Der sonntaz-Streit: Erdogan: Jenseits von Gut und Böse?

Korruption, Zensur, Wutausbrüche. Der türkische Premier leistet sich viele Fehltritte. Am Samstag tritt er in Köln auf – nicht alle wollen ihn dort haben.

Anti-Erdogan-Demonstration im Februar in Berlin. Bild: dpa

Recep Tayyip Erdogan wird von Demonstranten bedrängt, als er am 15. Mai in Soma einen kleinen Supermarkt betreten will. Er und seine Leibwächter kommen kaum durch die Menschenmassen. Dann wird es dem Premier zu bunt. Er beschimpft einen der Demonstranten, packt ihn im Nacken. „Warum rennst du weg, du israelische Brut?“, schreit er offenbar. Die Aufnahmen des Vorfalls, zu sehen unter anderem auf Spiegel Online, sind von schlechter Qualität, seine Worte nicht eindeutig zu hören. Sicher ist: Sie zeigen die verzweifelte Wut eines Politikers am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Immer wieder gerät Recep Tayyip Erdogan in die Kritik. Die Niederschlagung der Gezi-Proteste, ein Korruptionsskandal, in den unter anderem Erdogan-Sohn Bilal verwickelt war und seine Eingriffe in die Pressefreiheit - zuletzt sperrte er Twitter - sind nur einige Beispiele dafür. In Deutschland erregte er die Gemüter besonders durch eine verbale Entgleisung. Bundespräsident Gauck halte sich wohl immer noch für einen Pastor, wetterte Erdogan nach einem Besuch des deutschen Staatsoberhauptes in Ankara.

Bei den Präsidentschaftswahlen am 10. August dieses Jahres wird Erdogan, derzeit Premier, wohl für die AKP antreten. Würde er gewählt, vollzöge er einen „Ämtertausch“, wie ihn Wladimir Putin schon einmal vorgemacht hat. Zum ersten Mal dürfen bei dieser Wahl auch türkische StaatsbürgerInnen abstimmen, die im Ausland leben. Die große türkische Gemeinde in Deutschland dürfte dabei wichtig für Erdogan werden; etwa die Hälfte der drei Millionen Deutsch-Türken ist stimmberechtigt. Bei dieser WählerInnengruppe ist Erdogan traditionell sehr beliebt - wegen seiner einfachen Herkunft und seiner Präsenz in Deutschland.

Aber seit seinen taktlosen Äußerungen vor den Trauernden des Minenunglücks von Soma („So etwas passiert eben“) und seit sein Berater sogar auf einen am Boden liegenden Demonstranten eintrat, schwindet auch hierzulande die Unterstützung. Ist Erdogan fähig, ein Land zu regieren? Viele türkische Medien, die bisher auf seiner Seite waren, beginnen an Erdogans unantastbarem Status zu zweifeln. Die AKP-treue Zeitung Yeni Şafak schrieb etwa zum Minenunglück von Soma, es sei eine nationale Angelegenheit, kein bloßer Arbeitsunfall und auch kein ,Schicksal'.

Die Antworten auf den sonntaz-Streit lesen Sie am 24./25. Mai 2014 in der taz.am wochenende. Mit großen Reportagen, spannenden Geschichten und den entscheidenden kleinen Nebensachen. Mit dem, was aus der Woche bleibt und dem, was in der nächsten kommt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

Nun haben ihm auch einige deutsche Politiker und Politikerinnen geraten, auf seinen Auftritt in der Kölner Lanxess-Arena, der an diesem Samstag geplant ist, zu verzichten. Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) sagte der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung: „Der Besuch kommt einem Missbrauch des Gastrechts nahe.“ Und der frühere Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sagte, Erdogan habe „jedes Gefühl für die Realität verloren“.

Ist Erdogan ein erfolgreicher Staatsmann, der von Neidern schlechtgeredet wird? Oder ist er mittlerweile in einer Position, in der ihn Kritik nicht mehr erreichen kann? Ist Erdogan jenseits von Gut und Böse? Diskutieren Sie mit! Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie bis Mittwoch, 21. Mai, eine Mail an: streit@taz.de. Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einige aus und veröffentlicht sie in der taz.am wochenende vom 24./25. Mai 2014.

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