Das Böse im Kopf: Eine Pille gegen das Verbrechen

Es ist alles eine Frage der Endorphine: Der Göttinger Psychiatrie-Professor Borwin Bandelow macht sich auf die Suche nach den Quellen des Bösen.

Wer Mörder verstehen will, muss sich mit den Botenstoffen befassen: Borwin Bandelow. Bild: dpa

HAMBURG taz | Wie entsteht das Böse? Borwin Bandelow glaubt, darauf eine Antwort zu haben: Das Böse ist das Ergebnis einer Fehlfunktion im Hirn. Wer sadistische Mörder verstehen will, muss sich „auf die Ebene der Moleküle und Botenstoffe im Gehirn“ wagen, schreibt der Göttinger Psychiater und Psychotherapeut in seinem neuesten Buch „Wer hat Angst vorm bösen Mann?“.

Bandelow geht davon aus, dass bei Tätern mit einer antisozialen Persönlichkeit oder einer Borderline-Störung das Belohnungssystem im Hirn defekt ist. Normalerweise geht das so: Wer hungrig ist und ein Käsebrot isst, fühlt sich anschließend gut, weil sein Körper Endorphine ausschüttet – als Belohnung dafür, sein Überleben gesichert zu haben. Zuständig ist dafür das endogene Opiatsystem (EOS).

Permanent unglücklich sind Bandelow zufolge Menschen, bei denen dieses System gestört ist: weil zu wenig Endorphine da sind. Oder weil die Rezeptoren, an welche die Endorphine andocken sollen, unterentwickelt sind. Diese Menschen versuchen alles, um diesen fehlgesteuerten Endorphinhaushalt auszugleichen und tun dazu Dinge, sie sie besser nicht tun sollten. „Sie trinken zwei Flaschen Wodka pro Tag, injizieren sich Heroin oder vergewaltigen ihre Nichte“, schreibt Bandelow, der seit Jahrzehnten als Psychiater arbeitet.

Um seine Theorie zu stützen, hat er alle mögleichen Bösartigkeiten zusammengetragen, von Massenmördern, Vergewaltigern und Entführern. Bandelow beschreibt Patienten, die bei ihm in Behandlung waren, und hat Interviews geführt: mit Tätern wie dem Vergewaltiger und Mörder Frank Schmökel, mit Opfern und mit Zeitzeugen, etwa der früheren Geliebten des Serienmörders Jack Unterweger.

Er findet Gemeinsamkeiten zwischen den Tätern, die seine EOS-Theorie untermauern. Bandelows Idee ist nun: Wenn das Böse das Ergebnis einer Hormonstörung ist, könnte es sich mit chemischen Mitteln bekämpfen lassen – eine Tablette gegen das Böse. Vorerst fehle es dafür aber an Beweisen, schreibt Bandelow selbst: Die Forschung sei da noch ganz am Anfang.

Borwin Bandelow: „Wer hat Angst vorm bösen Mann? Warum uns Täter faszinieren“. Rowohlt Verlag 2013, 352 Seiten, 19,95 Euro

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