Demo gegen Überwachung: Zu Besuch beim Nachrichtendienst

Der Protest gegen die Überwachung ging am Montag in Berlin weiter. Zu einem Spaziergang um das neue BND-Gelände kommen aber nur 130 Leute.

Wer überwacht die Überwacher? Bild: Stefan Boness/ipon

BERLIN taz | Natürlich sind auch Drohnen dabei. Zwei Stück, um genau zu sein. Eine haben Mitglieder der Partei Die Partei aus Pappe gebastelt. Die andere ist ferngesteuert und surrt durch die Luft, um einen Blick hinter den Bauzahn zu erhaschen. Der ist aus Pressspanplatten, blickdicht, ist ja alles geheim.

Mitten in Berlin lässt der Bundesnachrichtendienst seine neue Zentrale bauen, die wollen sich rund 130 Leute anschauen. Zum „1. Großen BND-Spaziergang“ hat der Netzverein Digitale Gesellschaft eingeladen. Die Partei-Mitglieder, die am Montagabend gekommen sind, sind für Überwachung. Alle anderen dagegen.

„Geheimdienste hautnah erleben", unter diesem Motto wurde aufgerufen, und es gäbe auch Einiges zu entdecken hinter der bronzefarbenen Aluminiumfassade des riesigen kastenförmigen Gebäudkomplexes, in dem einmal um die 4.000 Agenten und Agentenhelfer arbeiten sollen. Aber hier hält das „touristische Berlin-Event der Extraklasse" nicht das, was es verspricht. Es ist keine Besichtigung, sondern eine Demo mit Pappkameras, bei der immerhin deutlich wird, gegen was eigentlich gegen demonstriert wird. Das ist ja nicht immer so.

„Zwölf Forderungen gegen die anlasslose Überwachung unserer Kommunikation" trägt eine Aktivistin vor. Einer der Punkte: das Recht auf Privatsphäre und Informelle Selbstbestimmung EU-weit „an erste Stelle zu rücken". Ein weiterer: „die Verletzung der Privatsphäre (...) wirtschaftlich und politisch zu sanktionieren". Den offenen Brief gleichen Inhalts haben online verschiedene Bürgerrechtsorganisationen und knapp 8000 Einzelpersonen unterzeichnet. Sind das viele Leute oder wenige? Sind die 130 Leute, die gekommen sind, viele oder wenige?

Zu Wohnungsbesichtigungen kommen mehr

„Es ist doch unfassbar, wie wenige Leute hier sind", schimpft ein Architekt, grauer Vollbart, Halbglatze. „Weniger als bei einer normalen Wohnungsbesichtigung!" Der Mann, der anonym bleiben will, ist einer der wenigen Demonstranten, der nicht schon sein halbes Leben online verbracht hat. Er trägt ein transparentes Plexiglasschild umher. Darauf steht: nichts. Protest ohne Worte.

In den 80ern habe er gegen das Atomkraftwerk Brokdorf demonstriert, erzählt der Mann. Lange sei er nicht mehr auf der Straße gewesen. Aber jetzt. Am Samstag war er schon bei der Anti-Überwachungs-Demo, aber da haben ihm zu viele Redner am Thema vorbeigeredet. Er hat versucht Freunde zum Mitkommen zu bewegen - erfolglos. Und das kann er einfach nicht verstehen. Dass es den Menschen der „Eingriff in die Freiheit" nicht zu stören scheint. Dass es sie nicht aufregt, „dass Frau Merkel die Grundrechte egal sind".

Jacob Appelbaum, Hacker und Internetaktivist aus den USA, der schon länger Ärger hat mit seiner Regierung, hingegen freut sich und knipst ein Foto mit einer einfachen Digitalkamera. Ein Smartphone benutzt er nicht – viel zu unsicher. Der 28-Jährige ist ganz begeistert davon, dass es hierzulande so ein großes Thema ist, wie NSA & Co. Daten sammeln. Er preist die wache Zivilgesellschaft in Deutschland, die Leute, die nicht nur gegen staatliche Überwachung sind, sondern sich überlegen, was man dagegen tun kann.

Die Digitale Gesellschaft will bald mal wieder beim BND vorbei schauen, sagt ihr Vorsitzender Markus Beckedahl. Und der Architekt mit dem transparenten Schild sagt, es gebe einfach keine Alternative, er werde bei der Bundestagswahl wohl die Piraten wählen. „Obwohl ich die bescheuert finde."

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