Der Fortsetzungsroman: Kapitel 15: Nifllheim und Muspellsheim

Was bisher geschah: Jenny und der Blipide C2H5OH hegen Empfindungen füreinander

Hier geht es um Liebe. Bild: dpa

Jenny klappte ihr Notizbuch zu. Heute fing die Berlinale an, da gab es zahlreiche Möglichkeiten zum Fotografieren. Und vielleicht gab es ja auch die Möglichkeit, IHN ganz zufällig zu treffen. ER war in der Stadt. Erst einen Kaffee, dann ein Glas Wein, dann noch eins, und dann vor dem offenen Kamin auf DVD, nur sie beide. Seit sie ihn einmal bei Dreharbeiten beobachtet hatte, träumte sie davon, IHN wiederzusehen.

„Wir schließen jetzt“, sagte Professor Phäno. „Deine Anwesenheit ist nicht vonnöten. Wir brauchen die Intimität eines menschenleeren Kopyshops. Wir wollen summen.“

„Summt nur vor euch hin. Ich habe Kopfhörer dabei“, sagte Jenny.

Professor Phäno räusperte sich: „Wenn wir summen, haben wir Sex.“

„Wie bitte?“ Jenny war aufgesprungen.

„Reich mir die Hände.“ Professor Phäno streckte seine Arme aus. Jenny berührte die Finger des Blipiden. „Und jetzt: Summ!“ Mit seinen Sonnenbrillenaugen fixierte er Jenny.

„Hm“, sagte Jenny.

„Länger, lass dich gehen. Hmmmmmmmmm.“

Jenny überlegte, ob sie sich gehen lassen wollte, während Professor Phäno sie berührte, aber sie war zu neugierig: „Hmmmmmmmmm“, brummte sie, so laut sie konnte.

„OH MANN, BABY, DU WARST JA SO FANTASTISCH GUT!“, brüllte Professor Phäno und ließ ihre Hände los.

„Das war alles?“, fragte Jenny.

„Nein, das war noch gar nichts. Aber so redet ihr doch miteinander, hier auf R-D, nicht wahr?“

„Manchmal.“ Jenny hatte keine Lust, über ihr Sexualleben befragt zu werden. „Summt ihr einfach nur? Ohne Worte?“

„Wir summen stundenlang, und gerne auch in größeren Gruppen. Je größer die Gruppe, desto lauter das Summen, desto nachhaltiger die Vibrations.“

Jenny schüttelte den Kopf. „Und du und Professor Median und FP Chi… ihr summt auch.“

„Jeder mit jedem. Rein physiologisch sind wir MOZ: Multivalente Oxidierende Zellcluster. Hier auf dem Planeten ist alles auf ermüdende Weise binär: Tag und Nacht, Ost und West, Mann und Frau. Wir haben dieses Konzept schon seit langer Zeit aufgegeben.“

Jenny konnte es kaum glauben. „Bei uns ist das mit dem Sex anders organisiert.“

„Ich weiß, ich weiß alles.“ Professor Phäno nickte schnell. „Auf R-D schlägt das Männchen als Erstes Kindernamen vor, wochenlang, um das Weibchen in Paarungsbereitschaft zu versetzen.“

„Was?“

„Die besonders hässlichen Kinder heißen alle Kevin. Danach werden die Busenbrüste des Weibchens fachmännisch stimuliert.“

„Die was?“

„Die Busenbrüste. Das sind Nahrungsreservoirs, die das Überleben des Sauglings garantieren.“

„Des Sauglings, aha.“ Jenny traute ihren Ohren nicht. „Woher hast du denn deine Weisheiten?“

„Aus einem Buch: Erregungskurven bei Säugern.“ Professor Phäno nickte noch einmal. „Da steht wirklich alles drin. Wenn die Labien sich aufblähen, kommt es zur Eigensekretion beim Weibchen, damit sie den Pfahlus des Mannes aufnehmen kann. Aber vorher muss das Männchen ein paar Kerzen anzünden und Komplimente machen: OH MANN, BABY, DU SIEHST JA SO FANTASTISCH GUT AUS!“ Professor Phäno schüttelte den Kopf. „Ich muss sagen, es hört sich unglaublich umständlich an. Und auch ein bisschen widerlich. Wir vermehren uns durch Zellteilung.“

„Du bist widerlich. Alle Naturwissenschaftler sind widerlich“, fauchte Jenny. „Und was ist mit Liebe? Mit gegenseitiger Anziehung? Mit Zärtlichkeit?“

„Liebe wird oft überbewertet. Und die Busenbrüste werden natürlich zärtlich stimuliert. Habe ich das nicht erwähnt?“, rief Professor Phäno. Aber Jenny hörte ihn schon nicht mehr. Mit Jacke, Tasche und Notizbuch war sie davongerauscht.

Kaum war Professor Median verschwunden, betrat C2H5OH den Raum. Er hatte das Gespräch belauscht. Gegenseitige Anziehung. Er wusste genau, was Jenny meinte. Auf dem Boden lag ein Foto. Es war Jenny aus ihrem Notizbuch gefallen.

Der Erste Maat eilte zurück zum Raumschiff und drückte den Stand-by-Knopf des Blasierten Bordcomputers. „He, was ist los, du Tölpel. Ich defragmentiere.“

„Es ist dringend.“ C2H5OH flüsterte aufgeregt. Gute Nachrichten BBC, ich werde deine Platine jetzt pimpen, jetzt sofort.“

„Ach wirklich?“ Der Blasierte Bordcomputer klang interessiert.

„Aber danach brauche ich ein morphologisches Upgrade.“

„Ach, der Herr ist eitel geworden. Was darf’s denn sein?“

„So will ich aussehen.“ C2H5OH hielt das Foto vor die Kamera des BBC. „Wie der.“

„Es ist wegen diesem Helotenweibchen, was?“ Der Blasierte Bordcomputer lachte meckernd. „Na gut, leg das Foto auf den Scanner. Das erledigen wir nebenbei. Aber jetzt die Platine. Und die Steckverbindungen gefälligst ausgiebig massieren.“

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