Datenskandale und Online-Werbung: Wieso zeigt mir GMX nackte Frauen?

Manchmal fragt man sich schon, was die Firmen von einem denken, die Banner für Bauchwegwerbung oder Tankini-Trends schalten. Eine Ermittlung.

„Dann bekommen Nutzer auch nicht 'immer' und nicht nur nackte Frauen zu sehen“, teilt GMX mit. Bild: dpa

Vielleicht muss man mit einem kleinen Detail starten, um die großen Zusammenhänge zu begreifen. Vielleicht sind die nackten Frauen so ein Detail, die mir mein Mailanbieter GMX nachts zeigt. Schließlich werfen sie damit eine schlichte Frage auf: Was denken die eigentlich von mir?

Es ist eine Frage, die man sich in diesen Tagen häufiger stellen kann. Während immer neue Details darüber aufgedeckt werden, welche Datenmassen welcher Geheimdienst von welchen Kabeln oder von welcher Firma abschöpft. Aus diesen Daten könnten digitale Profile entstehen, Bilder von Menschen. Bilder auch von mir.

Wie sehen mich die Firmen, die Werbung für mich schalten? Wie betrachten mich Unternehmen, die meine Daten sammeln? Wie würde mich ein Geheimdienst betrachten, wenn er meine Informationen hätte?

Man kann herausfinden, welche dieser Firmen auf den Seiten aktiv sind, die man besucht. Man muss dafür nur ein Programm namens Ghostery in seinem Firefox Browser installieren, dann erscheint eine lila Liste mit Namen wie AdSpirit, Doubleclick oder Adition. Diese Unternehmen verteilen die Werbung auf den Internetseiten.

Der größte Anzeigenverteiler in Deutschland neben Googles Werbeabteilung Doubleclick heißt Adition. Ich finde Spuren von Adition mit Hilfe von Ghostery auch bei GMX. In Düsseldorf, wo Adition sitzt, lasse ich mir erklären, wie das mit der Werbung funktioniert.

An mir besteht, versichert man mir da, grundsätzlich kein allzu großes Interesse. Es geht um Zielgruppen. Menschen, die sich für Duschgel interessieren, für Elektroautos, für Turnschuhe.

Kontaktdosiert ausgesteuert

Adition, Doubleclick und all die anderen Firmen beobachten, worauf ich auf den Webseiten, die ich besuche, klicke. Sie merken sich das - beispielsweise über Cookies, die in meinem Browser gespeichert werden. Wenn eine Anzeige geschaltet werden soll, etwa für jemanden, der sich für Elektroautos interessiert, vergleicht der Werbeserver die Anzeigenvorgaben der Kunden mit den gespeicherten Interessen aus dem Browser.

Warum zeigt mir GMX also nachts nackte Frauen?

Erotikwerbung unterliege auf GMX strengen Richtlinien, antwortet mir eine Sprecherin, als ich dort nachfrage. Sie werde erst ab 22 oder 0 Uhr geschaltet. „Dann bekommen Nutzer auch nicht 'immer' und nicht nur nackte Frauen zu sehen - die Werbung wird für gewöhnlich kontaktdosiert ausgesteuert, so dass die Einblendungen einer bestimmten Werbung in einem bestimmten Zeitraum oder während eines bestimmten Nutzungsvorgangs eine definierte Anzahl nicht überschreiten.“

Es sei dann außerdem so: Online-Werbung, wie etwa die Erotikwerbung bei GMX, werde mit so genanntem Targeting ausgesteuert, „auf Basis statistischer Wahrscheinlichkeiten, mit denen ein Nutzer einer Zielgruppe zugeordnet wird.“ Eine Zielgruppe könne sein: Männer, die älter als 18 Jahre alt sind.

Ich bin also gar nicht persönlich gemeint?

„Nein“, schreibt die Sprecherin, „personalisierte Werbung (z.B. persönliche Anrede, Adresse etc.) ist mit Targeting nicht möglich.“ Targeting erfolge nicht auf Basis eines direkten Personenbezugs, sondern auf Basis einer anonymen Zielgruppenzugehörigkeit. „Frauen erhalten für gewöhnlich keine Erotikwerbung eingeblendet.“

Das wirkt alles erst mal reichlich grobkörnig.

Facebook und der Wu-Tang-Clan

Deutlich feiner werden die Analysen, wenn ich mich mit meinem vollen Namen sehr personalisiert bei Facebook oder anderen Netzwerken anmelde. Sobald ich nämlich die Zustimmung gebe, dass meine Daten verwendet werden dürfen, können sie auch mit meiner Person verbunden werden.

Facebook wiederum wirbt bei mir auch deutlich zielsicherer: für den Wu-Tang-Clan und für ausgezeichneten Auslandsjournalismus, der mit einem Award prämiert werden soll. Dazu ein Online-Schuhladen. Ich mag Turnschuhe, ich mag Wu-Tang, ich mag Auslandsjournalismus.

Was ich nicht mag, ist den Gedanken, dass solche Informationen an Geheimdienste wie die NSA weitergegeben werden könnte. In diesen Momenten fällt mir wieder ein, wie der ehemalige Sicherheitschef von Facebook hieß. Max Kelly nämlich. Und wo er heute arbeitet. Genau: bei der NSA.

Die ganz Titelgeschichte „Edward Snowden und ich“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 6./7. Juli 2013. Johannes Gernert folgt darin seinen digitalen Spuren und landet dabei auch bei der Firma Acxiom, einem der größten Datensammler der Welt. Darin außerdem: Im Dschungel Ecuadors wehrt sich ein Dorf gegen die Begierden der Erdölindustrie. Und der Streit der Woche zur Frage: Darf man öffentlich knutschen? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

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