Der Fall Oury Jalloh: Gutachten legen Mordverdacht nahe

Experten gehen davon aus, dass Oury Jalloh nicht ohne Fremdeinwirkung in einer Polizeizelle sterben konnte. Das geht aus einem ARD-Bericht hervor.

Blick in eine Zelle mit einer menschlich aussehenden Puppa

War's doch Mord: Überprüfung, wie Jalloh gestorben sein könnte, mit einem Dummy Foto: dpa

Oury Jalloh, der 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte, wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit getötet. Das geht aus Ermittlungsakten zu dem Fall hervor, die der ARD vorliegen. Mehreren Sachverständigen zufolge ist Jallohs Tod nicht ohne den Einsatz von Brandbeschleuniger zu erklären. Die Staatsanwaltschaft Halle will die Ermittlungen dennoch einstellen.

Mehrere Sachverständige aus den Bereichen Brandschutz, Medizin und Chemie kommen laut der Unterlagen mehrheitlich zum dem Schluss, dass eine Tötung wahrscheinlicher sei, als dass Jalloh sich selbst anzündete. Das sind die Ergebnisse der jüngsten Gutachten und Brandversuche, die sich detailliert mit der Frage nach dem Ausbruch des Feuers in der Arrestzelle beschäftigen.

Sogar der langjährige Ermittler der Staatsanwaltschaft Dessau, der leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann, geht in einem Schreiben vom April dieses Jahres daher von einem begründeten Mordverdacht aus. Er hält es demnach für wahrscheinlich, dass Oury Jalloh bereits vor Ausbruch des Feuers handlungsunfähig oder sogar schon tot war mit Brandbeschleuniger besprüht und angezündet worden sei. Bittmann, bislang ein Verfechter der Selbsttötungs-Theorie, benennt in dem Brief sogar konkrete Verdächtige.

„Angesichts der neuen Erkenntnisse ist die drohende Einstellung des Verfahrens ein Skandal“, so die Anwältin der Familie Jalloh, Gabriele Heinecke. Die Staatsanwaltschaft Dessau hatte sich nach 12 Jahren Ermittlungen mit den neuen Erkenntnissen im April an den Generalbundesanwalt gewandt, dieser hatte die Annahme des Falles jedoch abgelehnt und ihn nach Sachsen-Anhalt zurück verwiesen.

Die im Anschluss befasste Staatsanwaltschaft Halle will den Fall laut einer Erklärung vom 12. Oktober 2017 einstellen, weil sich „keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung“ ergeben hätten. Eine weitere Aufklärung sei nicht zu erwarten. Die Anwältin der Familie hat gegen die Einstellung Beschwerde eingelegt und wird angesichts der neuen Erkenntnisse Strafanzeige erstatten.

Linke fordert Sonderermittler

Die Experten hatten in ihren Stellungnahmen ausgeführt, dass sich der Zustand der Zelle und des Leichnams Jallohs nach dem Brand nicht ohne Einsatz geringer Mengen von Brandbeschleuniger wie etwa Leichtbenzin erklären lasse. Auch sonst deute vieles darauf hin, dass der Brand von dritter Hand gelegt worden sei.

Schon zuvor war bekannt geworden, dass die Ermittler inzwischen eine neue Bewertung des Falles haben. Eine von den Linken geforderte Akteneinsicht zum Fall kam nicht zustande: Die Regierungskoalition aus CDU, SPD und Grünen im Magdeburger Landtag lehnte das ab. Die innenpolitische Sprecherin der LINKEN im Landtag von Sachsen-Anhalt, Henriette Quade, sprach von „politischer Blockadehaltung“ und wiederholte ihre Forderung nach einem Sonderermittler wie etwa im Fall des NSU. „Er sollte von außerhalb von Sachsen-Anhalt kommen“, sagte sie, „denn in Magdeburg ist von Seiten des Justizministeriums kein Aufklärungswille zu erkennen.“

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