taz.gespräch am 05.01.2015: Zerstört Google unsere Welt?

Werden wir nicht von der CDU regiert und auch nicht von der EU, sondern aus dem kalifornischen Silicon Valley?

Was tun? Darüber spricht taz-Chefreporter Peter Unfried mit spannenden Gästen. Bild: taz

Der Grüne Digitalpolitiker Konstantin von Notz fordert eine rechtsstaatliche Regulierung der „totalitären“ Bereiche des Digitalisierungsprozesses. „Die Technik ist großartig, wir nutzen sie, aber es gibt auch eine totalitäre Seite und die muss gebändigt werden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Grünen Bundestagsfraktion beim taz-Gespräch in Leipzig. Die Politik sei gegenüber globalen IT-Unternehmen wie Google, Amazon oder Facebook nicht machtlos, wie oft unterstellt werde: Das Problem sei der Tatenlosigkeit der EU und der deutschen Regierung, der die Grünen seit knapp zehn Jahren nicht mehr angehören.

Vor vollem Haus im Leipziger Neuen Schauspiel diskutierten Notz, die Bürgerrechtlerin Anke Domscheit-Berg, Springer-Manager Christoph Keese und der KiWi-Verleger Helge Malchow, moderiert von taz-Chefreporter Peter Unfried die Gefahren und Chancen der weltweiten Digitalisierung von Daten, Gütern, Dienstleistungen. Am Horizont steht immer noch die positive Entwicklung der Digitalisierung, etwa als Chance, um vom Finanzkapitalismus zum Zivilkapitalismus zu kommen. Imminent sind aber längst die Gefahren, die Zerstörung der Freiheit, der alten Wirtschaft und ihrer Arbeits- und Sozialstrukturen, der Kultur und damit der Gesellschaften, wie wir sie kannten – wenn nicht schnell gehandelt wird.

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Ob die wirklichen Gefahren weniger von Google und Facebook und mehr von datenausspähenden Geheimdiensten wie der NSA ausgehen, war umstritten. Zwei Hauptprobleme schälten sich aber aus dem 90minütigen Gespräch heraus: Die Geheimdienst-Problematik und die digitale Rückständigkeit Deutschlands und Europas. Christoph Keese, Executive Vice President des digitalen Verlagshauses Axel Springer, forderte eine „komplette Renovierung und europäische Harmonisierung der Gesetze, die für Digitalwirtschaft wichtig sind, allen voran Kartellrecht und Urheberrecht.“ Angesichts der Standortpolitik Chinas und der USA brauche auch Europa ein „robustes Standortdenken und die entsprechenden Rahmenbedingungen.“ Ziel müsse eine führende Rolle Europas in der Digitalwirtschaft sein.“

Das nächste taz.Gespräch in Leipzig ist am Buchmessen-Samstag, den 14. März 2015, im Neuen Schauspiel

Die Bürgerrechtlerin und Ex-Piratenpolitikerin Domscheit-Berg sagte: „Ich wünsche mir eine digitale Agenda der Bundesregierung, die diesen Namen verdient und die etwa den Breitbandausbau endlich gebacken kriegt“. Auch die Schulpolitik versage in dieser Hinsicht komplett. Domscheit-Bergs zweite Forderung: Abschaffung der Geheimdienste. „Die Geheimdienste sind nicht reformierbar, die richten nur Schaden an“.

Auch Helge Malchow, Verleger von Kiepenheuer & Witsch, beklagte ein „archaisches Bildungswesen im Bezug auf die Digitalisierung“. Das müsse „tief revolutioniert“ werden. „Wir sind in einem Maße hinterher, dass es eine wirkliche Gefahr für die ganze Gesellschaft ist.“ KiWi hat laut Malchow im vergangenen Jahr mit Dave Eggers' Digital-Dystopie „The Circle“ einen großen Erfolg gelandet, sowohl was die Verkäufe angehe (180.000), als auch die gesellschaftliche Diskussion. Seine Forderung an die Medien: Sie müssten die großen Debatten fortführen, die der verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher initiiert habe. Es gehe nicht nur um die Frage, wo der Staat regulieren müsse, sondern um eine „Humanisierung des Netzes“.

Anders als übliche Formate setzt das taz.Gespräch nicht auf Konfrontation, Gags und Einspieler, sondern auf gemeinsame intellektuelle Entwicklung von Gedanken und Problemstellungen - selbst wenn das Motto „Lange Sätze, brillante Gedanken, große Unterhaltung“ nicht immer ausgereizt werden kann.