Debattenshow „Surrounded“ in den USA: 20 Faschisten und ein Liberaler
Die Youtube-Show „Surrounded“ lässt einen profilierten Meinungsträger gegen 20 andere debattieren. In der jüngsten Folge ging das gründlich schief.

Bei „Surrounded“ stellen sich einzelne Personen 20 Andersdenkenden und debattieren meist über eineinhalb Stunden über konstroverse Themen. In einer Show stellt sich ein Arzt 20 Impfgegnern, in einer anderen die misogyne Influencerin Candace Owen 20 Feministinnen und in der nächsten der rechte Polit-Aktivist Charlie Kirk sogar 25 „woke Students“. Jedes dieser Videos erreichte über fünf und viele sogar über 20 Millionen Aufrufe.
Die Show ist auf Skandale ausgelegt. Die Aussagen sind spitz, der Gegenspieler der Menge steht alleine da und wird durch Zwischenrufe und Applaus oder Buhrufe unterbrochen. Eine Chance für wirklichen Dialog gibt es selten, gewinnen kann die alleinstehende Person eigentlich nie. Es wundert also nicht, dass Jubilee aktiv versucht, extreme Positionen zu finden, was auch bei dem Video mit Mehdi Hasan auffällt.
Hasan ist ein liberaler Journalist, war Teil der britischen Nachrichtenwebsite The Intercept, hatte eine eigene Show bei Al-Jazeera und MSNBC und schreibt regelmäßig für den Guardian. Der israelischen Zeitung Haaretz sagt er: „Meine Politik wurzelt in der Gleichheit.“
Konsequenten für den selbst ernannten Faschisten
Auch deshalb hat er sich wahrscheinlich auf das Video von Jubilee eingelassen. Doch eine ernsthafte Diskussion unter Gleichen kam nicht zustande. Auf X schreibt Hasan: „Ich wusste nicht, dass es echte und bekennende Faschisten sein werden.“
Die Gespräche, die Hasan führte, drehten sich um die Verfassung, den Nutzen und Wert von Migranten für Amerika und die Waffenlieferungen der USA an Israel. Die Clips, die jedoch viral gegangen sind, meist mit mehreren Millionen Aufrufen auf den sozialen Medien, sind andere. In einem sagt ein Teilnehmer zu Hasan, dass die „komplette weiße Rasse“ in Amerika einen Genozid erleidet, in einem anderen erzählt eine Teilnehmerin zuerst, dass ihre Eltern Migranten seien, nur um im nächsten Moment zu sagen, dass sie nicht akzeptieren kann, dass „Migranten Amerikaner sind“. Das gesamte Surrounded-Video hat zum jetzigen Zeitpunkt 7 Millionen Aufrufe.
Kurz nach Veröffentlichung des Videos gab es dann Konsequenzen für den selbsternannten Faschisten. Er sei gefeuert worden und habe deshalb einen Fundraiser gestartet. In der Beschreibung steht: „Leider gibt es für vollkommen legale, traditionelle rechte politische Sichtweisen echte Konsequenzen.“ 30.000 Dollar sind so schon zusammengekommen.
Ein Kommentator unter dem Video spricht auch ein weiteres Problem an, das auch in Deutschland Debattenthema ist: „Jubilee, das ist nicht einmal mehr eine Debatte. Es ist purer Hass, den diese Menschen in ihren Herzen tragen. Diesen Menschen eine Plattform zu geben, ist für mich Wahnsinn.“
Lohnen sich solche Debatten?
Und auch Hasan äußert sich am Ende des Videos: „Freie Meinungsäußerung bedeutet nicht, dass man Menschen, die nicht an die Gleichheit aller Menschen glauben, Glaubwürdigkeit, Aufmerksamkeit oder eine Plattform geben muss.“ Welche Plattform sollte man solchen Meinungen geben? Sollte man das überhaupt? Und lohnen sich Debatten mit Menschen, die sich augenscheinlich so wohl in ihrer Rolle als Bösewicht fühlen und an keinerlei Debatte interessiert sind?
Mehdi Hasan reagiert auf X ebenfalls auf diese Vorwürfe, die auch an ihn gerichtet sind. Er hätte nicht gewusst, dass „Jubilee ne Menge Nazis einladen würden“ und dass die Show anders angepriesen wurde: „Man kann den Schock in meinem Gesicht sehen, als sie diese Sachen gesagt haben.“
Da es solche Kontroversen schon öfter bei Jubilee gab, verteidigte CEO Jason Lee in einem Interview mit einer Youtuberin seine Show. Er finde, dass sie nuancierte Meinungen darstellen wollen, damit sich die Zuschauer eine eigene Meinung bilden können, und dass „wir in einer gefährlicheren Welt leben würden, wenn zwei Individuen nicht mehr in einem Raum sitzen können und ein Gespräch führen können“.
In dem Gespräch zwischen Mehdi Hasan und einem anderen „far-right conservative“ sagt Hasan: „Ich bin ein Immigrant“ und bevor er seinen Satz beenden kann, fällt ihm der Rechtsextreme aggressiv ins Wort: „Verpiss dich von hier. Wir wollen dich hier nicht.“ Es wirkt, als würde der Recht gerne ganz andere Dinge mit Hasan machen als ein Gespräch führen. Wenn nur diese Kameras nicht da wären. Wieder klatschen die anderen Zuschauer.
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