Der neue Politstar in Israel: Gefahr von rechts für Netanjahu

Naftali Bennett will dem Likud bei den Parlamentswahlen Wähler abjagen. Der Ex-Unternehmer plant, große Teile des Westjordanlandes zu annektieren.

Will keinen Palästinenserstaat: Naftali Bennett, Chef der radikalen Partei Habajit Hajehudi. Bild: dapd

JERUSALEM taz | Das Bündnis von Likud und Israel Beitenu tut beiden Parteien nicht gut. Regierungschef Benjamin Netanjahu und Exaußenminister Avigdor Lieberman befinden sich laut Jerusalem Post seit einigen Wochen „im freien Fall“.

Umfragen geben der gemeinsamen Liste nur noch zwischen 34 und 36 Mandate. In besseren Zeiten wären sie zusammen auf 46 Abgeordnete gekommen.

Grund für Netanjahus Misere ist auch, dass gegen seinen Partner Lieberman ausgerechnet so kurz vor den Wahlen am 22. Januar ein lange ausstehendes Gerichtsverfahren eröffnet wird.

Noch wichtiger aber dürfte Naftali Bennett sein. Der Chef der radikalen Partei Habajit Hajehudi („Das jüdische Haus“), einst einer seiner engsten Vertrauten, kostet Netanjahu Wählerstimmen, vor allem bei den rechten Israelis unter 30 Jahren.

Der 40-jährige ehemalige Unternehmer spricht aus, was viele denken. Der Konflikt mit den Palästinensern sei doch nicht zu lösen, deshalb solle sich die Regierung besser auf die internen Probleme konzentrieren.

„Was ist wichtiger?“, fragt er, „sinnlose Verhandlungen mit Abu Masen (Palästinas Präsident Mahmud Abbas) oder die Senkung der Lebenshaltungskosten?“ Es wäre schade, „noch mal vier Jahre zu verschwenden“, um über die Gründung eines palästinensischen Staates zu verhandeln. Den werde es nicht geben – „Den darf es nicht geben.“

Stattdessen will Bennett die sogenannte C-Zone, die rund 60 Prozent des Westjordanlandes umfasst, in denen die israelischen Siedlungen liegen, annektieren. Gaza solle schrittweise Ägypten zugeschoben werden.

Bei Siedlern beliebt

Obschon er selbst nicht in einer Siedlung wohnt, genießt der Sohn jüdischer Einwanderer aus San Francisco, der eine gestrickte Kippa auf dem Kopf trägt, unter den Siedlern größte Sympathie. Die kennen ihn aus seiner Zeit als Vorsitzender der „Jescha“ (Initialwort für Judäa, Samaria, Gaza), dem Dachverband der Siedler, und als Chef der außerparlamentarischen zionistischen Bewegung mit dem Namen „Israelis“.

Knapp 100.000 Mitglieder zählt die von ihm gegründete Organisation, die sich unter anderem den innerisraelischen Dialog zwischen weltlichen und religiösen Juden zum Ziel setzt.

Den Vorsitz von Habajit Hajehudi übernahm Bennett erst vor zwei Monaten. Kurz darauf schloss sich die rechtsnationale Liste HaIhud HaLeumi („Nationale Vereinigung“) mit der Partei zusammen.

Rechtsreligiöse Parteien

Im rechtsreligiösen Parteienspektrum gibt es drei weitere Parteien: die orientalisch-religiöse Schass mit derzeit zehn Mandaten in der Knesset, Judentum und Thora mit fünf Mandaten und die extremistische Otzmah, die der verbotenen Kach-Partei von Rabbi Meir Kahane nahesteht. Die Schass ist fast immer in den Regierungen vertreten und gehört auch heute zur Koalition Netanjahus.

Wie Netanjahu leistete Bennett mehrere Jahre Dienst in einem militärischen Sonderkommando. Persönlicher Wendepunkt war für den damals 33-jährigen Start-up-Unternehmer der Libanonkrieg 2006/2007.

Netanjahu machte den politisch unerfahrenen Bennett zu seinem Bürochef und setzte sich damit einen der schärfsten künftigen Gegner ins eigene Nest. Dass er den Befehl verweigern würde, wenn man ihn als Soldat schicken würde, um Siedlungen zu räumen, relativierte er, nachdem Likudpolitiker ihn als „verantwortungslos“ geschimpft hatten.

Israelischer Zeitgeist

Bennett steht für den israelischen Zeitgeist: Tradition, Familie, Patriotismus und Jüdischkeit. Gleichgeschlechtliche Ehen passen nicht in sein Konzept, aber auch Kartelle nicht. Optimistische Umfragen geben der Partei bis zu 18 Mandate.

Der vierfache Familienvater macht sich keine Illusionen über den nächsten Regierungschef. Netanjahu werde sicher Premierminister, die Frage sei nur, welche Koalition er zusammenstellt.

Nach den letzten Wahlen habe sich Netanjahu „zuerst an Ehud Barak (Exchef der Arbeitspartei) gewandt, sich für den Staat Palästina ausgesprochen und den Siedlungsbau eingefroren, das war eine Katastrophe“, sagt Bennett. Wer ihm seine Stimme gebe, sorge dafür, dass sich so etwas nicht wiederhole.

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