Debatte Iran: Im Schatten der Bombe

Vielleicht ist es die letzte Gelegenheit, einen Krieg abzuwenden zwischen Israel und dem Iran. Am Mittwoch wird in Bagdad erneut über das iranische Atomprogramm verhandelt.

Wird Ajatollah Ali Chamenei sich den äußeren Zwängen beugen und im Atomkonflikt einlenken? Die erste Runde der Verhandlungen in Istanbul am 14. und 15. April hatte keine konkreten Ergebnisse gebracht. Doch immerhin herrschte, wie die Beteiligten bestätigten, eine „friedlich-freundliche Atmosphäre“. Die EU-Außenbeauftragte Kathrin Ashton sagte, die Gespräche seien „konstruktiv und nützlich“ gewesen.

Nun steht die zweite Runde bevor. Sie wird am 23. Mai in Bagdad stattfinden. Es sei die letzte Chance, mögliche Militärschläge Israels gegen iranische Atomanlagen abzuwenden, warnen Vertreter des Westens.

Tatsächlich ist die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung sehr groß. Denn schaut man sich die Positionen der Kontrahenten an, scheint eine kurzfristige Lösung kaum denkbar. Zwar hat der Iran Kompromissbereitschaft signalisiert. Teheran werde die Produktion von auf 20 Prozent angereichertem Uran für einen Forschungsreaktor einstellen, aber erst dann, wenn genügend davon gelagert sei, sagte der Direktor der iranischen Atombehörde, Freidun Abbasi.

Kontrolleure brauchen Zugang

BAHMAN NIRUMAND ist 1936 in Teheran geboren und arbeitet als Publizist. Er war in der Studentenbewegung von 1968 aktiv und erlebte die iranische Revolution 1979 vor Ort. Zuletzt schrieb Nirumand an dieser Stelle über die inneren Konflikte in Iran.

Das könnte ein erster Schritt zur Annäherung sein. Nur ist es nicht klar, ob Abbasis Äußerung die offizielle Position Irans widerspiegelt. Bereits am nächsten Tag lehnte Präsident Mahmud Ahmadinedschad jeglichen Verzicht Irans auf sein Nuklearprogramm ab. „Jeder, der die Rechte des iranischen Volks verletzt, wird auf seinen Platz verwiesen“, sagte er.

Auch der Westen ist Iran um einen wichtigen Schritt näher gekommen. Anfang April sandte Barack Obama ein Schreiben an Chamenei, in dem er dem Revolutionsführer signalisierte, die USA könnten ein ziviles iranisches Atomprogramm akzeptieren. Allerdings müsste Teheran nachweisen, dass es auf keinen Fall Atomwaffen anstrebe.

Wie sollte Iran aber etwas nachweisen, was nach iranischer Darstellung nicht existiert? Indem Iran die Forderungen des Westens akzeptiert, lautet die Antwort. Um welche Forderungen es sich handelt, machte New York Times Anfang April bekannt. Teheran solle die unterirdische Atomanlage Fordo sofort schließen und die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent endgültig stoppen. Die bereits bestehenden Vorräte an diesem sollen außer Landes gebracht werden.

Zudem solle Teheran das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das unangemeldete Kontrollen der Internationalen Atombehörde (IAEA) zu jeder Zeit und an jedem Ort erlaubt, akzeptieren. Auch Militäranlagen wie Parschin in der Nähe von Teheran, sollen für Inspekteure offen stehen. Die IAEA müsste auch Zugang haben zu Atomwissenschaftlern und Mitarbeitern des Atomprogramms, zu Dokumenten und unveröffentlichten Informationen.

Israel geht noch einen Schritt weiter. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte davor, Teheran könne die Gespräche dazu missbrauchen, „Zeit zu schinden und zu täuschen“. Teheran müsse die Urananreicherung gänzlich einstellen, bereits angereichertes Uran beseitigen und die Anreicherungsanlage Fordo schließen. Es ist kaum vorstellbar, dass Teheran solche Forderungen akzeptiert. „Wir werden ihnen (den Verhandlungspartnern) sagen, dass wir kein Jota von unseren nuklearen Rechten abweichen werden“, sagte Ahmadinedschad.

Eine Front gegen Teheran

Dem Regime in Teheran geht es einzig und allein um den Erhalt der eigenen Macht. Dafür scheut es vor keinem Verbrechen zurück. Mehrere tausend Oppositionelle wurden seit Bestehen der Islamischen Republik, also seit 1979, hingerichtet. Aber das Regime wird nicht nur von innen, sondern auch von außen massiv bedroht. Entlang der iranischen Grenzen befinden sich US-Stützpunkte.

Im Persischen Golf wimmelt es von amerikanischen und britischen Kriegsschiffen. Längst haben die arabischen Golfstaaten, die vom Westen mit modernsten Waffen beliefert wurden, unter der Führung der USA eine Front gegen die Islamische Republik gebildet. Schließlich haben immer härtere Wirtschaftssanktionen das Land vor schier unüberwindbaren Probleme gestellt.

In dieser Situation ist es durchaus denkbar, dass radikale Kräfte im Iran zu der Überzeugung gelangen könnten, mit einer nuklearen Bewaffnung äußere Gefahren abwenden zu können. Ob aber das Regime sich tatsächlich dafür entschieden hat, ist eine offene Frage. Bis heute gibt es keinerlei Beweise dafür. Selbst sämtliche amerikanischen Geheimdienste haben gemeinsam 2007 und noch einmal vor wenigen Monaten erklärt, die Behauptung, Iran baue schon an der Bombe, ließe sich nicht nachweisen. Lassen sich aber allein aufgrund eines bloßen Verdachts harte Sanktionen, gar ein Krieg rechtfertigen?

Das Regime in Teheraner wird aber, wie es scheint, eher einen Krieg mit verheerenden Folgen in Kauf nehmen, als die genannten Forderungen des Westens zu akzeptieren. Denn bei größeren Zugeständnissen liefe es Gefahr, sein bereits stark beschädigtes Ansehen bei den eigenen Anhängern vollends zu verlieren. Seit Jahren predigt die Staatsführung, das Land werde sich niemals äußeren Zwängen beugen.

Das Regime versucht das Volk von der Notwendigkeit des Atomprogramms zu überzeugen. Seit Jahren wird gegen äußere Feinde Hass geschürt, ideologisch verbrämte Glaubensgrundsätze und Nationalgefühle werden propagiert und jede kritische Stimme im Keim erstickt, um die Massen bei der Stange zu halten. Aber auch die Argumente, die das Regime im Atomkonflikt vorbringt, sind nicht von der Hand zu weisen.

Die Interessen des Westens

Iran ist Mitglied des Atomwaffensperrvertrags und als solches dazu berechtigt, im eigenen Land Uran anzureichern und auch den Brennstoff für die friedliche Nutzung der Atomenergie herzustellen. Selbst den Gegnern des Regimes will nicht einleuchten, warum Pakistans Nuklearwaffenprogramm schweigend hingenommen wird, mit Indien neue Verträge zur Weiterentwicklung seines Atomprogramms geschlossen werden und auch Israel unwidersprochen und mit Hilfe des Westens sein Atomarsenal weiter ausbauen kann, Iran hingegen sein verbrieftes Recht untersagt wird.

Dabei hat keiner der genannten Staaten den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet. Soll Iran für seine Mitgliedschaft bestraft werden? Auch der Westen wird vermutlich Iran gegenüber keine größeren Zugeständnisse machen. Denn im Grunde geht es nicht um den Atomkonflikt, sondern um die Isolierung oder noch besser den Wechsel eines Regimes, das sich den geostrategischen und ökonomischen Interessen des Westens widersetzt.

Doch man sollte bedenken, dass ein Krieg das Regime nicht schwächen, sondern stärken und der Oppositionen erheblich schaden würde. Die Frage eines Regimewechsels sollte man aber dem iranischen Volk überlassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.