Debatte Europa: Nur der Ouzo würde billiger

Griechenlands Ausstieg aus dem Euro wäre fatal – Europa gehört jetzt zur Wirtschaftsunion ausgebaut. Die Medien haben die Ignoranz gegen Griechenland befeuert.

Griechenland braucht Hilfe – sonst verelendet die Wirtschaft. Bild: Börkur Sigurbjörnsson | CC-BY

Mitgliedsländer, die ihre Staatsschulden nicht mehr aus eigener Kraft bedienen können, sollten aus der Eurozone aussteigen, forderte jüngst Thilo Bode in der taz. Für Griechenland hieße das, die Drachme würde wieder eingeführt und eine scheinbar souveräne Notenbank etabliert.

Geteilt wird diese Auffassung vom Ifo-Chef Hans-Werner Sinn, dem selbsternannten D-Mark-Retter, Hans-Olaf Henkel sowie den Dauerklägern vor dem Bundesverfassungsgericht, Wilhelm Hankel und Joachim Starbatty.

Ärgerlich sind die naiven Vorstellungen, die über die angeblich segensreichen Wirkungen einer frei schwankenden Drachme verbreitet werden. Wie soll Griechenland mit seiner strukturell schwachen Exportwirtschaft denn wettbewerbsfähig werden? Wie soll die abgewertete Drachme zu innovativen Produkten für den Export führen?

Letztlich verbilligt sie nur die alte Produktpalette. Wahrscheinlicher ist, dass Griechenland damit zu einer dauerhaften Elendsökonomie mit Hilfe aus dem EU-Gemeinschaftshaushalt verurteilt würde.

Der Ouzo würde billiger

Die Wechselkursmechanik, mit der Bode argumentiert, gehört ins Vorglobalisierungszeitalter. Selbst in international hochgradig konkurrenzfähigen Ländern wie Deutschland hätten Wechselkurse kaum Einfluss auf die Exportstärke: Da zählen die Qualität der Produkte und deren Innovationskraft. Übersehen wird auch der Einfluss der Spekulanten auf die Entwicklung der Wechselkurse. Eine massive Abwertung der griechischen Drachme wäre allein zum Vorteil der Touristen, für die der Ouzo dann spottbillig wäre. Für die Griechen dagegen würden viele Importprodukte unbezahlbar.

Auch die EU-Rettungsschirme kommen bei Bode nicht gut weg. Folgt man seinem neoklassischen Staatspessimismus, schaffen sie nur Anreize, "weiter Schulden zu machen und damit die gefährliche Dynamik der starren Wechselkurse zu verstetigen".

Weniger vornehm bedienen die Massenblätter die Stammtische mit vergleichbaren Vorwürfen: Dort wird behauptet, sie förderten eine Abzockerei zulasten des deutschen Steuerzahlers. Die Frage, was diesen ein Zerfall der Eurozone kosten würde, bleibt unbeantwortet. Um sich selbst zu widerlegen, hätte Thilo Bode nur zum jüngsten Länderreport der OECD für Griechenland greifen müssen. Dort werden die intensiven Sparbemühungen der griechischen Regierung gelobt und die medial gezüchtete Ignoranz in vielen Euroländern wird kritisiert.

Eine Reform ist unerlässlich

Richtig ist, dass mit dieser Austeritätspolitik in souveräne Staaten eingegriffen wird. Aber eine durchgreifende Reform von Staat und Wirtschaft dieser Länder ist unerlässlich. Ärgerlich ist, dass diese Sanierungspolitik, die massive soziale Proteste provoziert, auch noch die Gesamtwirtschaft belastet. Eine neue Studie des Internationalen Währungsfonds belegt, dass kurzfristige fiskalische Restriktionspolitik die gesamtwirtschaftliche Produktion schwächt. Warum kritisiert Bode diesen Aderlass nicht, den die "Retterstaaten" ausgelöst haben?

Was Griechenland jetzt braucht, ist ein Marshallplan, um die Wirtschaft auch im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen aufzubauen sowie die Infrastruktur zu stärken: Ein solches mittelfristiges Sanierungskonzept würde dem Land helfen, sich aus der aktuellen Schuldenfalle zu befreien. Griechenland seinerseits muss seine – auch immer korruptionsanfällige – Bürokratie abbauen sowie die effektive Besteuerung der Vermögenden und Einkommensstarken durchsetzen.

Rettungsschirme sind richtig

Die europäischen Rettungsschirme haben zwei Funktionen: Zum einen wird damit bitter notwendige Zeit gekauft, zum anderen erfolgt eine Abschottung gegenüber den Spekulanten auf den Kapitalmärkten. Sicherlich führt das unzureichend koordinierte Krisenmanagement der EU zu kostentreibenden Verzögerungen. Auch sind die Banken und Versicherungen bei den Regelungen zur Beteiligung der Gläubiger viel zu gut weggekommen. Aber müsste Griechenland die in diesem Jahr fälligen Staatsanleihen im Umfang von über 30 Milliarden über die Kapitalmärkte finanzieren, würden Spekulanten die Kosten ins Unbezahlbare treiben.

Ein Schuldenschnitt würde eine politisch gewollte Teilenteignung der Gläubiger - vor allem aus der Finanzbranche - erzwingen. Die aktuelle Eurokrise mit Belastungen der Börsen lehrt auch, dass die rein spekulativen Instrumente wie nicht gedeckte Leerverkäufe sowie der Handel mit Kreditausfallversicherungen, hinter denen nicht einmal ein faktischer Kredit steht, verboten werden müssen.

Gründungsfehler des Euros

Was jetzt passiert, geht allerdings auf die schweren Gründungsfehler der Euro-Währung durch Kohl und Mitterand im Maastrichter Vertrag zurück: Da wurden bei völlig unterschiedlichen monetären und realökonomischen Bedingungen in weniger als acht Jahren die Wechselkurse zum 1. 1. 1999 "unwiderruflich" fixiert. Die damalige Illusion von der wachsenden Konvergenz durch die Währungsunion ist geplatzt, die Spaltung im Euroland eingetreten. Der Vertrag sah den Fall von insolventen Krisenländern nicht vor: Es galt die eiserne Regel, dass keinem Land geholfen werde dürfe. Jetzt erzwingt die tiefe Systemkrise des Euro einen brutalen, von unterschiedlichen Interessen getriebenen Lernprozess.

Gelernt wird, dass die Währungsunion zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut und in eine Fiskal- und Wirtschaftsunion eingebettet werden muss. Sollte dieses Projekt nicht vorankommen, dann würde der schrittweise Rauswurfs von Ländern aus der Euro-Zone wohl unvermeidbar. Einem Dominoeffekt vergleichbar würde das Euroland dann auf einen Kern von Hartwährungsländern um Deutschland herum schrumpfen. Dann droht der EU eine extrem gefährliche Renationalisierung.

In einem entscheidenden Punkt, der die demokratisch-parlamentarische Basis der EU betrifft, hat Thilo Bode aber recht: Die richtige Antwort auf die aktuelle Krise wäre daher, Europa zu einer echten politischen, sozialen und ökologischen Union auszubauen. Dazu gehört die Übertragung von bisher nationalstaatlichen Kompetenzen in die Verantwortung einer zukunftsfähigen EU.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Das finden Sie gut? Bereits 5 Euro monatlich helfen, taz.de auch weiterhin frei zugänglich zu halten. Für alle.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.