DIE WAHRHEIT: Die schnellste Stadt der Welt

Im Jahr des Drachen: Der internationale Thinktank City Mayors Foundation veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Statistik, nach der ...

Der internationale Thinktank City Mayors Foundation veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Statistik, nach der die Bevölkerung der südchinesischen Hafenstadt Beihai bis 2020 um genau 10,58 Prozent pro Jahr wachsen wird. Damit wäre die 1,3-Millionen-Metropole mit Abstand die am schnellsten wachsende Stadt der Welt. Nachdem ich auf der Insel Weizhou die Territorialstreitigkeiten im südchinesischen Meer gelöst hatte (siehe vorletzte Kolumne), wollte ich die Behauptung der internationalen Panzerdenker überprüfen. Dazu hatte ich es nicht weit, denn verwaltungstechnisch ist Weizhou ein Stadtbezirk von Beihai. Allerdings war auf der Insel von rapidem Wachstum nichts zu spüren, sieht man mal von den Mondpreisen in den Hafenrestaurants der Südbucht ab.

Auch das Wachstum in der Stadt Beihai selbst machte auf mich keinen großen Eindruck. Im Mittelpunkt steht ein neuer, etwa hundertstöckiger Bahnhof von entschiedener Hässlichkeit, von dem aus sechs- bis achtspurige Straßen hauptsächlich durch Brachland führen. Am breiten Silver Beach hat man ein Villenviertel im „europäischen Stil“ zusammengehauen, mit leerstehenden, pastellfarben gestrichenen Häusern, die rote Spitzdächer tragen, der Eingang bewacht von geflügelten Bullen aus der assyrischen Antike. Daneben verfallen nie fertiggestellte Restaurants und Läden; davor ein sogenannter „römischer Platz“, den korinthische Säulen aus Beton, Hermes- und Venus-Skulpturen, ein Reiterstandbild der Jungfrau von Orleans und ein Brunnen zieren. In seiner Mitte starrt Pallas Athene von einer Säule herab ratlos in die demolierte Gegend.

Die Altstadt Beihais besteht aus einer „Seafood-Insel“, auf der frisch „im indonesischen Stil“ errichtete Riesenrestaurants verrotten, sowie zwei Straßen mit echter historischer Bebauung. Bei einigen dieser Häuser werden gerade die Fassaden kaputtsaniert. Ansonsten ist man stolz auf eine überteuerte Underwaterworld, einen trostlosen Perlenmarkt und ein paar Hochhäuser um den Beibuwan Guangcheng, dem zentralen Platz der Neustadt.

Was allerdings auffällt, ist das weitgehende Fehlen internationaler Fastfoodketten. Normalerweise zählen diese zu den ersten, die einen außergewöhnlichen Boom wittern. Doch in Beihai gibt es nur einen McDonald’s, und anscheinend auch nur einen KFC.

Beihais E-Bike-Händler sind – neben dem US-Magazin Foreign Policy – offenbar die einzigen, die dem seltsamen Thinktank um den Journalisten Tann vom Hove Glauben schenken. Sie bieten in der Stadt mehrere Millionen Elektroroller an, vorzugsweise der Marken Suzuku, Sukuzu, Shsuzuki oder Sukzui; eine Namensgebung, die von irgendwoher inspiriert zu sein scheint. Weil aber jeder dritte Bewohner Behais schon ein E-Bike hat, sind auch die Umsätze dieser Händler eher mager. Deshalb und um den Ruf der City Mayors Foundation zu retten, rufe ich der Stadt Beihai zu: Fang jetzt langsam wirklich an zu wachsen! Sonst bleibt das einzig Große an dir der ausgeprägte sommerliche Dauerregen.

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kari

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