David McAllister und der Bundespräsident: Der Mann in der Wulffs-Falle

Ministerpräsident David McAllister steckt in der Klemme. Er muss sich von seinem Vorgänger Christian Wulff distanzieren, darf ihn aber nicht verraten.

Eigentlich cool, aber derzeit angespannt: David McAllister. Bild: dpa

HANNOVER/BERLIN taz | Der MP hat sich den Steiß geprellt. Spielscheune Otterndorf, Sonntag, die beiden Töchter rutschten, bettelten, da legte David McAllister die Zeitungen zur Seite und rutschte auch. Blöde Sache das, für einen Politiker, der ständig sitzen muss. McAllister, tja, rutscht deshalb jetzt auch ab und zu auf seinem Stuhl hin und her, im Europa-Saal, Halle 7.3, auf der Grünen Woche in Berlin. Vorn begeistert sich ein Fachmann für den Weltmarkt Ölsaaten/Pflanzenöle, als gäbe es nichts Spannenderes als Sojabohnen.

Deutschlands größte Landwirtschaftsshow ist ein Pflichttermin für ihn, den Regierungschef des Agrarlandes Nummer eins, die regionalen Landwirte, Bauernfunktionäre und Wirtschaftsleute, alle treffen sich hier am Niedersachsen-Tag. Es ist eine gute Gelegenheit, um etwas über McAllister, 41, seit Sommer 2010 Ministerpräsident, zu erfahren. Und darüber, wie er mit einer Affäre umgeht, die wie eine Steißbeinprellung für ihn und seine Landespartei ist. Nicht wirklich gefährlich, aber unbequem.

Seit Tagen muss sich McAllister Fragen anhören wie: Klärt seine Regierung die Verstrickungen des Bundespräsidenten Christian Wulff und seines Exsprechers Olaf Glaeseker gut genug auf? Infizieren sie die Niedersachsen-CDU? Schadet die Sache McAllister selbst? Die Beziehung zwischen Wulff und McAllister ist eine besondere. Der eine hat den anderen groß gemacht. Wulff holte McAllister 2002 als Generalsekretär, er machte ihn schon wenig später zum Fraktionschef. McAllister steckt in einer Klemme. Einerseits muss er sich distanzieren, weil er selbst mit den alten Sachen nichts zu tun hat. Er ließ den umstrittenen Nord-Süd-Dialog sterben. Andererseits darf er seinen Ziehvater nicht umstandslos fallen lassen, das nehmen sie übel im Oldenburger Land.

Der Dialog: Dreimal fand das Polit- und Wirtschaftstreffen 2007 bis 2009 in Niedersachsen und Baden-Württemberg mit den damaligen CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff und Günther Oettinger als Schirmherren statt.

Die Affäre: Die Regierung Wulff hat stets erklärt, die Dialoge seien Privatveranstaltungen des Eventmanagers Manfred Schmidt ohne Landesbeteiligung gewesen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Wulffs Exsprecher Olaf Glaeseker: Für Sponsorenwerbung soll er gratis bei Veranstalter Schmidt geurlaubt haben.

McAllisters Regierung: Unter Wulffs Nachfolger fand kein "Nord-Süd-Dialog" mehr statt. McAllisters Regierung hat eine Landesbeteiligung aber abgestritten, bis die Ermittlungen gegen Glaeseker bekannt wurden. Die Opposition unterstellt, man wolle Wulff mit "Halbwahrheiten" schützen, statt aufzuklären.

McAllister lehnt sich im Messeflur an die Wand, die Arme verschränkt, Beine leicht gespreizt. Ein NDR-Journalist interviewt ihn zur einer Umfrage. Rot-Grün liegt vorn. Aber die CDU ist stärkste Kraft, die große Mehrheit ist mit seiner Arbeit zufrieden, knapp 80 Prozent meinen, die Wulff-Affäre beeinflusse ihre Wahlentscheidung nicht. Die Infektion findet offenbar nicht statt. Routiniert erzählt McAllister von "Momentaufnahmen", bis zur Wahl könne viel passieren, bescheinigt der darniederliegenden FDP Wirtschaftskompetenz. Die Freidemokraten braucht er 2013.

Gerader Rücken, fester Blick

Seine Art kommt an im Land. Anders als der steife und ungelenke Wulff ist McAllister schlagfertig, schnell, immer für einen Witz gut. Und für das ironische Spiel mit seiner jungenhaften Art. McAllister, Spitzname Mac, Heavy User von McDonald's (Mac über Mac), schüttelt eine Hand nach der anderen. Hey, Gudrun. Ach, die Janine. Gerader Rücken - der Steiß -, fester Blick in die Augen. Er gibt auch dem 50. Anhänger das Gefühl, wichtig zu sein.

Wenn man ihn zwischen zwei Hallen auf Wulff, Glaeseker und deren Prominententreffen anspricht, tut McAllister sie als unbedeutend ab. "Es gibt im Moment keine Erkenntnisse darüber, dass es weitere Beteiligungen des Landes am Nord-Süd-Dialog gab", sagt er. Und: "Die Menschen interessieren sich stärker für Themen, die sie heute betreffen, als für alte Geschichten." Er sei mit Blick auf 2013 sehr gelassen. Das Heute zählt, nicht das Gestern.

McAllisters Coolness, wenn sie echt ist, teilen nicht alle in der CDU. Niemand will sich offen zitieren lassen, aber hinter vorgehaltener Hand nennen Fraktionsmitglieder die Affäre ein "Riesenproblem". Je länger die Debatte dauere, desto schlechter für die Partei. Und den Christdemokraten ist klar, dass ihr Spitzenmann sich bewähren muss: "McAllister ist in der Verantwortung", sagt ein Stratege. "Das kann für uns nur gut ausgehen, wenn wir uns nicht wegducken, sondern aufklären."

Für die CDU in Niedersachsen geht es auch um die Loslösung von einem Erfolgsmodell. Es drohe, sagt ein erfahrener Parteimann, "die Entwertung der eigenen Vergangenheit." Wulff, das waren gute Zeiten für die CDU. Die Regierungsübernahme nach 13 Jahren Opposition. Die Niederlage des Porsche-Konzern, der das Heiligtum VW übernehmen wollte. Genug Jobs. Die erste türkischstämmige Integrationsministerin. All das war Wulff. Die Partei habe dem Exministerpräsidenten "jahrelang gehuldigt", sagt der Mann. "Der CDU fehlt jetzt die Orientierung."

Noch Anfang Dezember echauffierte sich McAllister im Parlament geradezu, als ein Linkspartei-Abgeordneter über Wulffs Vergnügungsreisen und Tanzbälle lästerte. Seit einiger Zeit ist er vorsichtiger geworden. Und betonte in einem Interview, er selbst mache Urlaub ja "an der Nordsee im Strandkorb". Er sichert sich ab, geht auf Distanz. So, wie es seine Art ist.

Normalerweise tritt McAllister die Glut schnell aus, bevor ein Brand entstehen kann. Als sich seine Agrarministerin Astrid Grotelüschen 2010 in eine Affäre um Tierquälerei und Lohndumping in der Putenmastindustrie verstrickte, flog sie schnell aus dem Kabinett. Als sich ein CDU-Abgeordneter 2005 in Luxushotels Presserabatte erschlich, musste er sofort sein Mandat niederlegen.

McAllister plant seine Parteikarriere sorgfältig, es gab bisher keine Brüche. Wenn er seine Wahl 2013 gewinnt, werden ihn viele in der Union anschauen, wenn es irgendwann um die Nachfolge Merkels als Parteivorsitzende geht.

Die Wulff/Glaeseker-Affäre aber ist anders. McAllister hat die Vergangenheit nicht in der Hand. Alles ist alt, alles ist geschehen - aber ist alles bekannt?

Wie schnell in einer solchen Situation Fehler passieren, führte letzte Woche Hartmut Möllring vor, Finanzminister und McAllisters wichtigster Mann im Kabinett. Er hatte intern für eine scharfe Vorwärtsverteidigung für Wulff plädiert. Im Plenum bekräftigte er am Donnerstag, der Nord-Süd-Dialog sei eine reine Privatveranstaltung, das Land habe sich nicht beteiligt. Am gleichen Tag lief die Nachricht über die Ticker, die Staatsanwaltschaft ermittle gegen Glaeseker. Zeitungen berichteten über zwei Beteiligungen. Möllring fluchte, er fühle sich "beschissen" - und musste sich korrigieren.

Die Stimmung kippt

In der CDU hat dies für Aufruhr gesorgt. In der Fraktion kippte die Stimmung. Seit der Razzia bei Glaeseker fragen sich nicht wenige, ob die Vorwürfe gegen Wulff nicht doch Substanz haben könnten. Sich voll hinter Wulff zu stellen sei "strategisch saumäßig angelegt" gewesen, sagen langjährige CDU-Mitglieder.

Bisher ist die offizielle Linie der CDU-Spitze um McAllister, dass Glaeseker allein verantwortlich gewesen sei, Wulff also kein direkter Vorwurf treffe. Doch in der Partei wächst der Zweifel, ob die Einzeltäterthese zu halten ist, die Möllring und die Staatskanzlei zu etablieren versuchen. "Eine Einheit" seien Wulff und sein langjähriger Sprecher gewesen, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Auf der Grünen Woche schiebt sich McAllister jetzt durch das Gewühl des Niedersachsen-Abends. Auf der Bühne spielen Jagdhornbläser auf, die Leute stehen dicht gedrängt. Dann ist McAllister dran. Er werde ja, ruft er, heute auch von Journalisten begleitet - die "lieben Freunde" könnten sich ja vorstellen, warum das so sei. Er grinst.

Kurze Zeit später hebt er an: "Aus Niedersachsen kommt jede zweite Kartoffel, jedes zweite Masthähnchen, jedes dritte Frühstücksei und, jawoll, liebe Freunde, jedes dritte Schwein ist ein Niedersachse!" Großes Juchhei in der Halle, McAllister schmunzelt.

Sofort entsteht im Kopf die Assoziation, da erteile ein der Ironie nicht abgeneigter Spitzenpolitiker einen Seitenhieb. Ist da etwa Wulff gemeint? Später, wieder im Gedränge, streitet McAllister jede Doppelbödigkeit energisch ab, zieht seine Redenotizen aus der Sakkotasche. Den Satz hat er handschriftlich geändert, Möllring habe ihm den Tipp im Zug geben, erzählt er. Wenn er nur sage, jedes dritte Schwein komme aus Niedersachsen, lache niemand.

Eine Petitesse, eigentlich, und man ist geneigt, dem Ministerpräsidenten zu glauben. Doch allein die aufgeregte Diskussion, die sich an dieser Kleinigkeit mit ihm und seinem Pressesprecher entzündet, belegt: Ganz so gelassen sieht David McAllister die Kapriolen seines Vorgängers nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.