Debatte Finanzkasino: Das Privileg des Dollars

Seit 1980 ist der US-Außenhandel ständig im Defizit. Das ist nicht schlimm – denn die USA sind nicht Griechenland. Trump hat das nicht verstanden.

Ein Bild vom Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung, Robert Morris, ist auf der Vorderseite von einem 1000 Dollar-Schein

Gibt es sogar als 1.000er: den US-Dollar Foto: ap

Sind Defizite schlimm? Diese Frage beschäftigt wieder mal die Welt, denn US-Präsident Donald Trump will an diesem Freitag Strafzölle für Stahl und Aluminium einführen. Sein Ziel: die Defizite im amerikanischen Außenhandel zu senken, die sich allein im Jahr 2017 auf 566 Milliarden Dollar beliefen.

Das ist ohne Frage eine stolze Summe. Sie entspricht etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung von Argentinien – oder dem Volkseinkommen der 86 ärmsten und kleinsten Länder dieser Welt.

Trotzdem überrascht Trumps Hektik, denn dass die USA enorme Schulden im Ausland aufhäufen, ist nicht neu. Seit 1980 ist der Außenhandel permanent im Defizit. Trotzdem ging es den Vereinigten Staaten bisher bestens damit, munter zu importieren und „über die eigene Verhältnisse“ zu leben.

Schulden sind eben nicht gleich Schulden. Wichtig ist, wer sie macht: Die USA sind nicht Griechenland. Die USA genießen ein „exorbitantes Privileg“, wie sich schon 1960 der spätere französische Präsident Giscard d’Estaing beschwerte: Der Dollar ist die globale Leitwährung. Jeder will ihn haben – aber nur die USA können ihn „drucken“. Die Amerikaner werden dadurch automatisch reicher, weil sie auf Kosten der restlichen Welt konsumieren können.

Der Drang zum Dollar hat mehrere Gesichter. In vielen Ländern Südamerikas und Afrikas dient er als faktische Zweitwährung, weil sich die Bürger gegen die heimische Inflation absichern wollen. Wie die US-Notenbank Fed schätzt, sind 1,3 Billionen Dollar außer Landes unterwegs, um vor Ort als Zahlungsmittel zu dienen: Drei Viertel aller 100-Dollar-Scheine zirkulieren nicht in den USA.

Die ganze Welt will Dollar besitzen

Zudem dient der Dollar als globale Recheneinheit. Weltweit stellen Exporteure ihre Rechnungen in Dollar aus, auch wenn sie ihre Waren nicht in die USA verkaufen, sondern in ein anderes Land. Südkorea und Thailand rechnen über 80 Prozent ihrer Ausfuhren in Dollar ab, obwohl nur etwa 20 Prozent in die Vereinigten Staaten gehen. Australische Exporte lauten zu 70 Prozent auf Dollar, obwohl weniger als 6 Prozent für die USA bestimmt sind. Öl wird ebenfalls generell in Dollar verkauft, egal an wen.

Nur wer Dollar hat, fühlt sich sicher: Viele Zentralbanken decken sich mit US-Staatsanleihen ein, damit sie ihre Währung verteidigen können, falls die internationalen Finanzanleger Panik schieben. Selbst eher arme Schwellenländer wie Thailand versuchen, einen Exportüberschuss zu erzielen, damit sie Dollar horten können.

Die Konsequenz ist trivial: Solange der Dollar die weltweite Leitwährung ist, müssen die USA ein Defizit im Außenhandel aufweisen. Die ganze Welt will Dollar besitzen – aber die lassen sich nur verdienen, indem man Waren an die USA verkauft.

Trump verwechselt seine Rolle: Er ist Präsident der USA, verhält sich aber, als wäre er das Oberhaupt von Griechenland

Die USA machen also ständig Schulden beim Rest der Welt, doch dies ist kein Problem – jedenfalls nicht für die USA. Denn niemand denkt an Rückzahlung. Solange die Weltwirtschaft wächst, werden neue Dollars gebraucht und die Amerikaner können weiter Schulden machen. Faktisch bekommen die USA permanent Waren geschenkt.

Trump verwechselt daher seine Rolle: Er ist Präsident der USA, verhält sich aber, als wäre er das Oberhaupt von Griechenland. Für die Griechen war es tatsächlich schädlich, dass sie jahrelang riesige Defizite im Außenhandel aufgehäuft haben.

Im Frühjahr 2010 begann die Eurokrise, weil endgültig auffiel, dass Griechenland überschuldet ist. Bis heute wird der Eindruck erzeugt, als hätte es sich vor allem um eine „Staatsschuldenkrise“ gehandelt. Doch tatsächlich lag das Problem woanders: Griechenland hatte zu viele Schulden im Ausland.

Die griechischen Staatsschulden waren eher harmlos: Im Frühjahr 2010 betrugen sie rund 95 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist hoch, aber keinesfalls sensationell. Die deutschen Schulden lagen damals bei etwa 80 Prozent der Wirtschaftsleistung – und Japan kam auf rasante 210 Prozent. Trotzdem ist Japan bis heute nicht pleite.

Europa denkt zu wenig über Defizite nach

Der wesentliche Unterschied: Japan ist vor allem bei seinen eigenen Bürgern verschuldet, aber nicht im Ausland. Japan wirtschaftet von einer Tasche in die andere. Statt die Einwohner höher zu besteuern, nimmt der Staat Kredite auf, für die die Bürger geradestehen. Dieser Kreisverkehr ist endlos möglich.

Ganz anders lief es in Griechenland, das selbst existenzielle Güter importieren muss. Nicht nur Öl, auch Medikamente und Lebensmittel werden aus dem Ausland eingeführt. Hinzu kommen viele Konsumgüter – vom Auto bis zum Smartphone. Das griechische Defizit im Außenhandel erreichte 2008 dramatische 15 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Deutsche und französische Banken erkannten verspätet, dass die Griechen ihre Auslandsschulden niemals abbauen oder zurückzahlen würden. Im Frühjahr 2010 gewährten die ausländischen Gläubiger daher keine weiteren Kredite mehr. Griechenland rutschte in die Pleite, die Eurokrise begann.

Acht Jahre später befinden sich die Griechen noch immer unter dem europäischen Rettungsschirm, doch ab August sollen sie sich wieder selbstständig finanzieren. Zweifel sind angebracht, ob dies funktionieren wird. Denn bis heute wurde kein Konzept erarbeitet, um die zentrale Frage zu beantworten: Wovon soll Griechenland leben? Die Einnahmen aus dem Tourismus reichen auf Dauer nicht, um die nötigen Importe zu finanzieren. Es wäre für die Griechen beispielsweise wichtig, Ölimporte durch heimische Wind- und Sonnenenergie zu ersetzen. Aber für großflächige Initiativen fehlt das Geld, und die Eurozone stellt kaum Mittel zur Verfügung.

Die Lage ist also verworren: US-Präsident Trump startet einen Handelskrieg, der sein Land ärmer, nicht reicher machen dürfte. Umgekehrt denkt die Eurozone viel zu wenig über die Defizite und Überschüsse nach, die zwischen ihren Mitgliedsländern entstehen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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