Das Merkel-Interview im Überblick: Grüne, Einwanderung und #FreeDeniz

Dass die Kanzlerin ausgiebig über die Grünen spricht, ist allein schon eine Aussage. Weitere Themen: Flüchtlinge, Diesel und der Sudan.

Angela Merkel mit Anja Maier und Georg Löwisch

Angela Merkel im Gespräch mit taz-Chefredakteur Georg Löwisch und Parlamentskorrespondentin Anja Maier Foto: Anja Weber

Die Grünen: Konkret nach Koalitionen zu fragen, ist bei Angela Merkel wie bei den vielen Politikern im Bundestagswahlkampf aussichtslos. Alle Optionen bis auf eine Zusammenarbeit mit der Linken und der AfD sind für die CDU möglich. Aber: Merkel spricht in ihrem ersten taz-Interview als Kanzlerin so viel über die Grünen wie noch nie in der letzten Zeit. Ihr scheine es wichtig, sagt Merkel zum Beispiel, dass die Grünen sich immer wieder neue Themen erarbeiteten, weil sich Themen wie die Atomkraft weitgehend erledigt hätten.

„Ich stelle mir vor, dass die humane Gestaltung der Globalisierung auch für die Grünen ein spannendes Thema sein kann.“ Die Globalisierung nennt die Bundeskanzlerin an anderer Stelle eine ihrer eigenen Prioritäten: „Mir ist die menschliche Gestaltung der Globalisierung wichtig, ebenso wie das Thema Nachhaltigkeit, also Generationengerechtigkeit, nachhaltige Finanzen und Ressourcenverbrauch.“Zudem analysiert Merkel das Grundverständnis der beiden Parteien und klopft sie auf schwarz-grüne Unterschiede und Gemeinsamkeiten ab: Beim behutsamen Umgang mit der Schöpfung „sehe ich große Nähe zu meinen Überzeugungen in der CDU. Und dennoch gibt es auch eine sehr starke Staatskritik, die wir in der CDU und ich persönlich überhaupt nicht teilen.“ Auch in anderen Themenblöcken des Interviews – etwa wenn es um Abschiebungen von Flüchtlingen oder ihr Verhältnis zur Automobilindustrie geht – kommt die Kanzlerin auf die Grünen zu sprechen. Sie hat Autobosse in den vergangenen Jahren ins Kanzleramt eingeladen? „Herr Zetsche war auch schon auf dem Grünen-Parteitag.“

Die Flüchtlingsdebatte: Im Rückblick äußert sich Angela Merkel zu ihrem drastischsten Satz in der Flüchtlingsdebatte. Am 15. September 2015 sagte sie auf einer Pressekonferenz auf die Frage, ob sie Flüchtlinge zum Kommen nach Deutschland animiert habe: „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“ Sie habe sich den Satz nicht vorher zurecht gelegt. „Das war spontan. Es kam aus meinem Innersten. Weil das meine Überzeugung ist.“Die taz konfrontiert die Kanzerlin damit, dass sie heute mit Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik nicht gerade ein freundliches Gesicht zeige: Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte, vor allem Syrer. Die Möglichkeit, psychisch Kranke abzuschieben. Abschiebungen ohne Ankündigung, Abschiebungen nach Afghanistan. Immer noch ihr Land? „Ja, dies ist mein Land, denn wir geben jedem, der in Deutschland um Asyl bittet, die Chance einen Antrag zu stellen, und wir schaffen bessere Lebensbedingungen vor Ort, in dem wir Fluchtursachen bekämpfen. Zugleich müssen wir auch deutlich machen, dass es Regeln gibt.“

Der Sudan: Auch die Kooperation von EU und Deutschland mit afrikanischen Staaten rechtfertigt Merkel, sogar was die Zusammenarbeit mit dem Sudan betrifft. Gegen dessen Präsident Umar al-Baschir hat der Internationalen Strafgerichtshof einen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Völkermord in der Konfliktregion Darfur erlassen. Dennoch hat die EU kürzlich über 100 Millionen Euro für Projekte im Sudan bereitgestellt. Fluchtbewegungen aus Ländern wie Äthiopien, Eritrea oder Somalia in Richtung Mittelmeer sollen so eingeschränkt werden. Die halbstaatliche Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) soll Grenzschützer trainieren.

„Wir legitimieren natürlich überhaupt nicht das Regime im Sudan. Wir gehören zu denen, die den dortigen Präsidenten al-Baschir boykottieren“, sagt Merkel. Sie nennt Sudan allerdings „ein Schlüsselland“. Es solle beispielsweise erreicht werden, dass Beamte des Grenzmanagements Schutzbedürftige, also zum Beispiel Betroffene des Menschenhandels, erkennen und sie unter Beachtung aller internationalen Standards an die zuständigen staatlichen oder zivilgesellschaftlichen Stellen weitervermitteln. „Dabei prüfen wir sehr sorgfältig, mit wem wir zusammenarbeiten.“

Die Einwanderung: Merkel stellt in dem Interview in Aussicht, in einer vierten Amtszeit legale Einwanderung aus Afrika zu ermöglichen. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir mit afrikanischen Ländern Kontingente vereinbaren, wonach eine bestimmte Anzahl von Menschen hier studieren oder arbeiten kann.“ Dies würde Anreize für legale Wege schaffen. „Nur zu sagen, Illegalität geht nicht und gar nichts anzubieten, ist falsch.“

Die Kanzlerin unterscheidet zwischen Flüchtlingen und Einwanderern aus wirtschaflichen Gründen. „Flüchtlingen, die nach Deutschland gekommen sind, müssen wir Schutz vor Krieg und politischer Verfolgung gewähren. Bei Menschen, die zu uns aus wirtschaftlichen Gründen kommen wollen, geht es natürlich darum, dass diejenigen kommen, die wir brauchen, Pflegekräfte beispielsweise.“

Die Fahrverbote: Im Streit um die Diesel-Autos hält Angela Merkel die Ergebnisse des Gipfels von Politik und Wirtschaft vor vier Wochen nur für einen Anfang. Es sei unbestritten, dass mit dem reinen Software-Update die Grenzwerte nicht eingehalten würden. Um Fahrverbote abzuwenden, gebe es zwei weitere Bausteine. „Das eine sind die Umtauschprämien, die ja gerade erst angelaufen sind, es ist also noch offen, wie viele Menschen davon Gebrauch machen und was das für die Emissionen bedeutet. Der zweite ist die Frage, was man im Verkehrsmanagement der Städte noch verändern kann, zum Beispiel über den öffentlichen Personennahverkehr.“

Merkel will nun den Fokus auf die stark belasteten Kommunen legen. „Ich will, dass wir gerade aus diesen Städten die fortschrittlichsten machen, was Mobilität anbelangt, Städte mit intelligenten Lösungen für die neuen Mobilitätsbedürfnisse. Arbeitgeber könnten zum Beispiel mehr Ladestellen für E-Mobilität einrichten oder man könnte das verstärkt in Parkhäusern anbieten.“

Die Deutschen in türkischer Haft: Die Kanzlerin wünscht sich nach eigenen Worten nichts so sehr wie die Freilassung von Deniz Yücel. Der Welt-Korrespondent und ehemalige taz-Redakteur ist seit dem 14. Februar in der Türkei inhaftiert. Vielfältige Bemühungen um seine Freilassung waren bisher erfolglos. „All das hat leider bisher noch nicht zur Freilassung Ihres Kollegen geführt, aber nichts würde ich mir mehr wünschen als das.“ Merkel sagte, sie sorge sich auch um die deutsche Journalistin Meşale Tolu, den Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner und die anderen Inhaftierten. Die Bundesregierung gehe nun „weit restriktiver an wirtschaftliche Kontakte heran.“

Das gesamte taz-Interview mit der Bundeskanzlerin lesen Sie hier.

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