Demonstration gegen Nazis: Blockierter Spaziergang

Mit Sitzblockaden und einer offiziellen Kundgebung haben am Samstag in Kirchweye rund 500 Menschen gegen einen Aufmarsch Rechtsextremer im Ort protestiert.

Protest am Kirchweyer Bahnhof: Neonazis versuchen, den Tod von Daniel S. zu instrumentalisieren. Bild: Georg Kirsche

Als am Samstag etwa 40 Rechtsextreme im niedersächsischen Kirchweyhe ankamen, wurde es hektisch. Denn infolge einer Panne bei der Polizei kamen sie ausgerechnet auf dem Bahnsteig an, auf dem ihnen etwa 100 Gegendemonstranten ihnen den Weg versperrten. „Brenzlig“, nannte die Polizei die Situation. Am Ende blieb es friedlich – und die Neonazis weitgehend unter sich.

Zum Aufmarsch der Neonazis hatte die Partei „Die Rechte“ aufgerufen. Ihr Bundesvorsitzender Christian Worch hatte die Demonstration über das Verwaltungsgericht Hannover erstritten. Bereits zum dritten Mal versuchten die Neonazis am Samstag den Tod des 25-jährigen Daniel S. zu nutzen, um gegen „Ausländer“ zu hetzen und eine „Deutschenfeindlichkeit“ zu beklagen.

Daniel S. war am 10. März vor dem Bahnhof in Kirchweyhe zusammengeschlagen und getreten worden, nachdem er versucht haben soll, einen Streit zu schlichten. Er starb wenige Tage später an den Folgen seiner schweren Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft Verden wirft dem Hauptverdächtigen, dem 20-jährigen Cihan A., Mord aus Heimtücke und niederen Beweggründen vor. Seit der Tat wehrt sich Kirchweyhe gegen die Vereinnahmung durch die Rechten.

Seit Jahren versuchen Rechte Vorfälle wie den Tod des 25-jährigen Daniel politisch auszunutzen, um Stimmung gegen eine multikulturelle Gesellschaft zu machen.

Jetzt haben sie die Bürgerinitiative "Wir sind Daniel" gegründet, allerdings mit Sitz in Bremen.

An die 10.000 Flyer, in denen über den "Bürgermeister, Politikpfarrer" und die "politisch-mediale Klasse" gehetzt wird, wollen sie nach eigenen Angaben in der Region verteilt haben. "In Briefkästen wurden das Pamphlet auch gefunden", sagte ein Anwohner.

“Haut ab“ schallte es den Neonazis entgegen, kaum dass sie den Kirchweyher Bahnsteig betreten hatten. Die Polizisten schirmten Neonazis von Gegendemonstranten ab, denen es gelang, den einzigen Bahnsteig und den provisorische Schienenübergang knapp zwei Stunden zu blockieren. Schon vorher war der Zug der Rechten im nahe gelegenen Bassum aufgehalten worden. Der Protest wurde noch lauter, als die Rechten ihr Transparent mit der Forderung entrollten, einen Platz nach Daniel S. zu benennen. Unter Begleitung der Polizei mussten die Rechten vom Bahnsteig klettern und über die Gleise zum Ort ihrer Auftaktkundgebung gehen. „Das war nicht so geplant“, sagte ein Polizeipressesprecher vor Ort.

Weyhes Bürgermeister Frank Lemmermann (SPD) hatte die Blockierenden mehrmals auf Wunsch der Polizei gebeten, sich der offiziellen Kundgebung mit rund 400 Teilnehmern vor dem Bahnhof anzuschließen. Ohne Erfolg: „Nein, wir bleiben“, war die Antwort. Nach ihrer erfolgreichen Blockade durften sie dann allerdings nicht zum Bürgerfest kommen. Die Polizei hatte sie offiziell „des Landes“ verwiesen, also reisten sie ins nahe gelegene Bundesland Bremen ab.

Mitte März hatte die niedersächsische Gemeinde einen ersten Aufmarsch von Rechtsextremen juristisch verhindern können. Der Präventionsrat der Gemeinde, der „Runde Tisch gegen Rechts“ und der Integrationsrat hatten zu einer Mahnwache aufgerufen, um den Anwohnern einen öffentlichen Ort für ihre Anteilnahme zu bieten und den politischen Raum der Rechtsextremen einzuengen. Nach einem Rechtsstreit konnten die Rechtextremen am 24. März dann aber doch das erste Mal in Kirchweyhe aufmarschieren. An die 80 Rechte waren Worchs Aufruf damals gefolgt. 1.000 Menschen protestierten gegen sie.

Am Samstag hatte sich die Teilnehmzahl von rechts aber fast halbiert. Es kamen auch weniger Gegendemonstranten, aber ihr Protest war entschlossener: Eine Sitzblockade von etwa 20 Personen auf der Demo-Route verzögerte den Marsch erneut. Bis die Polizei die Blockade gewaltsam auflöste, mussten die Rechten Reden und Musik von der nahe gelegenen Gegenkundgebung mit anhören. „Die Rechtsextremisten missbrauchen den Tod des jungen Mannes für Propagandazwecke“, sagte der evangelische Pastor Holger Tietz.

2,5 Kilometer zogen die Rechten am Bahnhof vorbei durch den Ort. „Geht“ und „Lasst uns in Ruhe“, sagten Anwohner die an der Straße standen. Bei einer Zwischen- und Abschlusskundgebung erreichten die Redner Dieter Riefling und Thomas Wulff nur die eigenen Kameraden. Worch kündigte an, erneut auflaufen zu wollen.

“Wenn sie wieder kommen, protestieren wir auch wieder“, sagte Bürgermeister Lemmermann. „Erst waren die Rechten so an die 100, jetzt etwa 40, beim nächsten mal dann 20 und vielleicht kommt keiner mehr.“

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