Coronapaket der EU-Finanzminister: „Eurobonds“ tauchen nicht auf

Im Vergleich zu den deutschen Wirtschaftshilfen ist das Coronaprogramm der EU bescheiden. Aber: Es gibt eine Einigung – und auch einen Lichtblick.

Eine frau zieht einen Korb mit Lebensmittel über ihren Balkon hoch

Wird das „Rettungspaket“ der Eurozone ausreichen? Foto: Daniele Mascolo/reuters

BRÜSSEL taz | Ohne Drama geht es in der EU nicht, auch nicht in der Coronakrise. Drei Tage lang stritten die Finanzminister der Eurozone erbittert über Kredite, Konditionen und Institutionen, bis sie sich schließlich in der Nacht zu Freitag auf ein rund 500 Milliarden Euro schweres Hilfspaket geeinigt haben. Es sieht Hilfen auf drei Ebenen vor: für Arbeitnehmer (100 Milliarden Euro), kleine und mittelständische Unternehmen (200 Milliarden) sowie klamme Staaten wie Italien oder Spanien (bis zu 240 Milliarden).

Für die Beschäftigten ist ein Kurzarbeitergeld nach deutschem Vorbild geplant. Die Firmen bekommen Geld von der Europäischen Investitionsbank. Und die Staaten dürfen den Euro-Rettungsfonds ESM anzapfen.

Die Einigung wurde nur möglich, weil sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und der niederländische Premier Mark Rutte persönlich einschalteten und um wohlklingende Kompromisse bemühten. Italiens Regierungschef Giuseppe Conte und Spaniens Premier Pedros Sanchez hatten zuvor vor einem Scheitern der EU und des Euros gewarnt. Wenn man sich nicht solidarisch zeige, so Conte, “müssen wir Europa abschreiben, und jeder macht sein Ding“.

Der massive Druck aus Südeuropa reichte allerdings nicht aus, um gemeinsame Anleihen („Coronabonds“) oder ähnliche Formen finanzieller Solidarität durchzusetzen. Das Wort Coronabonds taucht im Ergebnisprotokoll der Eurogruppe nicht einmal auf.

Beerdigung zweiter Klasse

Stattdessen versprechen die Finanzminister einen „Wiederaufbau-Fonds“. Dieser „Recovery Fund“ soll aus Mitteln des EU-Budgets sowie mit „innovativen Instrumenten“ finanziert werden, heißt es vage im Eurogruppen-Bericht. Das letzte Wort sollen aber die Staats- und Regierungschefs haben.

In der Praxis bedeutet dies eine Beerdigung zweiter Klasse. Merkel hatte noch am Donnerstag ihren Widerstand gegen gemeinsame Anleihen bekräftigt. Auch der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra bleibt hart: “Eurobonds sind etwas, was für mich nicht in Ordnung war, nicht in Ordnung ist und auch nie in Ordnung sein wird.“

An Hoekstra wäre beinahe sogar das gesamte Paket gescheitert. Der als Hardliner bekannte Holländer wollte durchsetzen, dass Hilfen aus dem ESM nur gegen strikte Konditionen gewährt werden, wie schon in der Eurokrise. Dazu zählen Sparprogramme, Rentenkürzungen und Privatisierungen.

Budget-Disziplin ohne Troika

Anders als in der Eurokrise rückte Deutschland diesmal jedoch von harten Bedingungen ab. Finanzminister Olaf Scholz sagte, man wolle keine Troika nach Italien senden. Allerdings forderte auch er zunächst „Budget-Disziplin“ und eine Rückkehr zu ausgeglichenen Haushalten nach der Krise.

Als Kompromiss wurde nun vereinbart, dass ESM-Kredite zwar nicht an Bedingungen gebunden sind, das Geld aber nur für direkte und indirekte Gesundheitskosten genutzt werden darf. Das Programm soll bereits in zwei Wochen bereit stehen, sage ESM-Chef Klaus Regling.

Allerdings ist unklar, ob es überhaupt in Anspruch genommen wird. Denn der ESM vergibt nur Kredite, die zurückgezahlt werden müssen und den Schuldenstand erhöhen. Für Italien dürfte dies wenig attraktiv sein – schon jetzt liegt die Schuldenquote mit 130 Prozent der Wirtschaftsleistung bedenklich hoch.

Hoffnung liegt auf der EZB

Wesentlich interessanter ist das Corona-Sonderprogramm der Europäischen Zentralbank, das den Euroländern eine fast unbegrenzte Kreditaufnahme ermöglicht. Auch im Vergleich zu deutschen Wirtschaftshilfen ist das „Rettungspaket“ der Eurozone bescheiden. Mit über einer Billionen Euro ist der Scholz-Plan schon jetzt fast doppelt so groß wie die nun beschlossenen Maßnahmen.

Die Reaktionen fielen gemischt aus. Während der CSU-Europaabgeordnete Manfred Ferber von „ausgewogenen und angemessenen“ Hilfen sprach, kritisierte der grüne Finanzexperte Sven Giegold den Plan als unzureichend. Nur der Wiederaufbau-Fonds sei „ein Lichtblick“. Allerdings könne er noch zerredet werden, weil Umfang und Finanzierung dieses Fonds letztlich offen geblieben sind.

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