Dekodierung von Johann Sebastian Bach: Was ist die Quersumme von 329?

Die Ausstellung „'B+A+C+H = 14': Bach und die Zahlen“ geht der umstrittenen Zahlensymbolik im Werk des Musikers nach.

Im Vordergrund: Bach. Im Hintergrund: 14 bedeutsschwangere Gestalten Bild: dpa

Schon einmal die Quersumme des eigenen Namens gebildet? Keine Ahnung, wovon die Rede ist? Das geht ganz einfach: Man nimmt die einzelnen Buchstaben seines Namens und ordnet ihnen nach dem natürlichen Zahlenalphabet einen Wert zu – A = 1, B = 2, C = 3 und so weiter. Die Zahlen rechnet man zusammen und erhält als Ergebnis die Quersumme. Aus „Boehme“ wird dann 2 + 14 + 5 + 8 + 12 + 5 = 46.

Was heute wie ein exzentrischer Zeitvertreib anmutet, gehörte zu Lebzeiten des Komponisten Johann Sebastian Bach zum allgemeinen Bildungsgut. Die Zahlensymbolik in der Bibel, insbesondere die der Offenbarung des Johannes, war Protestanten durchaus geläufig, und Zahlenalphabete dienten als Dekodierungshilfe.

Dass Bach selbst diese Symbolik allem Anschein nach ausgiebig für seine Musik nutzte, kann man in der Sonderausstellung „’B+A+C+H = 14‘: Bach und die Zahlen“ im Bachhaus Eisenach erfahren.

Wie der Titel verrät, ist die Quersumme des Namens Bach gleich 14. Um die Sache noch ein bisschen mysteriöser zu machen: Zählt man die Anfangsbuchstaben seiner Vornamen hinzu, dann ergibt sich als Quersumme von J. S. Bach die Zahl 41. 14 und 41, ob das ein Zufall ist?

„’B+A+C+H = 14‘: Bach und die Zahlen“. Bachhaus Eisenach, bis 9. November

Ein schillerndes, mitunter blendendes Thema

Kein Zufall jedenfalls ist, dass das Bachhaus das Jahr 2014 für die Ausstellung gewählt hat, zum 329. Geburtstag Bachs. Kleine Rechenaufgabe, um die Rätselhaftigkeit auf die Spitze zu treiben: Was ist die Quersumme aus 329, also das Resultat von 3 + 2 + 9?

Die Zahlensymbolik in Bachs Werk ist ein schillerndes, mitunter blendendes Thema. Hinter der nüchternen Arithmetik, die man in seinen komplex konstruierten Kompositionen – spätestens seit dem Bestseller „Gödel, Escher, Bach“ (1979) des Kognitionswissenschaftlers und Physikers Douglas R. Hofstadter – am Werk sieht, stellt sie eine weitere Bedeutungsebene in Aussicht.

Die Anzahl der Noten eines bestimmten Motivs, der Takte oder die Anzahl von Variationen in einer Komposition lassen sich alle zählen. Sie alle könnten einen versteckten Sinn enthalten – siehe die Zahl 14. Dieser spekulative Ansatz macht die Zahlensymbolik zugleich zu einem äußerst umstrittenen Feld der Bachforschung.

Gern wird die Zahlenmystik etwa in die Nähe der jüdischen Kabbala gerückt, in der Zahlen und die Zahlenwerte von Wörtern eine spezifische Rolle für die verborgene Struktur der Welt spielen.

Der Rätselkanon und die 14 Knöpfe

Als Begründer der Bach’schen „Zahlenanalyse“ gilt der evangelische Theologe und Bachexperte Friedrich Smend, der 1947 die These formulierte, Bach habe die Zahlen 14 und 41 ganz bewusst in seinem Werk verwendet. Seine Theorien stützen sich unter anderem auf zwei außermusikalische Indizien: den „Bach-Pokal“, ein Trinkglas aus dem Besitz des Komponisten, und ein Bach-Porträt von Elias Gottlob Haußmann.

Beide Objekte sind in der Dauerausstellung des Bachhauses zu sehen, das Porträt lediglich als Kopie. Da ist Bach mit einem Rock abgebildet, an dem sich genau 14 Knöpfe zählen lassen. In der Hand hält er ein Notenblatt mit einem „Rätselkanon“, der aus insgesamt 60 Noten besteht.

Mit ein wenig Fantasie lässt sich die Zahl 60 zu (1+7) + (41) + (4+7) gruppieren, wie Smend vorschlug. Er las aus diesen Zahlen die 41 als „Signatur“ Bachs und die übrigen Ziffern als die Jahreszahl 1747. Wie zur Bestätigung trat Bach im selben Jahr der „Correspondierenden Societät der musicalischen Wissenschaften“ bei, der ersten musikwissenschaftlichen Gesellschaft Deutschlands.

Von deren Mitgliedern wurde erwartet, dass sie bei ihrer Aufnahme ein Porträt beisteuerten. Wie Forschungen allerdings später ergaben, entstand der Kanon unabhängig vom Gemälde und kommt daher weder als Unterschrift noch als Datum in Frage.

Auch auf dem Bach-Pokal findet sich die Zahl 14. Das Trinkglas ist mit einem Bach-Monogramm mit 14 Punkten verziert. In der Widmung auf der Rückseite des Glases entdeckte Smend ebenfalls Hinweise auf Zahlenverstecke – beim Addieren der Anfangsbuchstaben der drei Textzeilen ergibt sich wieder eine 14.

Systematischer Übereifer

Die Ausstellung verschweigt dabei auch nicht die deutlich abwegigen Aspekte dieser Zählwut. Unter der Überschrift „Occulta“ versammelt sie Beispiele für systematischen Übereifer – der zugleich belegt, wie stark die Faszination des Themas auf Bachforscher wirken kann: So hat Bach angeblich mit der Zahl der Takte seiner Goldberg-Variationen sein eigenes Todesdatum vorhergesagt.

Die Zahl der Takte, die Bach mit Überschriften versah, beträgt 175, nimmt man die Variationen in Moll hinzu, ergibt sich 287. Gestorben ist Bach am 28. Juli 1750.

Esoterische Ausfälle wie dieser lassen sich, positiv gewendet, so verstehen, dass Bachs Werk die Fantasie einfach in ungeahntem Maße beflügeln kann. Das Insistieren darauf, Bach habe in seiner Musik nicht nur nichts dem Zufall überlassen, sondern sein Genie sogar auf das Formulieren chiffrierter Botschaften verwandt, braucht man nicht als zusätzlichen Beleg ihrer Kunstfertigkeit zu bestaunen.

Beim Hören muss man das ohnehin nicht wissen. Man kann diese Zahlenlehre aber als eine eigene Geschichte lesen, erzählt von Bachs Verehrern, die sich von ihm dazu haben anregen lassen. Das ist, bei aller Neigung zur Spinnerei, nicht die schlechteste Art der Würdigung.

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