Der Fortsetzungsroman: Kapitel 7: Nifllheim und Muspellsheim

Was bisher geschah: Jenny wird die Blipiden nicht verraten, wenn sie Arbeit bekommt.

Jetzt kommen schon die Kahlköpfe zum Kopieren. Bild: dpa

"Salus Buschkozin“, rief der vierschrötige Hundehalter noch einmal. „Wir sind Menschen deutscher Hautfarbe und wir haben ein Recht, gehört zu werden. Wir wollen das Land retten, wir wollen unseren Kindern eine Zukunft geben. Wir lassen uns von den gleichgeschalteten Medien nicht vorschreiben, was wir denken dürfen. Wir werden nicht schweigen. Wir sind Menschen deutscher Hautfarbe und laden herzlich ein zu unserem Tag der einfachen Antworten am Donnerstag in einer Woche. Unser Vordenker und Bestsellerautor Buschkozin kennt die Wahrheit: Juden sind intelligent. Muslime sind kriminell. Neger können keinen Mozart spielen.“ Er hielt ein Stück Papier in die Höhe. „Das alles und noch viel mehr am Tag der einfachen Antworten, für den ich gerne jetzt 3.000 Flugblätter kopieren möchte.“ Major Canis und der fette Hund ließen einander während dieser Ansprache nicht aus den Augen. Beide knurrten leise, der dicke Hund grollend aus den Tiefen seiner Wamme, der Teacup Chihuahua klirrend metallisch. „Das sind 100 Tagesrationen Kopien auf einmal“, sagte Reto. „Das geht nicht. Sagen wir 100 Flugblätter.“

„Bist du verrückt, C2H5OH“, sagte Professor Median. „Das ist ein Kunden-Helote. Wohlstand und Wissen trägt er in unsere unterirdische Bleibe.“ Zu dem Mann sagte er: „Tritt näher, haarloser Helot.“

Der Mann mit dem Flugblatt wollte sich an Jenny vorbeidrängeln, aber die verschränkte die Arme vor der Brust und sagte: „Kein Fitzelchen von deinem Dreck geht hier über den Tresen.“

„Und wieder wird das freie Wort unterdrückt, während unsere Kinder darben“, erwiderte der Mann. „Wir sind Menschen deutscher Hautfarbe und haben die Bildungskonzepte, die unser Land wieder nach vorne bringen. Wir fordern Latein als erste Fremdsprache in der Grundschule und die Ersetzung arabischer Ziffern durch Runen-Zahlenwerte. Humanismus und Emanzipation von Fremdherrschaft, das ist unser berechtigtes Anliegen. Aus dem Weg, gehirngewaschene Marionette des westlich-morgenländischen Komplexes.“

„In der Tat hast du einen Komplex.“ Jenny blieb stur, bis sie jemand zur Seite schob. Professor Phäno sagte: „Zeig mir das Flugblatt, Kunden-Helot.“ Er überflog das Geschriebene. „So so, die Rune Thurs steht also für die Zahl Zwei, weil sie für die dämonischen Kräfte Rimtussene von Nifflheim und Ildtussene von Muspellsheim steht.“ Der Kunde nickte und ein rosiger Schein überzog sein Gesicht. „Sie haben Buschkozin gelesen?“, fragte er. „Das ist alles in unserem Bord … in unserem Bücherbord.“

„Genug jetzt,“ sagte Jenny. Sie nahm Professor Phäno das Flugblatt aus der Hand und ging damit zum Schredder. „Ausgeniffelt“, sagte sie. Es gab ein schabendes Geräusch, dann spuckte der Schredder schmale Papierstreifen aus. „Das war unser Kennenlernangebot zur Neueröffnung. Und jetzt raus.“

Der dicke Hund bellte zweimal und zog an seiner Leine. Der Mann nestelte am Karabinerhaken. „Hol sie dir!“ Jenny schrie. Gerade als der Hund seine rasiermesserscharfen Zähne in Jennys Oberschenkel schlagen wollte, durchzuckte ein blauer Blitz den Keller. Ein Regen schwarzer Asche ging auf Jennys Jeans nieder, vor ihr lag das Hundehalsband. Der Teacup Chihuahua blinzelte einmal und fixierte jetzt den dicken Mann. Jenny griff sich an den Hals.

„Aus, Major Canis, aus!“ Das blaue Licht in den Augen des Hundes erlosch. Heidi-Oma humpelte herbei, hob das Halsband auf und reichte es dem Mann. „Es tut mir ausgesprochen leid, freundlicher Helot, dass Ihnen diese merkwürdigen Halluzinationen unterlaufen, aber gehe ich recht in der Annahme, dass Sie bereits zu dieser frühen Stunde alkoholische Getränke konsumiert haben?“

Der Mann nickte und sein Gesicht war von wächserner Blässe. „Das war der Hund meiner Verlobten“, stammelte er. „Mallorca Mastiff. Ca de Bou mit Züchternachweis.“ – „Und ein böserböser Sammler hat ihn entwendet, als sie ihn einmal kurz angeleint hatten, nicht wahr? Und alles, was Ihnen geblieben ist, ist das Halsband als Erinnerungsstück.“

Der Mann nickte wie in Trance. „Aber das Flugblatt? Wir müssen doch unser Land retten. Ich bin ganz durcheinander.“

„Schlafen Sie am besten noch einmal drüber. Vielleicht ist Ihre Hautfarbe ja auch eine Halluzination.“

Die aktuelle Folge von Das Kopyshop immer donnerstags am Kiosk im taz.plan der taz.berlin

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.