Der zeozwei Wochenüberblick #9: Was bedeutet Paris? 3 Meinungen

Die Fünf-Minuten-Lektüre für Ökos und solche, die das eigentlich nie werden wollten.

Diese Paris entscheidet zum Glück nicht über unsere Zukunft. Bild: reuters

Großartig: Paris ist eine historische Entscheidung

Bernhard Pötter, politischer Korrespondent von zeozwei, hat die UN-Klimakonferenz von Anfang bis Ende beobachtet. Hier sein Kommentar.

Das Pariser Abkommen zum Klimaschutz ist eine historische Entscheidung - kein lückenloser Klimavertrag mit klarer Aufgabenverteilung und allen Details, wie es viele gern hätten, die zu Recht unzufrieden und ungeduldig sind.

Aber in einer Welt, deren Interessen so weit auseinanderliegen, die sich auch sonst auf nichts einigen kann und wo niemand, schon gar nicht Deutschland oder die EU, jemanden zum Klimaschutz zwingen kann, ist das Abkommen so ziemlich das Beste, was möglich war. Paris bringt: Ein ehrgeiziges Ziel mit 2 oder sogar 1,5 Grad maximalem Klimawandel. Der Abschied von Kohle und Öl („Dekarbonisierung”) - zwar umständlich formuliert, hat es aber doch in den Text geschafft.

Die Vereinbarung, dass ALLE sich anstrengen müssen, zuerst die Industrieländer, aber jetzt auch etwa Indien und China. Die Festschreibung von 100 Milliarden Dollar und mehr für die Ärmsten. Eine Diskussion über Schadensersatz und neue Klimapläne der Staaten ab 2023. Und vor allem eine Stimmung der Gemeinsamkeit, ein „spirit of cooperation und compromise”, den es noch nie auf Klimakonferenzen gab.

Klar, es ist nichts ENTSCHIEDEN, aber es sind die Fundamente gelegt für den ernsthaften Kampf gegen den Klimawandel, für eine globale Kooperation zu Armutsbekämpfung und Energiewende. Niemand weiß, ob das ausreicht und wie viel davon umgesetzt wird. Aber Paris macht Hoffnung, dass es sich für diese Zukunft zu kämpfen lohnt. Das war nicht zu erwarten, auch nicht am Tag der Abstimmung. So sehen kleine Wunder kurz vor Weihnachten aus.

 

Abwarten: Paris hängt von der Interpretation des Betrachters ab

Martin Unfried ist Kolumnist von zeozwei („Anders Denken”). Hier sein Kommentar zur UN-Klimakonferenz von Paris.

Merkwürdig: die Umwelt-NGOs waren happy, aber der Bundesverband der Deutschen Industrie hat was zu nörgeln. Das Abkommen in Paris bleibe deutlich hinter dem zurück, was nötig wäre, um angemessene Klimaschutzanstrengungen fair und verbindlich umzusetzen, meint BDI-Chef Ulrich Grillo. Wegen des Weltklimas? Nein, Grillo zeigt, worum es anscheinend nach Paris geht. Um Deutungshoheit.

Der Deal sei unfair. „Es ist jetzt nicht die Zeit, überstürzt über neue EU-Ziele nachzudenken, geschweige denn über nationale Ziele.” Soll heißen: die armen Industriestaaten wurden reingelegt und sollten jetzt auf keinen Fall progressive Klimaschutzpolitik betreiben. Interessante Interpretation.

Hoffentlich haben auch die begeisterten NGOs zuhause nochmal in Ruhe den Text gelesen und sich die Augen gerieben. Es steht nämlich nicht viel Verbindliches drin im „Paris Agreement”. Worum es im Text im juristischen Sinne nicht geht: Um einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien, einen verpflichtenden Ausstieg aus den fossilen Energien, um die Emissionen im Flug- und Schiffsverkehr.

Und es geht schon gar nicht um die Haftung für Schäden durch den Klimawandel. Betroffenen Inselstaaten beispielsweise wird damit der Weg vor die Gerichte sicher nicht erleichtert. Das könnte man eine einseitige Verteilung der Finanzlasten des Klimawandels nennen. Paris und was es bedeutet: Es hängt alles sehr von der Interpretation des Betrachters ab.

 

Paris und nun? Was die EU jetzt tun kann

Felix Ekardt ist Rechtsprofessor in Rostock und leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin. Er war in Paris. Hier seine Analyse.

Es war nicht mehr drin als dieses Pariser Abkommen, das stimmt zwar. Es verdeckt aber, dass beispielsweise der EU keineswegs Ruhm gebührt. Die Pro-Kopf-Emissionen in Europa liegen bei einem Vielfachen dessen, was die Erde vertragen könnte, wenn alle Menschen weltweit und auf Dauer so leben würden wie wir.

Einschneidende Reduktionen bei Treibhausgasen hat auch die EU nicht angekündigt. Und den entscheidenden Zug hat sie nicht gemacht: Hätten westliche Industriestaaten deutlich höhere Finanztransfers offeriert, wären auch klarere Klimaschutzverpflichtungen für die Staaten weltweit denkbar gewesen. Dabei wäre jetzt eine echte EU-Vorreiterrolle nötig. Allerdings birgt ein Ansetzen lediglich in einzelnen Lebensbereichen oder in einzelnen Ländern die Gefahr, die Emissionen nur zu verlagern.

Die EU sollte deshalb mit einem Klimaschutzansatz vorangehen, der eine Perspektive zur Einbeziehung der übrigen Welt enthält. Durch einen völlig neu konzipierten und verschärften Emissionshandel – mit strengeren und sukzessive anziehenden Reduktionszielen – könnte man fossile Brennstoffe flächendeckend und endlich einmal ambitioniert bepreisen.

Fossile Brennstoffe bei Strom, Wärme, Treibstoff und die vielen stofflichen Nutzungen würden so durch erneuerbare Energien, Effizienz und – sofern allein die technischen Neuerungen nicht ausreichen – auch durch genügsamere Lebensstile ersetzt. Das lohnt sich wirtschaftlich schon kurz- und mittelfristig. Der Ansatz fördert durch den Preisdruck neue Wirtschaftszweige und macht sich von Energieimporten, steigenden Ölpreisen und zweifelhaften Gaslieferanten wie Russland unabhängig, jedenfalls dann, wenn man parallel Energiespeicher und Energieleitungen ausbaut.

Man sichert langfristig die Energieversorgung und vermeidet gewaltsame und überdies äußerst teure Wettläufe und Konflikte um schwindende Ressourcen. Vor allem vermeidet man die auch ökonomisch fatalen Klimawandelfolgen. Alle Staaten etwa in Südamerika oder Afrika könnten sich an dem System beteiligen. Die Einnahmen daraus könnte man für die sozial-ökologische Transformation in jenen südlichen Ländern einsetzen. Gegenüber unbeteiligten Staaten wie den USA oder China könnte man Ökozölle auf Im- und Exporte einführen, die Emissionsverlagerungen dorthin vermeiden. Welthandelsrechtlich ginge das. So könnte man schrittweise immer mehr Staaten weltweit doch noch zu mehr Klimaschutz bringen.

 

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Die Grünen: Der Nachhaltigkeitsprofessor Reinhard Loske hat die Grünen aufgefordert, sich „fundamentaler“ für das Projekt der sozialökologischen Transformation zu engagieren. „Die Grünen müssen fundamentaler rangehen und auch über ökologische Lebensstile, kooperatives Wirtschaften, Deglobalisierung und wahre Preise zu reden“, sagt er in der Weihnachtsausgabe der zeozwei. Die historische Mission sei mitnichten erledigt. "Die ökologische Krise lässt sich nicht mit reinen Harmoniekonzept bewältigen“. Loske war viele Jahre führender Ökopolitiker der Grünen. Soeben ist sein Buch erschienen: "Politik der Zukunftsfähigkeit" (Fischer, 12,99€).

Die Mitte der Gesellschaft hat sich 2015 politisiert.

Die Ränder haben sich auch politisiert.

„Die historischen CO2-Emissionen wärmen die Ozeane weiter auf. Auch wenn wir morgen mit dem Emittieren aufhören würden, könnte es immer noch über 1,5 Grad hinausgehen. Die Antwort auf die Frage, wie man die Erderwärmung auf 1,5 Grad beschränkt, ist deshalb simpel: Wir brauchen alles und wir brauchen es jetzt.“

 

Piers Forster, Professor für Klimawandel, Leeds.

Neil Young - „A Rockstar Bucks a Coffeeshop“

 

Der Anti-Glyphosat-Song. Monsanto, Monsanto. Lass' unsere Bauern anbauen, was sie anbauen wollen. Kommentar auf Youtube: „Großartige Musik ist nicht nur angenehm für die Ohren. Sie unterhält und bildet und hoffentlich aktiviert sie die Leute auch." Genau.

24. Dezember: Heiliger Abend. Feier des menschlichen Miteinanders und der Familie jeder Art.

 

25. Dezember: 1. Weihnachtstag. Feier der menschlichen und familiären Streitkultur.

 

26. Dezember: 2. Weihnachtstag. Überstürzte Abreise. Nie wieder! Bzw. erst wieder in einem Jahr.

 

That wraps it up for today. Until next week: Keep your feet on the ground and keep reaching for the stars.