Demokratisierung in Birma: Suu Kyi verweigert Eidesformel

Wegen des Verfassungseids fehlen Oppositionsabgeordnete bei der Parlamentseröffnung. Die EU setzt die meisten ihrer Birma-Sanktionen vorläufig aus.

Das Parlament in Naypyitaw. Bild: dapd

BANGKOK taz | Der Zeitpunkt hätte kaum ungünstiger sein können: Ausgerechnet an dem Tag, an dem Birmas Reformkurs von der EU mit einer Aussetzung der meisten Sanktionen belohnt wird, vertieft sich im Land ein Zerwürfnis zwischen Opposition und Staatsführung.

Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und weitere Abgeordnete ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) haben drei Wochen nach ihrem klaren Sieg bei den Nachwahlen ihre erste Parlamentssitzung boykottiert.

Die NLD-Abgeordneten weigern sich, die vorgeschriebene Eidesformel auf die umstrittene Verfassung zu leisten. Statt die Verfassung zu „schützen“, hatten sie den Wortlaut durchsetzen wollen, diese nur zu „respektieren“. Für die NLD geht es dabei auch um Glaubwürdigkeit.

Bereits im Wahlkampf hatte die Partei erklärt, die Verfassung von 2008 ändern zu wollen. Diese sieht unter anderem vor, dass immer ein Viertel aller Abgeordnetensitze Militärs sein müssen und diese bei Verfassungsänderungen einen Sperrminorität haben, was die Macht der Militärs zementiert.

Wie der NLD-Boykott bei der Bevölkerung ankommt, ist noch unklar. Die WählerInnen hatten der NLD wie schon vor 22 Jahren ein klares Mandat erteilt: Sie wollen Suu Kyi und ihre NLD im Parlament sehen, auch wenn deren Handlungsspielraum mit nur 43 Sitzen gering ist. Den Wahlsieg der NLD von 1990 hatten die Generäle indes nie anerkannt.

„Bedingungslose Freilassung“ der politischen Gefangenen

Birmas Präsident und Exgeneral Thein Sein, der seit März 2011 einer „zivilen“ Regierung aus vielen Exmilitärs vorsteht, hat jetzt während einer Japan-Reise erklärt, die Eidesformel werde nicht verändert: Es sei an Suu Kyi, zu entscheiden, ob sie im Parlament sitzen wolle. Diese Gelassenheit täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass er Suu Kyi braucht, um seinen Reformkurs zu legitimieren. Auch hätte es ohne Beteiligung der NLD an den Nachwahlen sicher keine Aussetzung der meisten EU-Sanktionen gegeben.

Doch warum hat die EU ihre Entscheidung nicht vertagt, zumal niemand absehen kann, ob die Reformen tatsächlich unumkehrbar sind? Die Lage in Birma werde kontinuierlich überprüft, heißt es in der Erklärung der EU-Außenminister. Als weitere Schritte forderten sie eine „bedingungslose Freilassung“ der restlichen politischen Gefangenen, die Aufhebung aller Beschränkungen für bereits aus der Haft Entlassene und eine Lösung ethnischer Konflikte.

Die EU-Pläne, mit Ausnahme des Waffenembargos den größten Teil der Sanktionen auszusetzen, war schon letzte Woche durchgesickert. Westliche Firmen wollen endlich ungehindert Geschäfte mit dem einstigen Paria-Staat machen, der Ressourcen wie Öl, Gas, Edelsteine und Tropenhölzer besitzt.

Kritiker sehen das mit Sorge: Die Gefahr, das Regime könne sich nach den für 2015 geplanten Wahlen wie 1990 weigern, die Macht abzugeben, sei weiter real, so Hkun Tun Oo, führendes Mitglied der ethnischen Shan-Minderheit. Vor allem dann, wenn die NLD auch 2015 wieder so deutlich siegen sollte.

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