Demos in Algerien: Punktsieg für die Machthaber

Ein immenses Polizeiaufgebot verhindert Demonstrationen für demokratische Reformen in Algier und anderen Städten. Doch die Opposition will weitermachen.

Bereits Ende Januar hatte es in Algiers Proteste gegeben. Die Polizei griff hart durch. Bild: dpa

MADRID taz | Diese Runde ging an das algerische Regime. Ein starkes Polizeiaufgebot verhinderte am Samstag in Algier eine Demonstration für demokratische Reformen und die Aufhebung des Ausnahmezustands. Aufgerufen hatte die Nationale Koordination für den Wandel und die Demokratie (CNCD), ein Bündnis aus unabhängigen Gewerkschaften, Oppositionsparteien, Menschenrechts- und Jugendorganisationen sowie Intellektuellen. Auch in Oran verhinderte die Staatsmacht Proteste gegen Präsident Bouteflika. In Tizi Ouzou und Bejaia in der Berberregion Kabylei kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei.

Bereits in der Nacht auf Samstag war es in Algier zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Oppositionellen und der Polizei gekommen, als sich mehrere hundert Menschen im Stadtzentrum trafen, um die Revolution in Ägypten zu feiern. "Nach Mubarak jetzt Bouteflika!", riefen sie. Am Morgen glich Algier einen Heerlager. Zwischen 25.000 und 30.000 Polizisten hatten das Zentrum besetzt und die Zufahrtsstraßen abgeriegelt. Der Bus- und Bahnverkehr aus den Vororten wurde unterbrochen.

Mehrere hundert Menschen wurden rund um den Platz des 1. Mai festgenommen. Dennoch wuchs die Menge auf 10.000 bis 15.000 Menschen an. Namhafte Künstler aus der Rapszene wurde mit Applaus begrüßt. Nicht so die Nummer 2 der verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS), Ali Belhadj. "Bärtige raus!" schalte es ihm entgegen.

Die Menschen skandierten die aus Tunesien und Ägypten bekannten Parole "Das Volk wird das Regime zum Einsturz bringen" und riefen: "One: Tunisie! Two: Egypte! Three: Vive l'Algérie!" Ein Ausbruch von etwa 2.000 Protestierenden aus dem Kessel war von kurzer Dauer. Der Polizei gelang es, die Menge erneut einzukreisen.

Die Veranstalter erklärten um 13 Uhr den gescheiterten Marsch für beendet, als eine Gruppe von Provokateure auftauchten "die wie in Ägypten vor wenigen Tagen aggressiv Präsident Bouteflika verteidigten", wie der Sprecher der CNCD und Vorsitzende der Menschenrechtsliga, Mustafa Bouchachi, am Telefon der taz berichtete.

"Wir werden es solange versuchen, bis wir endlich marschieren können", fügt er hinzu. Die CNCD wollte am Sonntagnachmittag ihr weiteres Vorgehen beraten. Das Oppositionsbündnis war im Januar entstanden, nachdem eine Erhöhung der Preise für Grundnahrungsmittel zu Jugendunruhen überall im Lande geführt hatten. Vorige Woche versprach Bouteflika eine baldige Aufhebung des seit 19 Jahren geltenden Ausnahmezustands.

"Die Demonstranten haben sich nicht provozieren lassen", sagte Said Sadi, Chef der Oppositionspartei RCD (Sammelbewegung für Kultur und Demokratie). "Wir werden Geschichte machen", sagte er und warnte: "Der Wandel wird kommen, friedlich oder im Chaos." Algerien erlebte in den neunziger Jahren einen Bürgerkrieg, der 200.000 Menschen das Leben kostete.

Auch aus den Reihen des Regimes werden Stimmen laut, die vor einem Ausharren um jeden Preis warnen: "Werden wir unsere Probleme mit den gleichen Akteuren zu lösen versuchen, die gescheitert sind? Muss noch mehr Blut fließen?", fragte vorige Woche Zohra Drif Bitat, Veteranin des antikolonialen Befreiungskriegs und Vizepräsidentin des Oberhauses des Parlaments .

Auch im Jemen setzten sich am Samstag die Proteste gegen Präsident Ali Abdallah Saleh fort. "Nach Mubarak ist Ali dran", riefen 4.000 Demonstranten, als sie von der Universität zum Tahrir-Platz in Sanaa zogen. Dieser war seit Freitag von 10.000 Anhängern Salehs besetzt, die die Kritiker am Betreten des Platzes hinderten. Am Sonntag löste die Polizei eine Demo von 2.000 Leuten gewaltsam auf. (mit afp)

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