Der Mittelfinger von Varoufakis: Fake, alles Fake!

ZDF-Moderator Jan Böhmermann sagt, er habe das Mittelfinger-Video von Varoufakis gefälscht. Einiges spricht dafür. Es wäre ein epischer Medien-Hack.

Was ist Wahrheit, was ist Lüge? Bild: https://www.youtube.com/channel/UCNNEMxGKV1LsKZRt4vaIbvw

Tagelang diskutiert Deutschland, nein ganz Europa, über den Stinkefinger, den Griechenlands neuer Finanzminister Yanis Varoufakis, Deutschland gezeigt haben soll. Und jetzt? Alles Fake, so scheint es. Ein wohl grandios ausgeführter Medien-Hack von ZDF-Moderator Jan Böhmermann. Ein großartiger Medien-Coup.

Am Sonntag zeigte Günther Jauch in seiner ARD-Talkshow den Ausschnitt eines Auftritts von Varoufakis beim kroatischen Subversive-Festival 2013. Darin zu sehen ist Varoufakis, wie er bei seiner Rede den Mittelfinger emporhebt, während er sagt „and stick the finger to Germany". Die Runde war empört. Varoufakis selbst, der via Video live zugeschaltet war, reagierte ebenfalls entsetzt, sagte, der Clip sei gefälscht, den Finger habe er nie gezeigt.

Doch kaum jemand glaubte ihm. Als Lügner wurde er beschimpft, Experten wurden befragt, Augenzeugen gesucht, Textpassagen analysiert. Der Mehrheit der Medien war klar: kein Fake. Nur etwas aus dem Zusammenhang gerissen, der Ausschnitt.

Am Mittwochabend dann die überraschende Wendung. ZDF-Moderator Jan Böhmermann veröffentlicht auf Youtube einen Vorab-Ausschnitt seiner Sendung „Neo Magazin Royale“. Er behauptet darin, der Urheber des Fingers zu sein. Mit seinem Team habe er das Video gefälscht.

Ob es stimmt? Man weiß es derzeit nicht mit voller Gewissheit. Möglich, dass auch Böhmermanns Behauptung selbst Fake ist. Aber einiges spricht für seine Version der Finger-Story.

Das Video, das Varoufakis in voller Länge selbst später bei Twitter gepostet hat, wurde bei Youtube erst am 12. Februar 2015 veröffentlicht. Alle anderen Videos vom Subversive-Festival 2013 auf diesem Kanal sind seit mehreren Monaten online. Und Aufnahmen mit dem Mittelfinger von Varoufakis, die früher online gingen, finden sich derzeit nicht.

Sichtliche Freude

Böhmermann behauptet, dass er Anfang Februar auf den Original-Clip gestoßen sei. Die Redaktion hatte damals ein Video zum „V for Varoufakis“-Song vorbereitet, der mittlerweile von über 1,8 Millionen Menschen gesehen wurde. Eine Mitarbeiterin habe dann mit den Organisatoren vom Subversive-Festival Kontakt aufgenommen, sie in das Vorhaben eingeweiht und das Original-Video besorgt. In einem Studio soll dann ein Schauspieler den Varoufakis-Arm nachgestellt und Videoschnitt-Experten später den Finger gekonnt in das Original-Video montiert haben. Der Rest habe sich von selbst entwickelt. Zuerst berichtete die Bild-Zeitung über die Geste, dann verhalf Günther Jauch ihr zu Berühmtheit.

Mehrfach wird in dem Böhmermann-Video zudem eine Sequenz gezeigt, in der der Mittelfinger fehlt oder durch einen Zeigefinger ersetzt ist. Das Original ist nicht von der Fälschung zu unterscheiden. Das Licht, die Schatten, die Übergänge: perfekt. Ob die befragten Netzforensiker das hätten aufdecken können?

Und noch etwas spricht für Böhermanns Version der Geschichte. Bereits vor zwei Tagen veröffentlichte der Guardian ein Interview mit dem Kameramann, der das Varoufakis-Video beim Festival gedreht hat. Gegen Ende gibt er einen Hinweis auf Jan Böhmermann. Es könnte ein Belegt sein, dass die Festival-Organisatoren tatsächlich mit Böhmermann zusammengearbeitet haben.

Böhmermann ist die Freude über seinen vermeintlichen Coup sichtlich anzusehen. Als könne er es selbst nicht glauben, mit seiner Aktion derart erfolgreich beinahe die gesamte deutsche Medienwelt – und vor allem ARD-Vorzeige-Talker Günter Jauch – reingelegt zu haben.

Sorry von Jauch?

In der Nacht meldet sich auch Varoufakis zu Wort. Via Twitter fragt er Richtung Günther Jauch nach einer Entschuldigung – und bedankt sich bei Böhmermann: „Humor, Satire und Selbstironie sind ein gutes Mittel gegen blinden Nationalismus. Wir Politiker können das dringend gebrauchen.“

Im Netz ist man voll des Lobes. Ein „Meisterwerk“ sei Böhmermann gelungen, er habe „TV-Geschichte geschrieben“. Doch es gibt auch Zweifler, die Böhmermanns Video ebenfalls kritisch unter die Lupe nehmen.

Ist es ein Fake des Fakes? Wer hat Recht? Welche Version stimmt? Es ist beinahe egal. Die Böhmermann-Story um den Mittelfinger von Varoufakis ist eine der subversivsten und besten, die der öffentlicht-rechtliche Rundfunk in der jüngeren Vergangenheit zu Tage gefördert hat.

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