Demonstrationen in Haiti: Die Rückkehr der Wut

Steine fliegen, Schüsse fallen: Gegen die Regierung des einstigen Hoffnungsträgers Martelly wächst Unmut. Zwei Drittel der Bevölkerung leben in Armut.

Demonstrant in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince: Das Foto des 2004 gestürzten Präsidenten Aritistide begleitet ihn. Bild: ap

SANTO DOMINGO taz | Die Demonstranten schwenken grüne Astzweige und die haitianische Staatsfahne, in Sprechchören rufen sie „Weg mit Martelly”. Seit Tagen demonstrieren wieder meist Jugendliche in den Straßen der Hauptstadt sowie den großen Städten des Landes und fordern den Rücktritt des derzeitigen Staatschefs Michel Martelly.

„Er bereichert sich und seine Freunde und wir bleiben arm” ruft ein Prostierer in das Objektiv des Kameramanns der haitianischen Tageszeitung Le Nouvelliste.

Gegendemonstranten, Anhänger des staatsmännisch gewordenen ehemaligen Musikers Martelly tauchen auf. Kurze Zeit später fliegen Steine, Schüsse sind zu hören. Die Antiaufruhrpolizei schießt mit Gummigeschossen und Tränengasgranaten in die mehrere Tausend zählende Personenansammlung. Mit einem Motorrad wird ein verletztes Mädchen ins Krankenhaus gefahren. Ein mit einer Schusswunde am Bein verletzter Mann wird davon getragen.

Nach Monaten relativer Ruhe im Armenhaus Lateinamerikas scheinen die Anhänger des 2004 gestürzten Ex-Staatspräsidenten Jean Bertrand Aristide wieder Zulauf zu bekommen. Noch immer leben über zwei Drittel der Bevölkerung in extremer Armut.

Luxushotels auf der einen, Slums auf der anderen Seite

„Wir kämpfen für bessere Lebensbedingungen”, sagt einer der Manifestanten. „Die Reichen in Petion-Ville lassen es sich gut gehen und wir in den Ghettos haben nichts.” Immer wieder lassen sie den Ex-Präsidenten Aristide hochleben.

Aber die Proteste beschränken sich nicht nur auf die haitianische Metropole. Auch in anderen Großstädten wie Cap-Haïtien, Gonaïves, Les Cayes, Jacmel mehren sich die Proteststimmen gegen die Zentralregierung, ihre Klientelpolitik und die Korruption.

Während in Port-au-Prince neue Häuser und Luxushotels gebaut werden, versinken die Slums und Armenregionen im Schlamm. Nach wie vor leben 170.000 Menschen, die nach dem Erdbeben im Januar 2010 obdachlos geworden waren, in provisorischen Zeltlagern, die vor fast vier Jahren errichtet worden sind.

Die Diskrepanz zwischen arm und reich ist besonders in Port-au-Prince deutlich mit seinen unzähligen Elendsvierteln, die im Dreck und Abfall versinken, auf der einen Seite und den chromblitzenden Nobelkarossen, in denen die Neureichen und die alt eingesessenen Geldeliten ihren Wohlstand zur Schau tragen, auf der anderen.

Aber nicht nur das schürt die Wut In der vergangenen Woche hat die einst von Jean-Bertrand Aristide mitbegründete Bewegung Fanmi Lavalas, „Erdrutsch-Familie”, ihren Parteikongress in der Hafenstadt Port-au-Paix abgehalten und diesen mit einer Demonstration abgeschlossen, bei der zur „nationalen Mobilisierung gegen die Regierung” aufgerufen wurde.

Im Januar kommenden Jahres stehen dem Land Senats- und Regionalwahlen bevor, die der 52-jährige Martelly schon mehrmals heraus gezögert hat, weil er befürchten muss, erneut keine parlamentarische Mehrheit zu finden.

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