Der zeozwei-Wochenüberblick #25: Benziner muss man nicht verbieten

Wie bringt man das Auto in die Zukunft und vermeidet dabei einen Kulturkampf? Ein Kommentar aus aktuellem Anlass.

Mit Blick auf das Klimaziel 2050 sind die Tage für umweltbelastende Diesel- und Benzinautos gezählt. Bild: AP

Ein Kommentar von Martin und Peter Unfried

Sollen Benzin- und Dieselautos ab 2030 verboten werden, die menschliche Entscheidungsfreiheit zensiert, eine Kultur und unzählige Arbeitsplätze mutwillig zerstört werden?

Nein, nein, nein und nein.

Was geschehen soll: Die Erwärmung des Planeten soll laut dem Menschheitsabkommen von Paris so begrenzt werden, dass die Show für möglichst viele möglichst gut weitergehen kann. Das ist das freiheitliche und kulturelle Ziel. Wenn man dieses Ziel ernst nimmt, dann muss man auch das europäische und deutsche Klimaziel ernst nehmen: 95 Prozent CO2-Reduktion bis 2050. Das bedeutet: fossile Verbrennung, bye, bye. Also: Kohleausstieg jetzt beschließen. Und: Elektromobilität jetzt durchsetzen.

Die Zeiten ändern sich und der Verbrennungsmotor ist eben angesichts der Zusammenhänge keine wunderbare Technik und Kultur mehr, sondern Quatsch. Aber weder können die Grünen ihn verbieten, noch müssen sie es. Die entscheidenden Lösungen funktionieren nicht nationalstaatlich, sondern europäisch. Mit „Steuern und Abgaben“ wird das aber wohl nicht gehen, wie der Bundesrat das der EU-Kommission vorschlägt.

Kein Verbot, sondern eine Leitlinie

Wie und ob der Innovationsmarkt Automobile sich entwickelt, entscheidet sich über die Flottenvorgabe der EU. Wenn die Kommission gegen den Widerstand der Lobbies zukunftstaugliche Parameter beschließt, sagen wir 70 Gramm CO2 pro Kilometer für 2025 und 50 Gramm für 2030, dann hätten die Unternehmen die so gern geforderte „Planungssicherheit“.

Wenn man das zusätzlich mit einem verbindlichen Zulassungsende für neue Verbrenner 2030 koppelt, könnten die Autobauer sich sogar auf E-Mobilität konzentrieren in der hundertprozentigen Sicherheit, dass nicht die Konkurrenz derweil weiter die Diesel verkauft.

Das wäre kein Verbot, sondern eine Leitlinie für einen fairen Wettbewerb, so wie das im Fall der Glühbirne gelungen ist. Und es wäre eine so rechtzeitige Umorientierung, so dass die später ansonsten unweigerlich kommenden Verbote und Arbeitsplatzverluste vermieden werden können.

Im Übrigen kann jeder dann immer noch mit einem vor 2030 zugelassenen Verbrenner rumfahren. So wie ja auch jeder mit Rauchzeichen kommunizieren oder nur mit einem Fell bekleidet durch die Gegend laufen kann.

Aber das schreibt sich so leicht. Die entscheidende Frage ist: Wie diskutiert man das in der Gesamtgesellschaft, so dass es vorangeht? Der kommende Parteitag der Grünen wird zeigen, ob die Partei des Postfossilen sich intern sortieren und dann so klug argumentieren kann, dass die Sache diesmal nicht in einen anachronistischen Kulturkampf ausartet, der mit dem Problem und seiner Lösung mal wieder nichts zu tun hat.

MARTIN UNFRIED ist Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht und politischer Kolumnist von zeozwei.

PETER UNFRIED ist Co-Chefredakteur von zeozwei. 

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Veganerinnen stört Körpergeruch von Fleischessern

 

Manche Veganerinnen konstatieren an fleischessenden Männern einen „unangenehmen Körpergeruch“, der sie stört. „Irgendwie nach Schweiß?“ Da trifft es sich gut, wenn sie ihre Lebensgefährten zum Veganismus bekehren. Das stärkt die Partnerschaft. Allerdings reduziert sich der Kreis an Leuten, mit denen das Paar dann Umgang pflegt. Man habe irgendwann „keine Lust, die Basics immer wieder neu zu erklären“. Die Basics sind Tierschutz, Umweltschutz, Gesundheit. Aber wer sich hauptsächlich über die Ablehnung von Tierausbeutung definiert, sieht nicht nur in Fleischessern das Problem, sondern auch in veganen Kochbuchstars und ihrem Publikum, dem es um „Selbstveredelung“ gehe. „Der Kapitalismus klatscht in die Hände über diesen neuen elitären Markt, der ständig neue Produkte braucht“.

 

„In der Welt der Veganer“: Annabelle Seuberts Reportage aus der aktuellen zeozwei ist jetzt auch auf taz.de zu lesen.

Dieselautos: Autobauer und Lobbyisten schreien auf – Neue Benzin- und Diesel-Fahrzeuge sollen ab 2030 verboten werden. Es ist andersherum: Will man Fahrverbote in Zukunft vermeiden, müssen die Autobauer in wenigen Jahren mit fossilen Neuentwicklungen aufhören. Martin Unfrieds Überblick über die Lage.

 

Energiewende auf einen Blick: Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der deutschen Energiewende. Das Klima- und Energieportal Carbonbrief bietet eine großartige, interaktive Karte der Stromerzeugung in Deutschland.

 

Präsidentschaftswahl: Warum wählen Mittelklasse-Amerikaner Trump?

„Es ist ökonomisch schädlich, ökologisch unnötig und praktisch unmöglich, bereits 2030 komplett auf Verbrennungsmotoren zu verzichten.“

 

Christian Lindner, Vorsitzender der FDP, stellt klar, wo die Partei steht.

1.641. Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurden im September in Deutschland 1.641 Elektro-Autos neu angemeldet. Das sind fast doppelt so viele wie im August (895). Insgesamt wurden 2015 13.300 Elektroautos neu zugelassen – und 3,2 Millionen Verbrennungsmotoren.

Von der zeozwei-Buchliste „10 Bücher für den Herbst“:

 

Naomi Klein: Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima. Fischer, 2016, 14.99 €

 

Ein wichtiges Buch, weil die Superlinke Klein die Dimension des Problems Klimawandel im sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhang erkannt hat und damit auch in Kreise wirkt, die „sozialökologische Transformation“ für Geschwätz von Biogurken-Käufern halten, für die Marx ein bayerischer Erzbischof ist. Jetzt als Taschenbuch.

Die offene Gesellschaft – welches Land werden wir? 24. Oktober, Potsdam. 19 Uhr, Hans Otto Theater/Reithalle. 26. Oktober, Böblingen-Sindelfingen, 19 Uhr, SparkassenForum.

 

11. November: taz on tour für eine offene Gesellschaft: Die neuen Deutschen. Marina und Herfried Münkler im Gespräch mit Jan Feddersen über die Zukunft Deutschlands. 19 Uhr, taz Café, Rudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin.

 

Sie wollen, dass die taz bei Ihnen vorbeikommt? Schreiben Sie an: taz.meinland@taz.de

 

That wraps it up for today. Until next week: Keep your feet on the ground and keep reaching for the stars.