DIE WAHRHEIT: Der Arsch vom Dienst

Wie die Stallwache Peter Altmaier einmal der Kanzlerin den wohl verdienten Sommerurlaub verdarb.

Beschwingt betritt Peter Altmaier das Bundeskanzleramt, um den Sommer über die Stellung zu halten. Bild: reuters

Was für Helmut Schmidt der Brahmsee und für Helmut Kohl der Wolfgangsee war, ist für Angela Merkel die kleine Insel Ischia. Jedes Jahr begibt sich die Kanzlerin mit ihrem Mann in den Golf von Neapel, um dort unter Italiens Sonne ihren Urlaub zu verbringen. Ischia liegt abseits der großen Ströme des Tourismus und ist doch zugleich nah genug an der deutschen Hauptstadt, um notfalls bei einer Krise zurückeilen zu können ins Kanzleramt und die Zügel wieder in die Hand zu nehmen. Was in diesem Jahr durchaus vonnöten sein könnte, denn die Eurokrise ist noch längst nicht ausgestanden. Jeden Tag kann es den ganz großen Bumms geben.

Aber da ist ja auch noch die Stallwache. Vor Beginn der Ferien wird einer der Minister ausgeguckt von der Kanzlerin, der während der Urlaubszeit in Berlin bleiben muss und ein Auge haben soll auf die Alltagsgeschäfte, vor allem aber auf die Hinterbänkler, die sich in einem unbeaufsichtigten Moment gern mit irgendeinem Unfug in die Boulevardmedien drängen, um wenigstens einmal im Jahr am Brunnen der öffentlichen Aufmerksamkeit eine Hand voll Beachtung zu schöpfen. Dann verlangen sie, dass Mallorca 17. Bundesland wird, oder fordern ein Gesetz, das Männer zu Sitzpinklern macht. Ist die Merkel aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.

Die Stallwache im Kanzleramt hat vielerlei Aufgaben, und manche politische Kraft versüßt sich die eher ungeliebte Tätigkeit, für die man schließlich seinen Urlaub opfern muss, indem sie ihre eigenen Ambitionen befördert, wenn in der Sauregurkenzeit die Kameras gierig nach Schwenkfutter suchen. So erwarb sich zu Weihnachten anno 2010 der noch ganz frische Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich den Titel eines „Weihnachtslautsprechers“, als er plötzlich in jeder Nachrichtensendung erschien und alles, aber auch einfach alles kommentierte. Kein Thema war vor der bayerischen Palaverorgel sicher.

Doch wer wird in diesem Sommer 2012 die Stallwache übernehmen? Wen wird Merkel verpflichten, das leere Haus zu hüten? Wer wird nachts durch die verwaisten Gänge des Kanzleramts stromern und mal hier, mal dort hinschauen, was denn so los ist hinter den Kulissen der Machtzentrale? Wird es der Pofalla, der als Kanzleramtsminister eigentlich der erste Kandidat von Merkels Gnaden sein müsste? Oder wird es der treue Knappe de Maizière, der seiner geliebten Herrin beinah jeden Wunsch von den Augenringen abliest? Nur einer wird es ganz sicher nicht: der Umweltminister Peter Altmaier.

Im vorigen Jahr war Altmaier kurzfristig eingesprungen. Damals stand er noch in der zweiten Reihe, war keiner der ganz großen Mitmischer und Hinrenner. Der gemütliche Saarländer galt als leicht handhabbar, ein bisschen unerfahren vielleicht, aber ohne größere Ansprüche. Er besaß das volle Vertrauen der Kanzlerin, um als „Arsch vom Dienst“, wie die Stallwache in Politkreisen auch genannt wird, die Stellung zu halten. Altmaier sei der richtige Mann, da könne nicht viel schiefgehen, glaubte Angela Merkel …

„Eigentlich kein schlechter Job – gemütlich wie ich“, dachte sich Peter Altmaier, als man ihm die inoffizielle Würde aufs Auge drückte. Es war fast wie früher, als er immer die Nachtwache im Bierzelt des Schützenfestes Rehlingen-Siersburg schieben musste und dort klammheimlich das Restbier aus den Krügen schlürfte, bis er schnarchend darniedersank. Das hier im Kanzleramt musste er aber schon etwas seriöser angehen, wusste Altmaier, schließlich trug er jetzt die Verantwortung für alles. Er schwor sich, nicht solche Eskapaden zu veranstalten wie damals. Einmal nackt im Feuerwehrteich aufwachen, reichte ihm wahrlich. Und in die Tuba zu kotzen, war auch schon jahrelang out.

Behutsam schob der wachsame Altmaier also seinen wuchtigen Bierbauch durchs Kanzleramt und gab sich allergrößte Mühe, nichts kaputtzumachen. „So, jetzt wollen wir mal nach dem Rechten sehen“, murmelte er, als er so vor sich hin patrouillierte und fast eine chinesische Vase von einem Podest fegte. Na, das hätte einen schönen Krach gegeben, wenn das teure Gastgeschenk von Wen Jiabao in abertausende Teile zersprungen wäre. Altmaier wischte sich den Schweiß von der feuchten Stirn.

Schnurstracks zog es ihn ins Büro von Kanzleramtschef Pofalla. Er hatte ihn gebeten, die Wurzelschnitzereien abzustauben. „Was macht man nicht alles für die Parteifreunde“, dachte Altmaier bei sich, während er mit einem Tüchlein über die prachtvollen Statussymbole wedelte.

Weiter taperte Altmaier und direkt ins Büro der Kanzlerin. „Mal sehen, was Madame so alles in der Schublade hat“, freute er sich wie ein kleines Kind, als er sein mächtiges Gesäß in Merkels Bürostuhl quetschte und hoheitlich über den Schreibtisch der Macht blickte. Ein bisschen neugierig war er ja schon. Vor allem diese verschiedenen, in den Tisch eingelassenen Knöpfe faszinierten ihn. Auf den großen roten Knopf hatte die Kanzlerin extra einen Zettel geklebt, auf dem in fetten Buchstaben „NEIN!“ geschrieben stand. Altmaier grübelte. Wieso hatte man ihn nicht aufgeklärt? Was war das für ein Knopf? Aber die anderen Knöpfe würde er doch wohl ausprobieren dürfen, jetzt wo er der wichtigste Mann im Staate war!

Der von fiebriger Spannung ergriffene Altmaier beugte sich vor und inspizierte die Schaltvorrichtungen genau, der Tisch ächzte bedrohlich und der Stuhl wankte unter dem Gewicht. Jetzt ging alles sehr schnell: Altmaier fiel vornüber, stieß eine Flasche Asbach Uralt vom Tisch und patschte mit dem Gesicht mitten auf alle Knöpfe. „Owei“, stöhnte er, dann brach die Hölle los. Aus der Decke fuhr eine silberne Discokugel herab, romantische Evergreens mischten sich mit dem Heulen einer Alarmsirene, gleichzeitig schob sich eine geheime Tür ins benachbarte Kriseninterventionszentrum auf, wo ein Dutzend verwirrte Atomraketenschlüsselumdreher gerade noch mitbekamen, wie ein automatischer Ankleideroboter zur Tür hereingesaust kam und Altmaier in einen senffarbenen Blazer zwängte …

Und an dieser Stelle blenden wir uns sanft aus dem brisanten Geschehen aus, um dem bedauernswerten Peter Altmaier die Schande zu ersparen, als größter Depp der deutschen Politik dazustehen, der noch nicht einmal als Stallwache taugt. Prompt musste die Bundeskanzlerin aus ihrem wohl verdienten Urlaub zurückkehren und das Chaos eigenhändig beseitigen. Zur Strafe schickte sie den ausgebrannten Tollpatsch für drei Wochen nach Gorleben, wo er zum Umweltminister wiederaufbereitet wurde. Diesen Sommer kann es also nur besser werden im leergefegten Kanzleramt. Freiwillige vor!

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