Der Macher bei Springer: Mit der Geschichte ins Reine kommen

Seit 10 Jahren steht Mathias Döpfner als Vorstandsvorsitzender an der Spitze des Springer-Verlags. Unter ihm schreibt das Medien-Unternehmen Rekordergebnisse.

Baut Springer zum digitalen Medien- und Servicehaus um: Vorstandschef Mathias Döpfner. Bild: dpa

BERLIN taz | Am Anfang war die Döpfner-Kurve. Und die, spottete es Mitte der 1990er Jahre beim Hamburger Verlag Gruner + Jahr, zeige stets nach unten. Egal welches Blatt man dem damaligen Mittdreißiger anvertraute. Der hatte, ganz liberal-konservativer Bildungsbürgerspross, eine gediegene Karriere machen sollen und war nach der Station als Assistent beim G +J-Vorstand auch gleich für höhere Weihen empfohlen worden.

Doch dann versenkte Mathias Döpfner als Erstes das Ost-West-Blatt Wochenpost und schickte danach die Hamburger Morgenpost auf Auflagensinkflug. 1998 war Schluss in Hamburg, wo sich der 1,98-Meter-Mann große Hoffnungen Richtung Stern gemacht hatte - und Springer rief. Genauer: die Welt.

Dort war man sogar ganz froh, weil der Redaktion so ein gewisser Kai Diekmann erspart blieb. Döpfner also kam, sah und wurde gesiegt. Anders lässt sich diese Aufstiegsgeschichte kaum erzählen: 1998 Welt-Chefredakteur, 2000 Vorstandsmitglied, seit genau zehn Jahren jetzt Vorstandsvorsitzender.

Rekordergebnisse zur Jahrtausendwende

Dass Döpfner zunächst der Kurve treu blieb und die Welt-Auflage unter dem neuen Chef auch nicht wirklich stieg, fiel kaum weiter auf. Denn während dank des Dotcom-Booms alle anderen Medienhäuser zur Jahrtausendwende noch mal Rekordergebnisse schrieben, war Springer eine mit sich verkämpfte Rumpelbude, bei der ein Großaktionär namens Leo Kirch versuchte, die Verlegerwitwe Friede aus dem Haus zu drängen.

Nicht, dass Döpfner schon gleich 1998 als Geheimwaffe gegen das Kirchsche Durchmarschkommando galt. Er wurde einfach dazu. Dass die Verlegerwitwe ihn dabei kreuzsympathisch fand und ihm bis heute das ein oder andere verdankt, ebnete den Weg.

Schon bald gehörte Springer wieder Springer, von ein paar Kalamitäten um das Testament des Verlagsgründers und renitente Enkel mal abgesehen. Und der ein oder anderen Aktie für Mathias Döpfner, dessen angeblicher Jahresverdienst von irgendwas jenseits der 10 Millionen Euro von Springer immer empört dementiert wird.

Gescheiterter Kauf von ProSiebenSat.1

Unter Döpfner schreibt der Konzern in den letzten Jahren Rekordergebnisse. Wo andere Verlage in Depression verfallen, baut sich Springer zum digitalen Medien- und Servicehaus um. Und kann so fast vergessen machen, dass man auch im Hochhaus an der Rudi-Dutschke-Straße noch keine belastbare Idee hat, wie mit Journalismus im Netz Geld verdient werden kann.

Aber immerhin versuchen sies. Natürlich macht auch ein Döpfner Fehler. Der Kauf von ProSiebenSat.1 scheiterte - erwartbar - 2006 an Kartellamt und Monopolkommission. Ein Jahr später ging die Übernahme des privaten Postbetriebs Pin AG so teuer wie vollumfänglich in die Hose.

Doch der Vorstandschef hat noch eine ganz andere Mission, die zum studierten Kulturwissenschaftler Mathias D. mindestens so gut passt wie der Job als smarter Großgeldverdiener und Branchenoptimist, der dem verschüchterten alten Gewerbe der Zeitungsmacher mit fröhlicher Penetranz die Zukunft singt. Als angestelltem Verlagsmenschen geht ihm das Zeug zum inhabergeführten Kaufmannsunternehmen, dieser Buddenbrooksche Hang zum wirtschaftlichen und dynastischen Verfall, schlicht ab.

Aussöhnung mit Günter Wallraff

Dass unterscheidet ihn wohltuend von der Larmoyanz einer Branche, bei der er - wie im Prozess um die "Tagesschau"-App der ARD - natürlich auch gern mal mit den Wölfen heult. Doch es zeigt auch: Ganz umrauscht Döpfner auch nach zehn Jahren an der Springer-Spitze der Mantel des Verlegers noch nicht. Was wiederum seinen Hang erklären mag, für und mit dem Konzern und seiner Geschichte ins Reine zu kommen - und quasi das zu vollenden, was Axel Cäsar Springer selbst versagt blieb.

Das 1968er-Springer-Archiv im Internet, das belegen sollte, wie es wirklich war, gehört dazu. Oder die abstrus anmutende Idee, 2009 das 41 Jahre zuvor unterbrochene Springer-Tribunal nach eigenen Spielregeln weiterzuführen und sich dann über die Absage der seinerzeitigen Protagonisten von Schneider bis Semler zu wundern.

Aktuell steht die Aussöhnung mit Günter Wallraff auf dem Programm - und natürlich beherrscht Döpfner die Dialektik, es einerseits ernst zu meinen. Und andererseits an den fragwürdigen Methoden Bild nicht zu rütteln, weil sie das Geld bringen - noch. Die Vollendung des Mathias Döpfner, sie steht noch aus.

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