Debatte um deutsche Kolonialgeschichte: Von Gebeinen und Leichen im Keller

Wie sollen Museen mit Leichenteilen umgehen? Die Grünen luden zu einem Gespräch über Kolonialismus und Erinnerungskultur ein.

Während eines Gedenkgottesdienstes der EKD und der namibischen Partnerkirchen in Berlin wurden diese Schädel gezeigt. Das Gedenken ist zur Erinnerung an die afrikanischen Opfer von Versklavung, Kolonialismus und rassistischer Gewalt.

Schädel in Vitrinen anlässlich der Rückgabe von Gebeinen nach Namibia Foto: Stefan Boness/imago

Zahlreiche Objekte befinden sich im Besitz deutscher Museen, deren Herkunft äußerst zweifelhaft ist. Über schleppende Restitutionsverfahren, über die Rückgabe geraubter Kunst an NS-Opfer gab es immer wieder erregte Diskussionen. Der spektakuläre Fall Gurlitt brachte zuletzt Bewegung in die Sache. Viele Institutionen sehen sich seither veranlasst, den rechtmäßigen Erwerb ihrer Sammlungsobjekte zu überprüfen – und nicht erst nach Anzeigen tätig zu werden.

Im Zuge solcher Debatten geriet auch die Phase des deutschen Kolonialismus bis 1918 stärker in den Fokus. Die dem Nationalsozialismus vorausgehenden wilhelminischen Rassenkundler hatten auch menschliche Gebeine in den Asservatenkammern ihrer Sammlungen eingelagert. Sie hätten gerne den Nachweis erbracht, dass das Gehirn eines Menschen aus Tansania im Durchschnitt kleiner sei als das eines stattlichen Europäers aus dem deutschen Kaiserreich.

Die Aktivisten Mnyaka Sururu Mboro und Christian Kopp von Berlin Postkolonial wiesen bei einem Fachgespräch der Grünen im Deutschen Bundestag darauf hin, dass sich immer noch Tausende Gebeine aus dieser Zeit in den Kellern der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) befänden. Darunter abgeschlagene Köpfe von Maji-Maji-Kämpfern. Sie seien nach dem fehlgeschlagenen Aufstand gegen das deutsche Kolonialregime im damaligen Deutsch-Ostfarika hingerichtet worden. Und bis heute seien die Köpfe nicht an die späteren Nachfahren oder den tansanischen Staat zurückgegeben worden.

Für Mnyaka Sururu Mboro wäre dies, inklusive eines offiziellen Schuldeingeständnisses einer deutschen Regierung, ein erster Akt, um die damaligen Vorgänge angemessen in Erinnerung zu rufen: in der Kolonialzeit begangene Verbrechen zum Teil einer erweiterten deutschen Erinnerungskultur werden zu lassen.

Die Erwerbskontexte sind oft unklar

Die grünen Politiker*innen Kirsten Kappert-Gonther und Erhard Grundl, die zu dem Fachgespräch geladen hatten, beabsichtigen genau dies. Sie wollen aus der Opposition heraus entsprechende Gesetzesinitiativen vorbereiten. Mit Leichenteilen und Gebeinen in musealen Kellern müsse endlich Schluss sein. Außerdem solle eine zentrale Institution zur Erforschung der Geschichte des deutschen Kolonialismus entstehen. So weit, so klar.

Doch weniger leicht stellte sich die Debatte dar, sofern es sich nicht um die Rückgabe von Fetischen oder menschlichen Gebeinen in den kolonialen Sammlungen drehte. Bei den kulturellen Artefakten wird es oftmals wesentlich komplizierter. Die Erwerbskontexte und ihr rechtlicher Status sind oft völlig unklar.

Lars-Christian Koch, frisch berufener Direktor für die Sammlungen im Humboldt-Forum, stellte in dem Fachgespräch der Grünen seine Absicht dar, künftig einen Schwerpunkt auf die Erforschung von Erwerbskontexten und Herkunftsgeschichten der Objekte der Sammlungen zu legen.

Scharfe Kritik am Humboldt-Forum

Die öffentliche Kontextualisierung müsse selbstverständlich im Konzept der Ausstellungen des Humboldt-Forums beinhaltet sein. Einigen, darunter Bénédicte Savoy, ging das in der Diskussion erwartungsgemäß nicht weit genug. Sie berät den französischen Präsidenten und übte öffentlich scharfe Kritik am Humboldt-Forum. „Es muss alles zurückgegeben werden, was zurückverlangt wird“, sagt sie.

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Doch das klingt viel einfacher, als es in Wirklichkeit häufig ist. Sophie Schönberger, Juristin von der Universität Düsseldorf, erörterte ebenso wie Petra Olschowski, Staatssekretärin aus dem grünen Baden-Württemberg, konkrete verfahrensrechtliche Problematiken. „Nicht unproblematisch“, meint Schönberger, sei auch, dass sich mitunter ganze Gruppen von den jeweiligen Regierungen nicht repräsentiert sähen. Aspekte, die das Fachgespräch nur streifen konnte.

Doch vielleicht ist Savoys moralische Maximalforderung auch aus anderen Gründen gar nicht so sinnvoll. Statt über eine Re-Nationalisierung der Bestände könnte man auch über eine Errichtung transkontinentaler Museums- und Forschungsstrukturen nachdenken, die unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen und von den wohlhabenderen Gesellschaften stärker finanziert werden würden.

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