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Der Bullshit-Wort-Check, Folge 5 „Brandmauer“ und „Die da oben“

Was taugen diese Begriffe für das Verständnis der Gegenwart? taz FUTURZWEI-Gastautorinnen testen Standards des politischen Sprechens. Heute: Armin Nassehi und Andrea Paluch.

taz FUTURZWEI | In der heutigen Folge in unserem „Bullshit-Wort-Checks“: ARMIN NASSEHI, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, analysiert den Begriff „Brandmauer“. ANDREA PALUCH schreibt Texte jeder Art und weiß, dass Demokratie Freiwillige braucht. Sie beneidet niemanden von „denen da oben“.

Brandmauer (Armin Nassehi)

Eine Brandmauer dient in Gebäuden dazu, dass Feuer und Rauch sich nicht von einem Gebäudeteil in einen anderen weiterverbreiten können. Sie sollte deshalb selbst aus unbrennbaren Materialien gefertigt sein, etwa Ziegelsteinen oder Beton. Als politische Metapher bezeichnen sie den politischen Willen demokratischer politischer Parteien, keine gemeinsame Sache mit Rechtsradikalen zu machen, derzeit namentlich mit jener Alternative, deren Sprechgewohnheiten mit steigenden Umfragewerten lodernder werden, um im Bilde zu bleiben.

Eine Brandmauer, also die bauliche, funktioniert übrigens in beide Richtungen – ähnlich wie ein Schott in einem Schiff. Es könnte sein, dass die politische Brandmauer weniger dazu dient, dass die lodernden Entsetzlichkeiten von jenseits der Brandmauer nicht herüberzüngeln, sondern die Brandmaurer davor schützen soll, selbst Teil der Zündler zu werden. Vielleicht bräuchte es gar keine Brandmauer, wenn niemand auch nur annähernd auf diese Idee käme und sich diejenigen im Diesseits mehr darum kümmerten, dass man ihnen folgen kann, diejenigen unterschiedlicher Couleur übrigens. Mögen dann die im Jenseits Brandopfer ihres eigenen Höllenfeuers werden. Und jetzt Schluss mit dem Metaphernfeuer!

Die aktuelle taz FUTURZWEI

taz FUTURZWEI N°28: Weiterdenken

Wer ist „Der kleine Mann“, wer sind „Die da oben“, wie geht „Weltretten“, wie ist man „auf Augenhöhe“ mit der „hart arbeitenden Bevölkerung“? Sind das Bullshit-Worte mit denen ein produktives Gespräch verhindert wird?

Über Sprache und Worte, die das Weiterdenken behindert.

U.a. mit Samira El Ouassil, Heike-Melba Fendel, Arno Frank, Dana Giesecke, Claudia Kemfert, Wolf Lotter, Nils Minkmar, Bernhard Pörksen, Bernhard Pötter, Florian Schroeder, Paulina Unfried, Harald Welzer und Juli Zeh.

Zur neuen Ausgabe

Die da oben (Andrea Paluch)

Diese diffuse Mischung aus Hilflosigkeit und Geringschätzung triggert mich. „Die da oben“ bedeutet so viel wie „ich bin ein Spielball höherer Mächte.“ Wenn man das in religiösem Rahmen sagen würde, also „der da oben“, könnte ich den Kontext zumindest noch verstehen. Aber in Bezug auf Politik mit dem Hinweis auf „die da oben“ jede Verantwortung von sich zu weisen, oder besser noch, zu implizieren, man habe keinen Einfluss (oder „werde nicht gehört“, das gehört eigentlich auch in diese Liste hier), ist renitent.

Dabei ist die mitschwingende Assoziationswolke noch viel größer: „Die da oben“ machen sich die Taschen voll, haben keine Ahnung von irgendetwas, machen nur das, was sie wollen. Ob auch korrupt dabei ist, weiß ich nicht, würde mich aber nicht wundern. Denen traut man halt alles zu. Mein Vorschlag zur Güte: Wer diese unsägliche Phrase benutzt, muss sich als Entschuldigung unverzüglich aus dem Sofa stemmen, in der demokratischen Verfahrensweise aktiv werden und eine/r von denen da oben werden.

Mehr Bullshit-Wort-Tests finden Sie in der neuen taz FUTURZWEI-Ausgabe „Weiterdenken“ und an dieser Stelle auf taz.de.

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