Cum-Ex-Skandal: Vorwürfe gegen Hamburger SPD

Die Hamburger Finanzbehörde soll auf eine Rückforderung gegen eine Bank verzichtet haben. Olaf Scholz räumt ein Gespräch mit Bankchef ein.

Peter Tschentscher auf einer Rolltreppe

Bestreitet politische Einflussnahme: Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Foto: Christian Charisius/dpa

BERLIN taz | Kurz vor der Bürgerschaftswahl am nächsten Wochenende sieht sich die Hamburger SPD mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Die Finanzbehörden des Stadtstaats hätten im Jahr 2016 darauf verzichtet, im sogenannten Cum-Ex-Skandal von der Warburg-Bank illegale Steuererstattungen im Umfang von 47 Millionen Euro zurückzufordern. Dadurch sei diese Forderung verjährt.

Das berichteten am Donnerstag die Wochenzeitung Die Zeit und das NDR-Magazin „Panorama“ unter Berufung auf Steuerunterlagen. Der Verzicht auf weitere 140 Millionen Euro sei in den Jahren 2017 und 2019 nur durch ein Eingreifen des Bundesfinanzministeriums verhindert worden.

Hamburger Finanzsenator war zur betreffenden Zeit der heutige Erste Bürgermeister Peter Tschentscher, der bei der Wahl am 23. Februar für die SPD als Spitzenkandidat antritt. Brisant ist zudem die Rolle seines Vorgängers im Amt des Hamburger Bürgermeisters, des heutigen Bundesfinanzministers Olaf Scholz. Der soll sich im Jahr 2017, als eine Entscheidung über eine weitere Rückforderung von 43 Millionen Euro anstand, mit dem Vorstandsvorsitzenden der Warburg-Bank, Christian Olearius, getroffen haben, um über den Fall zu sprechen.

Das geht laut Zeit und „Panorama“ aus den Tagebüchern von Olearius hervor, die im Rahmen der Ermittlungen gegen die Bank beschlagnahmt wurden und den Medien in Auszügen vorliegen. In der Antwort auf eine Anfrage der Linken hatte die Hamburger Senatskanzlei im November 2019 dagegen erklärt, Scholz habe keine Gespräche mit der Warburg-Bank geführt. Auch mit dem Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs hat sich Olearius laut dem Tagebuch getroffen.

Gesamtschaden bis zu 55 Milliarden Euro

Beim Cum-Ex-Skandal hatten Banken und Anlager die Finanzbehörden betrogen, indem sie sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach erstatten ließen. Nach Ansicht der Banken war das zum betreffenden Zeitpunkt nicht ausdrücklich verboten. Der Gesamtschaden für den Staat wird auf bis zu 55 Milliarden Euro geschätzt.

Die Grünen als aktueller Koalitionspartner der SPD übten am Donnerstag scharfe Kritik an den Vorgängen. „Die neuesten Erkenntnisse zum Cum-Ex-Steuerskandal in Hamburg sind beunruhigend und werfen jede Menge Fragen auf“, sagte Spitzenkandidatin Katharina Fegebank. Sie forderte Tschentscher zu einer schnellen Klärung auf.

Für die Linke erklärte der Hamburger Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi: „Wenn die Tagebücher von Warburg-Bankier Christian Olearius stimmen, hat Olaf Scholz als Hamburger Bürgermeister in laufende Ermittlungen eingegriffen.“ Er kritisierte zudem, dass die Senatskanzlei der Linken gegenüber offenbar die Unwahrheit über Treffen zwischen Scholz und Olearius gesagt habe.

Das Bundesfinanzministerium bestätigte der taz unterdessen, dass sich Scholz im November 2017 mit dem Warburg-Chef getroffen habe. Warum die Senatskanzlei das bestritten habe, wisse man nicht, sagte ein Sprecher.

Die Senatskanzlei teilte auf Anfrage mit, sie halte die Antwort weiterhin für zutreffend, weil sie sich nach ihrem Verständnis nur „auf mögliche Gespräche in dem steuerlichen Verfahren des Bankhauses“ bezogen habe, und darum sei es im Gespräch nicht gegangen. Tschentscher sagte der Hamburger Morgenpost, er könne sich zu dem konkreten Fall nicht äußern, aber es habe keinen politischen Einfluss auf Entscheidungen der Finanzverwaltung gegeben.

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