DAILY DOPE (547): Abgeordnete Ahnungslosigkeit

Der Bundestag diskutiert auf bescheidenem Niveau über Blutbehandlungen. Die kritische Expertise eines Pharmakologen wird als „Quatsch“ abgekanzelt.

Lieferte sich im Sportausschuss des Bundestages mit dem Dopingexperten Fritz Sörgel einen verbalen Zweikampf: CDU-Obmann Klaus Riegert. Bild: dpa

BERLIN taz | Nichts wie weg hier! Bernd Neudert, der Chef des Olympiastützpunkts Thüringen, hatte es ganz eilig, als die einmal mehr nicht öffentliche Sitzung des Sportausschusses des Bundestags beendet war. Er wollte nichts sagen. Dabei ging es an diesem Sitzungstag vor allem um den Erfurter Stützpunkt, um die Methoden, die dort angewendet werden, um die Verantwortung, die Neudert dafür hat.

Im Auftrag des Olympiastützpunkts hat der Erfurter Arzt Andreas Franke jahrelang Sportlern Blut entnommen, dieses mit UV-Licht bestrahlt und wieder in die Leistungskörper zurückgeführt. Für Neudert ist das kein Problem. Er ist ganz sicher, dass das erlaubt war, bis die Wada derartige Blutpanschereien 2011 explizit verboten hat. „Warum Herr Franke auch danach die Methode angewendet hat, kann ich nicht verstehen“, sagte er.

Die Argumente des in Dopingdingen erfahrenen Pharmakologen Fritz Sörgel und des Sportjuristen Georg Engelbrecht, die im Sportausschuss die Auffassung vertreten hatten, dass die Franke-Methode auch schon vor 2011 nichts anderes als Doping war und in etlichen Fällen zu entsprechenden Urteilen geführt hat, hatten Neudert nicht überzeugt. „Dazu möchte ich nichts sagen“, meinte er, „ich bin weder Jurist noch Mediziner.“ Stimmt. Neudert ist Trainingswissenschaftler. Darf er als solcher wirklich keine Ahnung von derlei Dingen haben?

Der Vorwurf, der im Raum steht, ist hart. Wurde am Olympiastützpunkt Erfurt mit Wissen des Leiters und finanziert vom Bundesinnenministerium jahrelang gedopt? Während Neudert längst geflohen war, ließ Fritz Sörgel, der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) bei Nürnberg, seinem Unmut freie Bahn. „Ich bin entsetzt“, sagte er.

UV-Methode zerlegt

„Wenn ich gewusst hätte, dass man hier so mit geladenen Gästen umgeht, wäre ich gar nicht erst gekommen.“ Sörgel hatte die UV-Methode in seiner Stellungnahme für den Ausschuss regelrecht zerlegt. Medizinisch sei sie Scharlatanerie, bei häufiger Anwendung könne sie indes durchaus leistungssteigernd sein, und weil Blut entnommen und wieder reinjiziert wird, sei sie unabhängig von ihrer Wirkung klar als Doping zu bezeichnen.

Diese derart klare Position wollte Klaus Riegert, dem CDU-Obmann im Sportausschuss, gar nicht gefallen. Sörgel berichtete, wie Riegert losgepoltert habe, wie er ihn als „Apotheker“ bezeichnet habe und seine Argumente mit Aussagen eines Experten widerlegen wollte, den er aber ungenannt ließ.

Fassungslos war Sörgel über die Ahnungslosigkeit etlicher Abgeordneter in Dopingfragen und konnte nicht an sich halten, als „aus der CDU/CSU-Ecke“ Beschwerden über nervige Journalisten laut wurden, die alles immer nur aufbauschen würden: „Wenn wir die Journalisten nicht hätten, dann gäbe es immer noch Fälle wie Tom Simpson, das habe ich auch drinnen gesagt.“

Der britische Radfahrer war 1967 bei der Tour de France vollgepunpt mit Amphetaminen beim Aufstieg zum Mont Ventoux zusammengebrochen und gestorben. Klaus Riegert hat für die Empörung Sörgels nur ein müdes Lächeln übrig. „Er ist wohl die harte parlamentarische Auseinandersetzung nicht gewöhnt“, sagte er und verniedlichte im nächsten Satz die verhandelte Sache: „Es besteht ein kleiner Unterschied zwischen Jan Ullrich und Erfurt.“

„Absoluter Quatsch“

Er tut zusammen mit seinen Kollegen aus den Regierungsfraktionen derzeit alles, um den Erfurter Fall von der Ebene der sachlichen Betrachtung zu entfernen und zur Glaubenssache zu machen. Sein Credo steht fest. Anders als die Vertreterinnen der SPD und der Grünen glaubt er nicht, dass bis 2011 in Erfurt gedopt wurde. Und wer das Gegenteil behauptet, wird abgekanzelt, auch wenn er sich mit seiner Stellungnahme viel Mühe gemacht hat.

Sörgel berichtet, Riegert habe sein Papier als „absoluten Quatsch“ bezeichnet. Dass Riegert derart unangemessen auf einen auch von ihm als Obmann geladenen Experten reagiert, könnte auch mit einem Satz zu tun haben, der sich in Sörgels Stellungnahme findet: „Mag diese Methode der Blutbestrahlung in Kuren auch bei Homöopathen, Alternativmedizinern, Naturheilkundlern oder anderen Quacksalbern Verwendung finden, so bleibt die einmalige Infusion/Injektion eines UV-bestrahlten Blutes Scharlatanerie“.

Dagmar Jäger-Riegert, die Frau des Abgeordneten, ist Naturheilpraktikerin.

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