Demo gegen Ostkreuz-Bebauungsplan: Rummel um die Bucht

Mit einer großen Demo wird am Donnerstag gegen den Bebauungsplan Ostkreuz protestiert. Anwohner fürchten steigende Mieten und Verdrängung.

Das Bild zeigt Botte auf einem Gewässer im Sonnenuntergang

Ein Rest Idylle an der Rummelsburger Bucht Foto: dpa

Menschen sitzen in der Abendsonne am Wasser, trinken Bier und reden, im Hintergrund ertönt Livemusik aus dem Biergarten. Selbst gebaute Hausflöße schunkeln auf dem Wasser – Szenen wie diese sind am Paul-und-Paula-Ufer an der Rummelsburger Bucht auch im sommerlichen Herbst zu beobachten.

Auf der über 30.000 Quadratmeter großen noch unentwickelten Fläche nahe dem Ostkreuz hat sich viel von dem rauen, alternativen Charme Berlins bewahrt.

Doch statt Wagenplatz, Kanuverleih und Kulturstätte sollen hier bald ein Aquarium, ein Hotel und hochpreisige Luxuswohnungen stehen. So sieht es zumindest der „Bebauungsplan Ostkreuz“ vor, den die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg am Donnerstag beschließen soll.

Kurz vor dem endgültigen Beschluss durch die BVV formiert sich jedoch Widerstand gegen den Bebauungsplan. Anwohner*innen und Vertreter*innen der Alternativ- und Subkultur kritisieren, die Neugestaltung des Geländes würde vor allem die Interessen der Investor*innen berücksichtigen, nicht die der Bür­ger*innen. Mit einer Demonstration am heutigen Donnerstag wollen sie Druck auf die Politik aufbauen, um den Plan noch zu kippen.

Die Gegenwart Die Brache wird derzeit genutzt vom Kultur-Biergarten „Rummels Bucht“, einem Anglerverein, einem Wagenplatz, einem Kanuverleih, drei Wohnhäusern und vielen Obdachlosen, die im Sommer hier kampieren.

Die Zukunft Geplant sind auf der Fläche unter anderem das Aquarium „Coral World“, für das der israelische Milliardär Benjamin Kahn 40 Millionen Euro investiert. Auch der angrenzende Grünstreifen soll durch „Coral World“ gestaltet und unterhalten werden. Zudem entstehen ein Hotel und mehrere Gewerbe- und Büroflächen. Insgesamt sind 6 Investoren beteiligt, darunter auch das umstrittene Immobilienunternehmen der Familie Padovicz.

Die Demonstration Am Donnerstag beginnt um 14 Uhr eine Demonstration der BebauungsgegnerInnen am Markgrafendamm vor dem Salon zur Wilden Renate und endet um 16.30 Uhr mit einer Kundgebung vor der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg an der Max-Taut-Schule in der Fischerstraße 36. Danach ist eine Straßenparty mit Musik bis 22 Uhr geplant. Die OrganisatorInnen fordern unter anderem günstigen Wohnraum, den Erhalt von Kultur- und Naturräumen sowie die Schaffung von Schul- und Kitaplätzen.

Jährlich eine Million Besucher

Mit dem Aquarium „Coral World“ soll ein Touristenmagnet entstehen, der jährlich eine halbe Million Besucher*innen anlocken soll. Ein Großteil der Fläche geht an private Investoren, die vor allem luxuriöse Eigentumswohnungen und Büroflächen planen. Geschätzt werden 500 neue Wohnungen entstehen, von denen aber nur 170 durch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge gebaut werden.

Beteiligt ist dafür unter anderem der für seine rabiaten Entmietungspraktiken bekannte Berliner Immobilienunternehmer Gijora Padovicz, dem bereits die drei bestehenden Wohnhäuser in der Hauptstraße 1G–I gehören. Im Zuge der Neugestaltung sind auch der Abriss dieser Gebäude und Neubau an deren Stelle geplant, die Mieter sollen umgesiedelt werden.

Florian Hackenberger, Mitorganisator der Demo, kritisiert: „Hier wird bestehender Wohnraum vernichtet und hochpreisiger geschaffen.“ Pikant ist, dass es sich bei dem 32.000 Quadratmeter großen Gelände um ein landeseigenes Grundstück handelt, das in einer der letzten Haushaltssitzungen des damals noch schwarz-roten Senats an die Investoren für einen Kaufpreis von insgesamt 20 Millionen Euro verkauft worden ist. „Ein lächerlicher Preis, gemessen an dem, was heute für Bauland ausgegeben wird“, so Hackenberger. Er ist selbst Anwohner und sieht die Entwicklung mit Sorge. Denn die Fläche sei einer der letzten naturnahen Räume, die an der Rummelsburger Bucht verblieben seien: „Hier gibt es sonst kaum noch Freiräume.“

Auch Alternativkultur bedroht

In den vergangenen Jahren sind rund um das Gewässer vor allem höherpreisige Eigentums- und Mietwohnungen entstanden. Die geplante Bebauung würde einen „Lückenschluss“ darstellen, der eine weitere Aufwertung der umliegenden Wohnquartiere nach sich ziehen würde.

Statt Kanuverleih und Kulturstätte sollen hier bald ein Aquarium, ein Hotel und Luxus-

wohnungen stehen

„Ein Eventtempel wie die Coral World setzt in der Gegend ein fatales Zeichen“, meint auch der stadtpolitische Kulturwissenschaftler Iver Ohm. Er fürchtet nicht nur die Schließung des Biergartens „Rummelsbucht“, einer beliebten Kulturstätte, sondern sieht mittelfristig auch Clubs wie die „Wilde Renate“ oder das „About Blank“ bedroht. „Wenn das so umgesetzt wird“, fürchtet Ohm, „ist der Drops für alles drum herum in den nächsten fünf bis zehn Jahren gelutscht.“

Bedroht fühlen sich auch die Haus­boot­besitzer*innen, die auf der Rummelsbucht einen Freiraum für alternative Lebensformen gefunden haben, darunter die schwimmende Wagenburg „Lummerland“ und die Kulturflöße „Panther Ray“ und „Anarche“. „Eine der letzten Oasen für alternatives Leben auf dem Wasser geht hier verloren“, fürchtet Gustav Schneider von der stadtpolitischen Initiative Spreepublik. Schon jetzt seien Liegeplätze kaum bezahlbar, zudem werde durch die Privatisierung der Uferflächen der Zugang zum Wasser weiter erschwert.

Schulplätze fehlen

Doch Kritik kommt nicht nur aus der alternativen Szene. Claudia Engelmann, Vorsitzende des Bezirks­elternausschusses der Schulen in Lichtenberg, beklagt, dass der Bebauungsplan keinen Schulneubau vorsieht, obwohl dem Bezirk derzeit 3.263 Schulplätze fehlen. Die örtliche Schule an der Victoriastadt sei derzeit schon voll ausgelastet, für die kommenden Jahre sei mit einer Überbelegung von bis zu 70 Prozent zu rechnen. „Es ist ein Trauerspiel, wie mit der Zukunft unserer Kinder umgegangen wird“, so Engelmann, Mutter zweier Kinder.

Bei den Entwicklungen rund um die Rummelsburger Bucht seien in der Vergangenheit nicht genügend Schul- und Kitaplätze geschaffen worden, um der wachsenden Einwohnerzahl gerecht zu werden. Die BVV hat sich mit der Bezirksverwaltung geeinigt, dem Bebauungsplan erst zuzustimmen, wenn ein Konzept für die Schulplatzfrage vorliegt.

Geprüft wird derzeit unter anderem der Neubau einer Schule und einer Kita in der Hauptstraße 8/9, fraglich ist, ob das ausreichen wird. „Auch nach der Vollendung der in den nächsten fünf Jahren geplanten Baumaßnahmen werden voraussichtlich immer noch mehr als 2.000 Schulplätze fehlen“, so Engelmann, die auch für die Linksfraktion in der BVV sitzt.

Baustadträtin Birgit Monteiro (SPD) begrüßt die Kritik und das Interesse der Bürger*innen am Bebauungsplan Ostkreuz. Doch müsse man „bestimmte Punkte dann diskutieren, wenn sie an der Tagesordnung sind“. Nach über 16 Jahren sei die Planungsphase beinahe abgeschlossen und entspreche den Vorgaben, die der Senat Anfang der 90er Jahre für die Entwicklung des Gebietes festgelegt hat.

Würde die BVV nicht zustimmen, „müssten alle Beteiligungsstufen wieder von vorne verlaufen“, so Monteiro. Das hätte wieder jahrelangen Stillstand zur Folge. „Viele Anwohnerinnen sind mit der derzeitigen Situation unzufrieden und wollen, dass da endlich was passiert.“

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