Coronaproteste in Berlin: Querdenker laufen trotz Verbot

Nicht genehmigte Demos von Coronaleugnern halten am Sonntag die Berliner Polizei auf Trab. Nach Räumung des Großen Sterns ziehen sie bis Kreuzberg.

Querdenker*innen durchbrechen Polizeisperrungen

Quer­den­ke­r*in­nen durchbrechen Polizeisperrungen in Berlin Foto: Christian Mang / Reuters

Der Fußweg an der Ebertstraße klebt vom Lindensaft, die Schuhsohlen pappen bei jedem Schritt etwas fest. „Das haben die Querdenker auch bemerkt“, sagt ein Fotograf, der am Sonntagmittag dort eine Kundgebung der Omas gegen Rechts fotografiert. Er hatte zuvor das Gespräch einer vorbei laufenden Gruppe von Geg­ne­r*in­nen gegen die Coronamaßnahmen mitgehört. ‚Jetzt sprühen die schon Klebstoff auf die Straße, um uns am Demonstrieren zu hindern‘, habe sich einer empört, erzählt er.

Der Lindensaft ist dabei eine der eher schwächeren Einschränkungen der Querdenker-Aktivitäten am Sonntag. Die Gruppe Querdenken 711 aus Stuttgart hatte für das Wochenende zu Großdemos in Berlin aufgerufen. Zwölf Versammlungen – inklusive einer Demo auf der Straße des 17. Juni mit angemeldeten 22.500 Teil­neh­me­r*in­nen – hatte die Polizei Ende letzter Woche verboten und als Grund genannt, dass bei ähnlichen Versammlungen regelmäßig die Hygieneregeln missachtet wurden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte die Verbote am Samstagabend bestätigt. Allerdings schaffte es die Polizei nicht durchgängig, dies auch durchzusetzen.

So durchbrachen Quer­den­ke­r*in­nen am Sonntagmittag eine Blockade der Polizei in Charlottenburg. Mehrere tausend Menschen rannten daraufhin über den Theodor-Heuss-Platz, weitere Gruppen stießen aus anderen Richtungen dazu, gemeinsam marschierten sie von dort aus ungehindert mehr als einen Kilometer den Kaiserdamm hinunter. Dabei skandierten sie „Frieden, Freiheit, keine Diktatur“, einige trommelten.

Die Teil­neh­me­r*in­nen dieser nicht angemeldeten und verbotenen Versammlung liefen ohne Mund-Nasen-Schutz, auch Abstände hielten sie nicht ein. Der Polizei begleitete den spontanen Demonstrationszug mit lediglich einem Dutzend Einsatzkräften. Erst am Sophie-Charlotte-Platz gelang es ihr, die Straße zu sperren.

Mobilisierung in den Westen

Die Demonstrant*innen, darunter auch Kinder und ältere Menschen, verstreuten sich daraufhin in die Nebenstraßen und den angrenzenden Park und wirkten zunächst planlos. Viele waren mit Rucksack unterwegs, mit Tagesproviant und Stadtplänen, kleinen Bibeln und Grundgesetzen ausgerüstet, eher wie Touristen wirkend und offensichtlich bereits länger auf den Beinen.

Viele Quer­den­ke­r*in­nen hatten sich bereits am Vormittag Richtung Olympiastadion und Westend bewegt und in den sozialen Medien dorthin mobilisiert. Mehrmals kam es zu Zusammenstößen mit Po­li­zis­t*in­nen, bei denen letztere auch tätlich angegriffen wurden. Am Nachmittag machten sich viele Grüppchen auf in Richtung großem Stern, die Polizei sperrte Bismarckstraße, Straße des 17. Juni und weitere Zubringer zum Stern mit Gittern ab und fuhr Wasserwerfer in Richtung Siegessäule, ein Hubschrauber kreiste.

Hier fiel es der Polizei leichter, die Kontrolle über das Geschehen zu bekommen: von Anfang an waren mehr Po­li­zis­t*in­nen vor Ort, sie drohten mit Wasserwerfereinsätzen, zudem hatten sie den Tiergarten im Vorfeld fast komplett von Absperrgittern umstellt, so dass die Quer­den­ke­r*in­nen Blockaden nicht umgehen konnten. Die Polizei wollte damit nach eigenen Angaben vor allem verhindern, dass Querdenker – wie im vergangenen Jahr – bis zum Reichstag vordringen.

In den sozialen Netzwerken verbuchte Querdenken es als Erfolg, dass es gelungen war, trotz der Verbote zu laufen – Sym­pa­thi­san­t*in­nen beklagten aber auch Polizeigewalt.

Protest von Omas gegen Rechts

Zur Gegenkundgebung der Omas gegen Rechts, die am Sonntag in der Ebertstraße am Rand des Holocaust-Mahnmals gegen die Quer­den­ke­r*in­nen protestierten, kamen rund 150 Menschen. „Ohne das Demoverbot wären wir wohl mehr gewesen“, sagt eine Sprecherin der Initiative: „Wir wollen nicht, dass das Mahnmal von Rechten vereinnahmt wird, als Hintergrund für Streams oder von Menschen, die sich mit Opfern des Holocaust vergleichen.“ Es reiche, dass die Quer­den­ke­r*in­nen sich nicht impfen lassen wollten. „Da müssen sie nicht auch noch den Holocaust verunglimpfen.“

Am frühen Abend formierte sich ein weiterer Demonstrationszug in Richtung Kurfürstenstraße, der bei Redaktionsschluss weiter durch Schöneberg in Richtung Kreuzberg lief, auch dort zunächst ohne größere Polizeibegleitung.

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