Debatte über Sicherheit im Fußball: Die Spirale dreht sich weiter

Von einer Eskalation der Gewalt im Fußball kann keine Rede sein. Doch die übertriebenen Erwartungen einiger Politiker und Funktionäre schürt Konfliktpotential.

Schalke: Fast schon paradiesische Zustände Bild: dpa

BERLIN taz | Bernd Heinen, Polizeifunktionär und Leiter des Nationalen Ausschusses Sport und Sicherheit, hatte nach einer kurzen Telefonpause gerade wieder das Podium des Fankongresses in Berlin erklommen, als es aus ihm herausplatzte. Vor dem Testspiel von Schalke beim 1. FC Köln sei es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Kölner, Schalker und Dortmunder Fans gekommen. Eine Person sei schwer verletzt worden und würde „die Nacht vielleicht nicht überleben“. Das hatte schon eine andere Qualität, als zu vermelden, dass jemand schwer verletzt sei.

Nicht alle der knapp 800 Teilnehmer des Kongresses am vergangenen Samstag in Berlin waren über die Nachricht derart geschockt, wie einige Medien danach suggerieren wollten, zu fad war der Beigeschmack von Heinens Auftritt. Die WAZ-Gruppe vermeldete den Vorfall bereits eine Stunde vor der Podiumsdiskussion. Die eigentliche Schlägerei fand gar zwei Stunden vorher statt.

Was die Teilnehmer beschäftigte, war vor allem der erwartete mediale Backlash im Falle eines Todes. Seit Jahren wird vom Fußball erwartet, er solle eine Insel der Glückseligkeit sein, mit Rollenvorbildern und gelebtem Fairplay. In dieswer Erwartung schwingt immer die Suggestion totaler Sicherheit mit. Von der verzerrten Wahrnehmung profitieren vor allem die „roten Sheriffs“ Boris Pistorius und Ralf Jäger, Landesinnenminister in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mit SPD-Parteibuch, die die Eindämmung der Gewalt im Fußball zu einem ihrer Hauptziele erklärt haben.

Und diese Linie soll möglichst fest im öffentlichen Diskurs verankert werden. Dabei kam es beispielsweise allein in Berlin am Kongress-Wochenende in Diskotheken zu zwei Vorfällen mit schweren oder lebensgefährlichen Verletzungen. So sieht die gesellschaftliche Realität aus, warum soll also gerade der Fußball die Ausnahme sein?

Auch Fanforscher Gunter Pilz gibt sich der Illusion totaler Sicherheit nicht hin. Im Interview mit der Hamburger Morgenpost relativierte er die Vorfälle und äußerte, dass es unrealistisch sei, davon auszugehen, dass es nie einen Toten geben werde. Im Vergleich zu den 80ern und 90ern lebe man gar „in einem Paradies“.

Nach dem Gießkannenprinzip

So verwundert es nicht, wenn der FC Schalke nach dem Gießkannenprinzip fast 500 Stadionverbote gegen Fans von Borussia Dortmund verhängt, um auf das letzte Ruhrpott-Derby zu reagieren, auch gegen Leute, die in Gelsenkirchen nicht einmal vor Ort waren. Oder wenn in Hannover acht Wohnungen durchsucht werden, aufgrund des bloßen Verdachts der Verwendung von Pyrotechnik beim Niedersachsen-Derby gegen Braunschweig. Der Fanhilfe Hannover, der Solidargemeinschaft von Fans, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, ist nicht einmal klar, ob es im konkreten Fall um „strafrechtlich relevante Tatvorwürfe“ geht.

War der Zeitpunkt der Schlägerei in Köln ein Zufall oder ein bewusstes Signal an den Fankongress? Fakt ist, dass es immer mehr kleine, aber gut organisierte Gruppen gibt, die sich dem Dialog mit Verbänden oder gar den Behörden konsequent verweigern.

Seitdem die Gespräche über die Legalisierung von Pyrotechnik vor zwei Jahren gescheitert sind, gab es für Fans ohnehin keine bahnbrechenden Verbesserungen mehr. Im Gegenteil: Nacktzelte, längere Stadionverbote und die Diskreditierung der Fanprojekte wie zuletzt die des Fanprojekts in Dresden nach dem Spiel gegen Bielefeld sind keine Entspannung. Die Zeichen stehen auf Eskalation und es hat den Anschein, als ob das beiden Seiten gelegen kommt.

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