentration wirke sich auch auf die Wartezeiten bei den Testergebnissen aus, sagt Postina. Der Test im Fall der Coronaviren dauere einige Stunden. „Die Ketten konzentrieren die Coronatestung verständlicherweise auf bestimmte ihrer Labore, sowohl aus Sicherheitsgründen, aber auch, damit die anderen Labore die restlichen Bereiche abdecken können.“ In der Folge würden die Transportwege länger. Wo ein niedergelassenes Labor vor Ort sei, gehe es schneller.

In Berlin gingen Charité und Vivantes Anfang 2011 mit der gemeinsamen GmbH an den Start, in der die labormedizinischen Bereiche zusammengelegt sind. Man versprach sich Synergien und ein breiteres wissenschaftliches Fundament. Erklärtes Ziel war aber auch: „Die Fusion soll zu Einsparungen und Erlössteigerungen von 4,9 Millionen Euro bei der Charité und 1,6 Millionen Euro bei Vivantes führen“, wie es in einer Mitteilung der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung aus dem November 2010 heißt.

Gewerkschaft kritisiert Tarifflucht

„Alle Tochtergesellschaften bei der Charité wie auch bei Vivantes sind einzig wegen der Tarifflucht gegründet worden“, sagt Janine Balder, die als Gewerkschaftssekretärin bei Verdi für Vivantes zuständig ist. Die Mitarbeitenden der Labor Berlin GmbH würden nach Rahmenarbeitsbedingungen bezahlt – anders als Angestellte, die von Vivantes oder der Charité gestellt werden und weiter nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) und Haustarif vergütet würden.

Obwohl nach Protesten zuletzt freiwillige Erhöhungen gezahlt worden seien, betrage der Lohnunterschied bis heute immer noch zwischen 600 und 800 Euro brutto, sagt Balder.

Ähnlich ist es im Laborzentrum Bremen: Mitarbeiter, die vom kommunalen Klinikverbund Gesundheit Nord gestellt werden, behalten die tarifliche Vergütung – anders als ihre neuen KollegInnen. Anfang 2019 kam es deshalb auch in Bremen zu Protesten. Die Geschäftsführung erklärte sich daraufhin zu einer Betriebsvereinbarung bereit – nicht aber zu einem Tarifvertrag.

Wie deutschlandweit fast 50 Fach-, Basis- oder Krankenhauslabore gehört das Laborzentrum Bremen zum Laborverbund „LADR – Dr. Kramer und Kollegen“ mit Sitz in Geesthacht. Allein im dortigen Zentrallabor werten derzeit mehr als 400 Mitarbeitende in drei Schichten rund 1.500 Coronatests pro Tag aus.

Ohne qualifizierte MitarbeiterInnen keine Labordiagnostik

„Meine Mitarbeiter in allen regionalen Laborgesellschaften sind das höchste Gut“, erklärt der ärztliche Geschäftsführer Jan Kramer. „Ohne qualifizierte Mitarbeiter ist keine medizinische Labordiagnostik möglich. Wir sehen keine Notwendigkeit für einen Tarifvertrag. Wir stehen in sehr enger Zusammenarbeit mit allen Mitarbeitern, es ist alles im Einvernehmen.“

Kramer verweist auf den wirtschaftlichen Druck, der auf dem gesamten Gesundheitssystem laste. „In den Gebührenordnungen kommt es seit Jahren zu Abwertungen des technisch-medizinischen Laborbereichs. Auch in Kliniken mussten, durch das Umfeld ausgelöst, Kosten gespart werden – auch in Bezug auf die medizinischen Labore.“

In Berlin ist die Gewerkschaft einen Schritt weiter und kurz davor, für alle Tochterunternehmen von Vivantes Verhandlungen auf den Weg zu bringen – für das Labor Berlin wie auch für das Hospiz oder die medizinischen Versorgungszentren, wo ebenfalls kein Tarifvertrag gilt. Durch die Coronapandemie ist aktuell an Verhandlungen allerdings nicht zu denken.

Vivantes sei zur Aufnahme von Gesprächen über eine Tarifierung der Tochterunternehmen bereit, bestätigt der Klinikverbund. Aber: In vielen Fällen sei eine Bindung an einen Flächentarifvertrag ohne spezifische Regelungen für die Tochtergesellschaften mit den festgelegten Erlösen nicht finanzierbar, erklärt Astrid Steuber von Vivantes. „Im Bereich der Altenpflege übernehmen zum Beispiel die Pflegekassen nicht alle Kosten, sondern das Finanzierungsmodell der Altenpflege sieht eine Zuzahlung durch die Bewohner*innen vor.“

Hinweis: In einer früheren Version wurden einzelne Vorwürfe der Gewerkschaftsseite wiedergegeben, die Vivantes zurückwies. Eine Sprecherin teilte mit, seit 2015 zahle Labor Berlin allen Mitarbeiter*innen auf freiwilliger Basis eine Sonderzahlung zum Jahresende, für jeden in selber Höhe. Zudem werde inzwischen eine betriebliche Altersvorsorge und eine Berufsunfähigkeitsversicherung angeboten, die „über das gesetzlich geforderte Maß hinaus finanziell bezuschusst“ werde. 2019 seien zusätzliche Zulagen für die kurzfristige Übernahme von Diensten eingeführt und auch die Zuschläge für Nacht-, Feiertags- und Wochenenddienste seien über die vergangenen Jahre erhöht worden.

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