Damen-Tischtennis in Deutschland: 186 Zuschauer im Schnitt

Bei der Team-WM werden die deutschen Frauen von tausenden Fans angefeuert. Im sportlichen Alltag interessiert sich kaum jemand für sie.

Um finanziell gut über die Runden zu kommen, sind drei der fünf WM-Spielerinnen bei der Bundeswehr aktiv. Zhenqi Barthel diente auch schon in Nato-Oliv. Bild: dpa

DORTMUND taz | Für die deutschen Tischtennisspielerinnen sind die Heim-Weltmeisterschaften in Dortmund ein Freudenfest. Das liegt an den 4:1 Siegen in der Vorrunde und dem Achtelfinal-Einzug gegen Nordkorea – aber auch an den Zuschauerzahlen: 5.500 Interessierte zum Auftakt, die hauptsächlich wegen der fünfmal 3:0 siegreichen und damit im Viertelfinale stehenden Männer um Timo Boll kamen, schauen ihnen in der gesamten Bundesliga-Runde nicht zu.

Das bliebe so, selbst wenn der WM-Dritte von 2010 seinen Sensationserfolg wiederholen und im Viertelfinale Weltmeister Singapur entthronen würde. Die Frauen-Bundesliga steckt in der größten Krise ihres Bestehens. „Erstligisten gesucht“, titelt das Fachblatt Tischtennis. „Mit sechs oder sieben Mannschaften macht es keinen Sinn“, klagt Joachim Lautebach, Vorsitzender von Hassia Bingen.

Nur neun statt der vorgesehenen zehn Vereine waren in die Saison gegangen. Nun kündigten mit Tostedt, Schwabhausen und Langweid gleich drei Klubs ihren Rückzug an. Aus der Zweiten Liga Nord winkten die Spitzenteams Uentrop, Hövelhof und Bad Driburg alle ab. Das Wagnis gehen im Süden immerhin der SV DJK Kolbermoor und der NSC Watzenborn-Steinberg ein.

Die Leutzscher Füchse würden auch gern hoch, müssten dazu aber Dritter in der Zweiten Liga Süd werden – oder eben als Vierter hinter dem SV Darmstadt auf das Wohlwollen des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) vertrauen. Die Füchse dürfen zuversichtlich planen. Acht Erstligisten wären für den zehntgrößten deutschen Sportverband (615.000 Mitglieder) noch blamabler als die derzeitigen neun.

2.500 Euro Monatsgehalt sind die Ausnahme

„Die Rückkehr zu Viererteams war ein Fehler der Manager. Dreierteams sind spannender, weil jeder jeden schlagen kann, und vor allem günstiger“, sagt Nationalspielerin Kristin Silbereisen. „Für Zweitligisten ist der Sprung finanziell zu groß.“ Reichtümer sammeln aber selbst die deutschen Auswahlspielerinnen im Oberhaus nicht an. 2.500 Euro Monatsgehalt sind schon die Ausnahme.

Dazu kommen Preisgelder im Einzel und ein paar Einnahmen von den Ausrüstern. Um finanziell gut über die Runden zu kommen, stehen drei der fünf WM-Spielerinnen bei der Bundeswehr-Sportkompanie stramm; Zhenqi Barthel diente auch schon in Nato-Oliv.

Sabine Winter setzt dennoch auf den Sport, „auch wenn den Klubs das Geld fehlt“. Die 19-Jährige zieht eben von Schwabhausen zum einzigen regulären Aufsteiger Kolbermoor weiter. Die Hauptgefreite hat die niedrigen Zuschauerzahlen der kleinen Vereine als Problem erkannt. 75 bis 186 sind es im Durchschnitt pro Match bei den neun Klubs.

Sponsoren „abgesaugt“

Meist steigt ein Verein in einem Kaff dank des Engagements einer treibenden Kraft oder eines Geldgebers steil auf – und fällt wieder genauso tief ohne diese. Beispiel: Exmeister TV Busenbach (bei Karlsruhe), der nun in der Zweiten Liga Süd dümpelt und noch vor Kurzem als uneingeschränkter Zuschauerkrösus oft 600 Besucher ins Kurhaus Waldbronn lockte.

Symptomatisch ist der zufällige Fall des TTC Langweid, der zwischen 1999 und 2007 siebenmal deutscher Meister wurde und je dreimal die Champions League und den ETTU-Pokal gewann. Karl Schöpp, Exehemann von Bundestrainerin Jie Schöpp und einst Coach beim aktuellen Bundesliga-Schlusslicht, hat eine einfache, deprimierende Begründung: „Der FC Augsburg ist in die Fußball-Bundesliga aufgestiegen und saugt Sponsoren ab.“ Die Peanuts für die Kicker fehlen in den Tischtennisdörfern.

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