Der Hersteller Vaude und Nachhaltigkeit : Die Aufsteigerin

Vaude will nachhaltigster Hersteller von Outdoor-Bekleidung in Europa werden. Doch noch werden die Produkte mit Chemie behandelt.

Models mit Vaude-Mode auf der Messe „Outdoor“. Bild: dpa

DEUTSCHLAND zeo2 | Wie eine erfolgreiche Karrierefrau sieht Antje von Dewitz nicht gerade aus. Weder trägt sie einen uniformen Hosenanzug, noch hält sie eine große Distanz zu ihren Gesprächspartnern. Die 40-jährige Unternehmerin aus dem oberschwäbischen Städtchen Tettnang ist nahbar. Und sie ist höchst gesprächig, wenn es um ihre Anliegen geht.

Davon verfolgt die Chefin des Herstellers von Outdoor- Ausrüstungen Vaude gleich mehrere. „Wir müssen uns immer die Frage stellen: Ist es sozial, ist es ökologisch, ist es ökonomisch?“, erklärt die Erbin des Familienunternehmens ihre Philosophie in schnell gesprochenen Worten. Alle betrieblichen Abläufe berücksichtigen diesen Dreiklang. Das Ziel: „Wir wollen der nachhaltigste Outdoor-Hersteller Europas werden“, meint von Dewitz. 2015 will sie soweit sein.

Es war nicht vorhersehbar, dass sie die Geschicke des etablierten Mittelständlers einmal lenken wird. Sie studierte zunächst Kulturwirtschaft, promovierte in Wirtschaftswissenschaften, arbeitete dann bei einer Nichtregierungsorganisation und in einem Medienhaus. „Ich bin in einem Dorf in Oberschwaben groß geworden und kannte keine Frauen in Führungspositionen“, blickt sie zurück, „schon gar nicht mit Kindern.“ Eine solche Karriere habe sie sich nur schwer vorstellen können.

Erst später befasste sie sich daher mit dem elterlichen Betrieb und entwickelte eine unerwartete Begeisterung für das Design der Taschen aus farbigen Lkw-Planen, die zu den Vorzeigeprodukten des Hauses gehören. Da wurde Vaude noch von ihrem Vater nach alter Manier geleitet, mit dem einsamen Entscheider an der Spitze. 2009 kam es schließlich zum Generationenwechsel. Seither ist sie Chefin von 500 Beschäftigten in Deutschland.

Kleidung, Kinder, Kita

Mit diesem Wechsel ging auch ein Wandel in der Unternehmenskultur einher. In vielen Sitzungen bastelte von Dewitz zusammen mit den wichtigsten Beschäftigten an der richtigen Strategie für Vaude. Der Name entstand übrigens lautmalerisch aus den Initialen des Familiennamens. Nachhaltigkeit stand am Ende als große Klammer über allen Geschäftsaktivitäten. „Das ist ihr Verdienst“, erinnert sich Hilke Patzwall, die den Bereich Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung leitet, „sie hat alle Stabsstellen dabei einbezogen.“

Einer der Eckpfeiler bei Vaude sind familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Von Dewitz lebt die Vereinbarkeit von Erziehung und Geschäft vor, als Geschäftsführerin am Tag, ab 17.00 Uhr so oft es geht als Mutter von vier Kindern. Jeder zweite Beschäftigte ist in irgendeinem Teilzeitarbeitsverhältnis. Seit 2001 gibt es eine Kita, in der die Kinder der Belegschaft betreut werden. „Ich wollte beweisen, dass Karriere nicht auf Kosten des Familienlebens gehen muss“, sagt sie. Dazu trägt auch ihr Mann bei, der zuhause den Löwenanteil übernimmt.

Sozial engagiert will Vaude nicht nur gegenüber den eigenen Beschäftigten sein. Auch bei den Zulieferern und in den Ursprungsländern der Textilien legt von DewitzWert auf Fairness. Dabei geht es vor allem um Stoffe für die Outdoor-Kleidung. Sie werden überwiegend in China oder Vietnam produziert. Vaude ist Mitglied der Fair Wear Foundation, einer unabhängigen Organisation der Textilindustrie, die weltweit die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessern will.

Die Oberschwaben pochen bei den Zulieferern, meist großen Textilproduzenten, darauf, dass in den asiatischen Fabriken sozial gerechte Jobs eingerichtet werden. „Man kann es nicht allein sicherstellen“, räumt Hilke Patzwall allerdings ein. Die permanente Inspektion aller Zulieferer weltweit könne ein mittelständisches Unternehmen nicht leisten. Es müsse sich auf die Zulieferer und die Kontrolle durch die Fair Wear Foundation verlassen Wichtiger Teil der Firmenstrategie ist der Umweltschutz.

Der Standort Tettnang ist klimaneutral

Wenn sich von Dewitz nachmittags auf ihr Rennrad setzt, um zur Familie zurückzueilen, entsteht kein Klimagas. Was im Kleinen klappt, soll auch im Großen funktionieren. Der Standort in Tettnang ist mittlerweile klimaneutral. Dazu hat Vaude Emissionen ermittelt, zuletzt um 23 Prozent pro Jahr verringert und in einer Klimabilanz zusammengefasst.

Für die dennoch entstandenen Treibhausgase leistet Vaude einen finanziellen Ausgleich, der an ein myclimate „Gold Standard“ Klimaschutzprojekt in China überwiesen wird. Ziel dieses Projektes ist der Austausch traditioneller Kohleherde in ländlichen Haushalten durch saubere Gasherde, die mit Biomasse betrieben werden. So wird in China das Kohlendioxid eingespart, das in Oberschwaben erzeugt wird.

„Es ist das Ziel, die gesamte Produktpalette ökologisch und sozial herzustellen“, versichert von Dewitz. Das ist in dieser Branche gewagt. Denn die Verbraucher stellen an die Bekleidung für Trekking-Touren oder Skifahrten hohe Anforderungen. Jacken oder Hosen sollen möglichst leicht sein, Wind und Feuchtigkeit abweisen, wärmen und zugleich atmungsaktiv bleiben.

Deshalb steckt nach wie vor in den meisten Produkten reichlich Chemie. „Bislang gibt es keine gleichwertige Alternative zu Fluorchemikalien für die Öl- und Schmutzabweisung“, räumt Patzwall ein. Und den Qualitätsverlust nähmen auch Vaude-Kunden wohl nicht hin.

Erdöl und Chemikalien

Vaude arbeitet nach dem Bluesign-Standard, dem weltweit strengsten Siegel für Textilien. Zugelassen sind die Materialien, die Mensch und Umwelt am wenigsten belasten. Doch alles hat seine Grenzen. „Ein Outdoorprodukt besteht überwiegend aus Erdöl und ist mit Chemikalien ausgestattet“, erläutert von Dewitz, „da kommt die Funktion her.“ So fand Greenpeace bei einem Test 2012 auch in Produkten von Vaude die Chemikalie PFC.

Für den Träger ist der Stoff ungefährlich, doch bei der Herstellung, durch das Waschen der Kleidung oder der späteren Entsorgung kann PFC in der die Umwelt und über Umwege in der Nahrungsmittelkette landen. Vaude hat die Studie begrüßt, was bei der Konkurrenz auf Kritik stieß. Dadurch sei Bewegung in die Branche gekommen.

Die nächste Sommerkollektion von Vaude soll ohne diese Substanzen auskommen. Nachhaltigkeit hat ihren Preis. Die Produktionskosten sind höher. Und nicht jeder Mehraufwand für Umweltschutz und soziale Verantwortung kann über höhere Preise an die Kunden weitergegeben werden. Damit ist die Gewinnmarge des Familienunternehmens auch geringer als die der großen Wettbewerber. „Geld ist nicht alles für Vaude“, sagt Patzwall. Aber wirtschaftlich müsse das Unternehmen schon bleiben, also wachsen. Obwohl es eigentlich der eigenen Philosophie widerspricht.

Wolfgang Mulke, den Artikel können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren. Der Text ist erschienen in der Ausgabe zeo2 1/2014.